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Manfred Schneider nähert sich den Bildern im Modus des Zweifels und bevorzugt für seine malerische Annäherung die heterogene oder hybride Form. Text und Bild, Figur und Grund, Abstraktion und Einfühlung, Ornament und Verbrechen bilden die Pole, zwischen denen die komplexen Arbeiten aufgespannt werden. In seiner mittlerweile dritten Einzelausstellung in der Galerie von Sebastian Brandl verhandelt Schneider auf zwei großen und zahlreichen kleineren Leinwänden das Verhältnis zu Bildern, die vor und neben, in und außerhalb der Kunst angesiedelt sind und eignet sich diese in einem langwierigen Prozess durch Übermalungen oder rahmende Umkreisungen an. An die Stelle von Innovation, an die Suche nach dem Neuen und Originellen treten die Infiltration, die ironische Verfremdung und das Zitat. Im Hintergrund nistet nicht zuletzt die unterschwellige Frage, wie denn die Bilder in unseren Kopf gelangen und welche Schlaufen sie dort auszulösen vermögen. Fotografische Fundstücke aus Illustrierten oder Tageszeitungen gehen dabei zusammen mit den malerischen Setzungen zahlreicher Schichten eine montagehafte Verbindung auf dem jeweiligen Bildträger ein.

Das Aussieben von Bildern aus der medialen Bildmaschine stellt für Schneider zuvorderst einen emanzipierenden Vorgang der Selbstverortung dar und ist weniger als Resultat von Verlustängsten oder gar als Kapitulation anzusehen. Weit eher ist damit ein vielschichtiges Ausloten der Zeitdimension im Prozess des Zeichengebrauchs markiert. Der Bildraum ist hierbei ein konstruktiv in die Verunsicherung getriebener Ort, aufgeteilt in über- unter-, vor- und hintereinander geschichtete Flächen mit unterschiedlichen Oberflächenbeschaffenheiten. Ein Gitternetz aus Linien verbindet die eingestreuten Inseln, in denen ein Bildpersonal, zeichenhaft und erzählend zugleich, als Protagonisten der Unruhe in beziehungsreiche Distanzen zueinander verharrt. Auf der Grenzlinie zwischen Darstellung und Abstraktion schmuggelt Schneider völlig ungeniert tagespolitische Inhalte in die labilen Strukturen des Bildes und sucht nach gegenläufigen Verspannungen und Verdichtungen, bei denen Mikro- und Makroperspektiven ineinander geschoben werden und Zeitbilder sich permanent überschneiden.

Ein Schleier scheint über den Motiven zu liegen und gemahnt an Bilder, die man mitnimmt, wenn man tief in der Nacht vor dem Fernseher wegdöst. Hierzu passt ein skulpturales Gebilde, ein mit Zeitungspapier ummanteltes Gestell, welches das Gehäuse für einen Fernsehapparat abgeben könnte. Anstelle der Flimmerkiste baumeln in diesem Möbelstück jedoch fünf Mercedessterne und suggerieren den Traum von einer Welt des soliden Wohlstandes im Kosmos des lokalen Wohnzimmers. Gerne darf an dieser Stelle die Frage aufgeworfen werden, welche Impulse ein Fernsehgerät abstrahlt, wenn die unterschwellig vermittelte und Konsens verpflichtende Werteskala auf ein solch simpel anmutendes Signet oder Klischee herunter gebrochen werden kann. Schneider reflektiert demnach sehr genau, wie Kultur in globalisierte Formen von Konflikten, Interessenlagen und Austauschverhältnisse eingebunden ist. Bei seiner Art, den Stillstand zu malen, kann man sich letzten Endes wohl nicht mehr sicher sein, ob man sich in der Idylle oder in der Hölle befindet. Die Übergänge scheinen sich zu verflüssigen. An den Betrachter ergeht ein emotionalisierter Appell mit selbstironischem Impetus.

Wie in einem Spagat setzt Schneider auch weiterhin auf die ungefilterte Sinnlichkeit des Bildes und lässt dennoch den Monitor-Blick nicht außen vor. Schneider verkoppelt Malerei und Fotografie, Privates und Öffentliches, das Eigene und das Ferne und verwebt darin seine auf Anschaulichkeit zielende mediale Reflexion. Nur so entgeht seine Kunst den allgemeinen Aufgeregtheiten und plädiert stattdessen für Momente des Zögerns, der Unterbrechung und der Überarbeitung, die eine genau kalkulierte Form der Zurückhaltung offenbaren und die Langeweile als Irritationsfaktor zum Einsatz bringen. Mit seinen Bildfindungen gelingt es dem Künstler auf mitunter subtil ironischer Weise die einlullend repräsentativen Sprechweisen des Öffentlichen durch intime, authentische Tonlagen in die Parameter individueller Erfahrung zurückzuübersetzen. Ein Weltbezug und ein Verhältnis zu Lebensrealitäten, wie offen oder verrätselt auch immer diese verstanden oder erspürt werden mögen, durchzieht Schneiders wechselvolle Bildproduktion im Medium der Malerei und bezeugt ihr Potential zur Selbstbehauptung und Existenzversicherung.

Harald Uhr

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Manfred Schneider
LOKALKOSMOS
Bilder, Zeichnungen, Skulptur