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Marcel Breuer (1902-1981) gehört als Designer und Architekt zu den einflussreichsten und bedeutendsten Gestaltern des 20. Jahrhunderts. Bereits als junger Student am Bauhaus in Weimar tat sich der gebürtige Ungar mit einigen von der niederländischen De Stijl-Gruppe inspirierten Möbelentwürfen hervor. Im Alter von nur 23 Jahren gelang ihm 1925 die als revolutionär zu bezeichnende "Erfindung" des Stahlrohrmöbels, die als sein zentraler Beitrag zur Designgeschichte gilt. Breuers Stahlrohr-Entwürfe - wie etwa der berühmte Wassily-Sessel, der Bauhaus-Hocker oder die diversen Freischwinger - stehen, vergleichbar nur mit Wagenfelds legendärer Tischleuchte, beispielhaft für das Design einer ganzen Epoche. Sie haben, millionenfach kopiert, längst ihren festen Platz unter den großen Klassikern der Moderne. Doch nicht nur den Möbeln aus Stahlrohr hat Breuer zum weltweiten Durchbruch verholfen. Auch mit den in den Dreißiger Jahren entworfenen Möbeln aus Aluminium und verformtem Schichtholz schrieb er Designgeschichte und inspirierte nachfolgende Designergenerationen. Kaum weniger bedeutsam erscheinen aus heutiger Perspektive die legendären Inneneinrichtungen Breuers. Man denke etwa an die Einrichtung des Meisterhauses von Walter Gropius in Dessau (1925/26), an die Wohnung des berühmten Theaterregisseurs Erwin Piscator in Berlin (1927), aber auch an die späteren, in England und Amerika realisierten Interieurs, die die Wohnkultur des 20. Jahrhunderts entscheidend mitprägten.

Mochte sich Breuer innerhalb von nur wenigen Jahren vom Bauhausschüler zu einem in der gesamten europäischen Avantgarde beachteten und geschätzten Möbeldesigner und Inneneinrichter entwickelt haben, seinem Selbstverständnis nach wollte er in erster Linie Architekt sein. Spätestens seit Mitte der Zwanziger Jahre begriff er das Bauen als das eigentliche Ziel seiner beruflichen Tätigkeit. Nach schleppenden Anfängen in Europa und (ab 1937) in den USA, die vor allem der Weltwirtschaftskrise und dem Zweiten Weltkrieg geschuldet waren, belebte sich seine Karriere als Architekt seit Mitte der Vierziger Jahre. Sein in New York ansässiges Büro profilierte sich zunächst mit Einfamilienhäusern. Seit Beginn der Fünfziger Jahre konnte Breuer aber auch zahlreiche prestigeträchtige Großprojekte realisieren, unter denen einige, wie etwa die Unesco-Zentrale in Paris (1952-58 zusammen mit Nervi und Zehrfuss) oder das Whitney Museum of American Art in New York (1964-66), weltweite Aufmerksamkeit erregten. Zu seinem Markenzeichen entwickelte sich in dieser Zeit sein skulpturaler Umgang mit dem Material Beton, das er vor allem wegen seiner Formbarkeit und Massivität schätzte. Er nutzte die konstruktiven Möglichkeiten des Beton auf virtuose Weise für seine außergewöhnlichen Raumschöpfungen, unter denen vor allem seine Kirchenbauten Beachtung verdienen. Auch zur variantenreichen plastischen Durchbildung seiner Rasterfassaden setzte er dieses Material ein, wobei es ihm gelang, das Formenvokabular der modernen Architektur entscheidend zu erweitern und zu verfeinern. Bis 1976, als er sich krankheitsbedingt aus dem aktiven Berufsleben zurückzog, zählte Breuer, mit zahlreichen wichtigen Auszeichnungen geehrt, zu den prominentesten Figuren der westlichen Baukunst.

