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Manfred Schneider (*1959 in München) studierte zunächst Architektur in München und war dann 1990 bis 1996 Schüler von Ilya Kabakov, Thomas Bayrle und Martin Kippenberger an der Frankfurter Städelschule. Er lebt und arbeitet in Berlin.

Die Arbeiten des Künstlers bieten dem Betrachter spröde und archaische, manchmal drastische und düstere Szenarien, die durch ihren Detailreichtum und ihre Rätselhaftigkeit zum Dechiffrieren geradezu herausfordern, letztendlich aber nicht auflösbar sind. Das kontinuierliche Einbinden von Wörtern und Sätzen begleitet die Bilder wie ein unterschwelliges Stimmengemurmel.

Gezeigt werden etwa fünf kleinformatige (75 x 55 cm), zwei mittelformatige (150 x 110 cm) und eine großformatige Zeichnung (200 x 150 cm) aus dem Jahr 2009 in den Techniken Sepiastift bzw. Kohle auf Papier, teilweise mit Lack kombiniert.

Im Werk von Manfred Schneider finden sich Collagen, großformatige Zeichnungen, Ölbilder und Skulpturen bzw. Installationen und die Materialien Kohle, Lack, Wachs-, Sepia- und Bleistift, Öl, Gips, Eisen, Pappe, Aluminium und Holz. Seit 2008 verwendet Manfred Schneider für seine Zeichnungen zunehmend Sepia und legt sie puristischer, aufgelockerter an. Ein primär konzeptueller Ansatz wird bestimmend für das Œuvre.

Das Leitmotiv der Galerieausstellung ist durch drei Varianten von 'Gestellen' vorgegeben, deren Grundkonzept mit der ersten 'Geländer'-Skulptur 1994/1995 noch während des Studiums Eingang in das Werk gefunden hat. Manfred Schneider hat damals diese vage und linear bestimmte Installation gebaut, um eine skulpturale Umsetzung, die nicht zu ausgefeilt und glatt wird, für das zu finden, was man auf den Zeichnungen als experimentelle, raumartige Entwürfe entdecken kann.

Jetzt sind aus dem kühlen, fast abstrakten 'Geländer' objekthaftere, auf den ersten Blick eindeutiger identifizierbare Installationen der neuen Werkgruppe 'Psychomimetische Gestelle' geworden. Die aus pulverbeschichtetem Stahl hergestellten Werke In and Out, 100 x 68 x 152 cm; Temporary, 164 x 120 x 202 cm, und Halucomplex, 115 x 98 x 168 cm, stammen sämtlich aus diesem Jahr und haben eine einheitlich graue Außenhaut. Der ungewohnte Begriff „psychomimetisch“ bedeutet für den Künstler die Rolle der Skulpturen, verschiedene psychische Zustände auszudrücken. Durch den überdimensionalen Maßstab und die rohe Ästhetik weichen die als 'Gehhilfen' erkennbaren Werke wieder von ihren realen Vorbildern ab.

Einen direkten Bezug zur Installation stellt in erster Linie die Zeichnung Ohne Titel, 75 x 55 cm, her, auf der in markanter und entschiedener Strichlage Gehhilfen und ein Geländer zu einer eigenwilligen Architektur zusammengeschoben wurden. Das Eckige dieses Blattes wird in eine analoge, aber verflüssigte Struktur auf creme, creme, creme (75 x 55 cm) verwandelt, von deren horizontalen Stegen Tropfen sickern. Das obsessive und lautmalerische "creme, creme..." spielt auf die halbfeste Qualität der Farbe an und verbindet sich mit dem wiederholten "male, male..."-Imperativ in den Werken. Es ist ganz typisch für Schneider, dass der Betrachter immer wieder auf alchemistische Spuren einer Transformation von 'toten' Gegenständen durch organische Vorgänge, der Verwandlung von Festem zu Flüssigem stößt, wie auf Wachskopf, 75 x 55 cm, oder Monokino, 75 x 55 cm. Vom kompositorischen Prinzip der Staffelung in die Tiefe her ist das Blatt wie ein Echo auf eine der Gestell-Skizzen. Als weitere Spielart eines angedeuteten, geometrisch definierten Raums entwirft Manfred Schneider modellhafte Laternen, wie etwa auf Minds and Rooms, 150 x 110 cm oder R1, 75 x 55 cm, zu sehen.

Die Reflexion der eigenen Rolle als Künstler und die der Kunst bzw. Malerei taucht als roter Faden kontinuierlich auf. Besonders Heating or Eating, mit 200 x 150 cm eine der größten aktuellen Zeichnungen, widmet sich dezidiert dem Topos der Kunst. Von einer Personifikation göttlicher Macht des Paradieses verwiesen, findet die kleine Künstlerfigur sich in ihrer schwierigen materiellen Existenz wie vor einem Abgrund wieder. Bei Schwimmer, 75 x 55 cm, versuchen zwei Figuren in einer absurden Szene, durch die aus umgekippten Farbtöpfen rinnenden Lache zu schwimmen.

Bei den Protagonisten handelt es sich meist um Kinder, geschlechts- und alterslose Wesen, die einzeln oder paarweise auftreten. Sie wenden sich selten dem Betrachter zu, oft verharren sie bewegungslos, gegeneinander gerichtet bzw. in paralleler Anordnung – fast wie zwei personae ein und desselben Subjekts (Monokino, Wachskopf). Sie bedeuten keine individuellen Wesen, sondern sind Variablen für Konzepte von Körperlichkeit, die sich einerseits – bei passiver Haltung – konzentriert und verdichtet, und andererseits expandiert – wenn der Raum durch Einsetzen der Extremitäten erobert wird (Schwimmer, Painter’s Paint, 200 x 150 cm). Während das Verharren der Figuren die Zeit aus den Zeichnungen herauszusaugen scheint, nehmen die in Bewegung begriffenen Wesen sich Raum und auch Zeit. Die Reduktion von Körperlichkeit geht einher mit dem Verlust an Räumlichkeit. Somit kreuzen sich im Gestell konstruierter Raum und symbolisierter Körper und demonstrieren eine fragmentierte, poröse Körperlichkeit, die aber nichts mit einem Krankheitsgeschehen zu tun hat, sondern künstlerische Parameter auslotet.

Gabriele Wurzel