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Eröffnung, am 22.08.08, 19 Uhr Pressegespräch am 22.8.08, 13 Uhr

Der Ausgangspunkt für die Ausstellung Many Challenges Lie Ahead in the Near Future ist eine unterschwellige Erwartungshaltung, die Künstlern und der Kunst vom Balkan entgegengebracht wird.

Wenn es um Künstler geht, die aus der Balkanregion kommen, scheint die Herkunftsfrage sehr oft wichtiger zu sein, als andere Aspekte und Fragestellungen ihrer Kunstwerke. Im letzten Jahrzehnt präsentierten mehrere prominente Ausstellungen, wie In den Schluchten des Balkan, Kunsthalle Fredericianum, Kassel, 2003, Blut und Honig, Sammlung Essl, Wien, 2003, In Search of Balkania, Graz, 2002, usw. dem westlichen Publikum zeitgenössische Künstler, die aus dieser Region stammen. Auch wenn diese Ausstellungen den Künstlern die Gelegenheit gaben, ihre Arbeiten einem internationalen Publikum vorzustellen, haben sie ihnen auch eine Last auf die Schultern gelegt, die in der Frage besteht, was es zu bedeuten hat ein „Künstler vom Balkan“ zu sein.

Natürlich ist das Wissen des Betrachters über die Herkunft eines Künstlers nicht folgenlos. Es erzeugt bestimmte Erwartungen an die künstlerische Produktion, nämlich sowohl in Form von Bildern als auch von thematischen Fragestellungen, die sich mit dem Kommunismus, den Kriegen auf dem Balkan in den 90er Jahren auseinandersetzen, oder eine bestimmte Art der exotischen Folklore und Tradition aufgreifen, die es nur noch „in den Schluchten des Balkan“ gibt. In so einer Situation stellt sich die Frage, wie sich Künstler dieser Erwartungshaltung stellen. Die hier präsentierten vier Künstler verwenden die erwünschten Bilder als Kern ihrer Arbeiten und problematisieren davon ausgehend ihre künstlerische Position.

In seinem Künstlerbuch Kissing the back of your hand makes the sound like a wounded bird (2007), kommentiert der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende, aber in Frankreich künstlerisch ausgebildete und in Paris und Berlin lebende Künstler Bojan Sarcevic (geb. 1974 in Belgrad, Serbien) ironisch die beständige Rezeption seiner Arbeiten vor dem Hintergrund seiner Herkunft. Neben den Abbildungen seiner bildhauerischen Arbeiten, Installationen und Videos (die genau so abstrakt sind, wie der Titel des Buchs), präsentiert er dort, anstelle der kunsthistorischen Erläuterung und Interpretation seiner Werke, Texte über die politische und ökonomische Situation auf dem Balkan: The Western Balkans: moving on (Chaillot Paper No. 70, Institute for Securtity Studies, European Union, Paris).

Milos Tomic (geb. 1976 in Belgrad, Serbien) zeigt in dem Video Clay Pigeon eine Liebesgeschichte, die auch eine Kriegsgeschichte ist. Die verführerische Art, in der sein Film geschnitten ist und die mit der Filmästhetik von Stummfilmen flirtet, und seine humorvolle Arbeitsweise lässt die Geschichte nie pathetisch werden. Tomić nutzt ein spezifisches Motiv der Geschichte des Balkans, um auf eine universelle Frage aufmerksam zu machen. In seinem Video Heroes schafft es Lulzim Zeqiri (geb. 1978 in Gjilan, Kosovo) eine doppelte Legitimierungsfrage zu lösen. Nämlich einerseits die Frage nach seiner künstlerischen Position innerhalb des europäischen Kontextes und andererseits die Frage seiner Position innerhalb der Gesellschaft im Kosovo. Um die erste zu lösen, bietet er dem Betrachter eine ironische, orientalistische Inszenierung dreier Musiker, die in traditionellen Posen eine traditionelle Melodie spielen. Demgegenüber legitimiert man sich in Zeqiris eigener Gesellschaft dadurch, dass man als Nationalheld Anerkennung bekommt. Deswegen lässt Zeqiri die Sänger nicht wie in traditionellen Liedern von Nationalhelden singen sondern von zeitgenössischen Künstlern aus dem Kosovo.

Vladimir Nikolic (geb. 1974 in Belgrad, Serbien) bringt in The Death Anniversary ein Klageweib aus einem Dorf in Montenegro zum Grab von Marcel Duchamp in Rouen, um es dort weinen zu lassen. In diesem Video kritisiert er ein häufig von Künstlern eingesetztes Prinzip, nach dem Künstler das Brauchtum ihrer Tradition und Herkunftsländer als „ready-made“ nutzen und in dieser unbearbeiteten Form zeigen. Er nennt solche Kunst nicht zeitgenössische Kunst, sondern „Ethnokunst“ oder „Look How We Celebrate Religious Holidays In My Land–Kunst“.

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Many Challenges Lie Ahead in the Near Future
im Untergeschoss der Brücke
Kurator: Radmila Joksimovic

Künstler: Vladimir Nikolic, Milos Tomic, Bojan Sarcevic, Lulzim Zeqiri