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„Marlies ist völlig isoliert von ihrer Vergangenheit. Sie gibt keine Anhaltspunkte über ihr vorheriges Leben oder mögliche Kontakte zu anderen Personen. Sie schaut oft in Tageszeitungen und wirkt, als ob sie die Worte ansieht, ohne sie zu lesen oder zu verstehen. Wenn sie Anfälle hat, kämpft sie mit unsichtbaren Mächten. Sie schreit dann wie die besessene Linda Blair im Exorzisten und klingt, als ob sie rückwärts spräche. Es ist, als ob die Sprache sich komplett aufgelöst hätte.“ Über Jahre hinweg begegnete Marc Brandenburg fast täglich der Obdachlosen Marlies, die auf der Straße vor seinem Haus lebte. Gemeinsam mit Heinz Peter Knes hat er für SEPTEMBER das gleichnamige Ausstellungsprojekt entwickelt. Marlies ist für Knes „eine symptomatische Figur, die sich so weit von konventionellen Lebensvorstellungen gelöst hat, dass ein Verstehen nicht mehr möglich ist. Dennoch hat sie nicht aufgehört, sich mitzuteilen. Auf sich selbst zurückgeworfen, hat sie eine Sprache entwickelt, die nur noch ihr gehört.“

Für dieses Projekt kooperieren Brandenburg und Knes erstmals miteinander. In Marlies finden das Unverstandene, die verstümmelte, psychotische Sprache eine visuelle Entsprechung. Im Zentrum der Ausstellung steht hierbei eine Installation, die gleichermaßen psychosoziale Symptome wie auch subversive Strategien thematisiert – etwa das „Backmasking“, das versteckte Einschleusen von rückwärts aufgenommenen Botschaften in Tonträgern. Diese Technik wurde in der Popmusik von zahlreichen Bands, wie etwa den Beatles oder Nirvana eingesetzt. In einigen Songs von Aphex Twin sind Frequenzfolgen eingebettet, die bei graphischer Darstellung des Frequenzspektrums als Muster und Grafiken erkennbar werden.

Auch bei Brandenburg/ Knes findet sich eine ähnliche Vorgehensweise. An einem Schienensystem befestigte transparente Gazevorhänge bilden eine raumfüllende, kreisrunde Form, in der sich gegenständliche und abstrakt verzerrte Motive in verschiedenen Schichten zu einem flirrenden All-Over überlagern. Als Hybrid aus Zelt, temporärer Behausung und 3-D Panorama dient die Stoffskulptur von Brandenburg / Knes zugleich als Bühne für die Performance der Berliner Band B-Teilchen, für die die Künstler bedruckte Kostüme und Masken angefertigt haben. Für ihre Auftritte und Songs entwickeln B-Teilchen eine Kunstsprache, die an Englisch erinnert, aber eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt.

Zur Ausstellung erscheint die limitierte Vinyl-Edition KONSERI von Marc Brandenburg, für die der Künstler Tonträger und Cover gestaltet hat.

Marc Brandenburg, geboren 1965, wurde durch seine charakteristischen Bleistiftzeichnungen international bekannt. Seine Arbeiten waren seit 1989 weltweit in zahlreichen Institutionen und Galerien zu sehen, unter anderem im Bielefelder Kunstverein (Gegen den Strich, 2008), im U-Bahnhof Berlin Alexanderplatz (Underground, Ausstellungsrunde der NGBK Berlin, 2007), in der Galerie der Gegenwart der Hamburger Kunsthalle (10 Jahre Weltempfänger, 2007), in der Londoner Union Gallery (Great Expectations, 2007), im Museum Ludwig in Köln (Das Achte Feld, 2006), im Museum für Moderne Kunst Frankfurt (2005), im Kunstverein Oldenburg (2004), im Harlem Studio Museum, New York (Roots, 2004) und im Kunstraum Innsbruck (Full Circle (Excerpts from Negrophobia), 2003). Brandenburg ist in öffentlichen Sammlungen wie dem Berliner Kupferstichkabinett, dem MoMA in New York, der Hamburger Kunsthalle und dem Frankfurter Museum für Moderne Kunst vertreten. 2005 erhielt er den Karl-Ströher-Preis der Stadt Frankfurt am Main.

Heinz Peter Knes, geboren 1969, studierte von 1993-1999 Fotografie an der Fachhochschule Dortmund – University of Applied Sciences. Seit 1998 war er als Fotograf für verschiedene internationale Magazine und Institutionen tätig, unter anderem Spex, Jetzt, 032c, brand eins, Lodown, Virgin Records, Columbia Records, Bless, Camera Austria, Dutch, Doingbird, purple, butt, Fanzine137, Nylon, Photofanzine Strahlung (unterstützt vom Künstlerhaus Stuttgart, Köln/Stuttgart, 1998.) Seine Arbeiten wurden unter anderem in folgenden Einzel- und Gruppenausstellungen präsentiert: im Open Space auf der Art Cologne (2008), in 100 – 1000, Galerie Crone, Berlin (2007), in Ich Liebe Dich, André Schlechtriem Temporary Inc., New York (2007), in A Lovers Discourse, Peres Projects, Los Angeles (2006) und in Anti Fee, Allergieräume, Kunstwerke, Berlin (2002).

Beide Künstler leben und arbeiten in Berlin. Heinz Peter Knes ist vertreten durch die Galerie Crone in Berlin. Marc Brandenburg wird vertreten von Contemporary Fine Arts in Berlin und der Galerie Thaddaeus Ropac in Salzburg.

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MARLIES
Marc Brandenburg / Heinz Peter Knes