Die vom Vitra Design Museum konzipierte und organisierte Retrospektive auf das Werk von Marcel Breuer ist die erste Ausstellung überhaupt, in der die verschiedenen Schaffensbereiche des Meisters gleichberechtigt und adäquat berücksichtigt sind. Während die thematisch strukturierte Schau im Bereich des Möbeldesigns fast alle wichtigen Entwürfe Breuers zeigen kann, wird sein äußerst umfangreiches architektonisches Werk im Wesentlichen anhand von 12 exemplarischen Bauten dargestellt.

Unter der Überschrift "Materialien" dokumentiert die Ausstellung Breuers Design in chronologischer Reihenfolge. Sie stützt sich dabei auf die Tatsache, dass er bei seinen Möbelentwürfen nacheinander mit vier verschiedenen Werkstoffen, nämlich Massivholz, Stahlrohr, Aluminium und Sperrholz arbeitete. Besonders im Bereich der Stahlrohrmöbel wird anhand von vielen Originalstücken verdeutlicht, wie schnell Breuer die konstruktiven bzw. gestalterischen Möglichkeiten eines Materials erkannte und innerhalb weniger Jahre auf fast schon systematische Weise auslotete. Die Übertragung des Freischwingerprinzips vom Stahlrohr auf Aluminium zeichnet Breuers Arbeit mit diesem, in der Möbelherstellung bis dahin kaum genutzten Material aus. Ein weiteres Meisterstück gelang ihm mit der wörtlichen Übersetzung der Aluminiumliege in das Material Sperrholz, die den Anfang einer intensiven Beschäftigung mit diesem Werkstoff markierte. Zeichnungen, Möbel-Kataloge und eine Vielzahl zeitgenössischer Fotografien von Breuers innenarchitektonischen Arbeiten vermitteln neben den Möbel-Exponaten ein fassettenreiches Bild seines Designschaffens.

Bei der Darstellung von Breuers architektonischem Werk setzt die Ausstellung auf verschiedene Präsentationsarten. Im Mittelpunkt stehen zwölf eigens für die Ausstellung angefertigte Modelle. Thematisch geordnet unter die Rubriken "Häuser", "Räume" und "Volumen" und ergänzt durch Skizzen, Planzeichnungen sowie zahlreiche Fotografien vermitteln sie ein plastisches Bild von Breuers Architektur. Jedes Modell dokumentiert nicht nur ein Hauptwerk (darunter etwa die Häuser Breuer I und II, das Whitney Museum und die spektakulären Kirchenbauten) sondern steht zugleich stellvertretend für eine grundrisstechnische, konstruktive oder formale Lösung, die Breuer in zahlreichen weiteren Bauten anwandte. Auf konzentrierte Weise gelingt es der Ausstellung somit, der Vielfalt und dem Umfang von Breuers architektonischer Leistung gerecht zu werden.

Unter der Überschrift "Motive" zeigt die Retrospektive schließlich zentrale Elemente von Breuers Entwurfsvokabular auf, die gleichsam als Klammer zwischen den verschiedenen Schaffensbereichen begriffen werden können. So taucht etwa das Motiv der Auskragung bereits in frühen Möbelentwürfen auf, um in den folgenden Jahrzehnten in vielen seiner Bauten immer wieder neu interpretiert und inszeniert zu werden. Ähnliches lässt sich von horizontalen Bändern bzw. liegenden Rechtecken sagen, die als markantes gestalterisches Element vielen seiner Möbel, seiner Interieurs und seiner Gebäude ihr charakteristisches Gepräge verleihen. Auch Breuers auffallendes Interesse an Texturen darf als Klammer von Design und Architektur gelten, wohingegen sich die fast schon kubistisch anmutende kristalline Formensprache, die viele seiner Beton-Bauten auszeichnet, erst in den 50er Jahren entwickelte. Seither aber darf sie als Markenzeichen für seinen persönlichen Umgang mit diesem in der Architektur des 20. Jahrhundert so zentralen Material gelten. Pressetext

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Marcel Breuer - Design und Architektur
Eine Ausstellung des Vitra Design Museums