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Margret Eicher und Adi Hoesle analysieren mit unterschiedlichen Methoden in ihrer jeweiligen Werkästhetik Bezüge zwischen Bildsprache und wahrnehmungspsychologischen Mustern des medialen Alltags. In dem gemeinsamen Projekt Kalibrierung, das ab dem 22. November 2017 in der Einblickshalle des Sprengel Museum Hannover präsentiert wird, geht es um die Erkundung und Konfrontation verschiedener Ebenen und Definitionen von Bildwirklichkeit.

Margret Eicher (geb. 1955) transformiert Motive und Bildsprache tagesaktueller Medien in großformatige Wandteppiche und zitiert damit jene in Adelsgesellschaften populären Bildträger der Macht. In ihren Sujets verdichtet die Künstlerin hierarchielos Stereotype aus Politik und Werbung, Zeitschriften, Comics und Film zu digitalen Collagen, sie mutieren zu medialen Bildkonvoluten und industriellen Produkten zeitgenössischer Herstellungsprozesse. In ihrer barocken Opulenz konterkarieren die Tapisserien die Massenproduktion von Bildern. Durch ihre zugespitzte Aneignung und Interpretation wird die Macht der Bilder in ihrer inflationären öffentlichen Präsenz thematisiert.

Adi Hoesle (geb. 1959) bezeichnet sich als „Retrogradist“, der in künstlerisch-aktionistischen Umgestaltungsprozessen fremde Kunstwerke auf ihren Wesensgehalt zurückführt. So auch in dem Projekt Kalibrierung, für das er Werke durch Computerprogramme – und eine speziell geschriebene Software – in ihre „objektivierte“ Form, ihren ästhetischen „Quellcode“ übersetzt. Die Ergebnisse dieses Prozesses lässt er digital als raumdefinierende Tapeten produzieren. Wesentlich sind dabei die „Hintergrundinformation“ des Bildes, sozusagen sein Konzentrat. Der binäre Code, in den die Werke umgerechnet werden, postuliert in seiner mathematischen Eindeutigkeit die Objektivierbarkeit des Bildes. Der geringste Eingriff (Fragilität) in den mathematischen Code erzeugt ein neues Bild. In einem „retrograden Prozess“ entsteht eine neue Bildform, die ein „Verborgenes“, das „An sich sein“ eines Bildes, sichtbar macht. Sichtbarer und nicht-sichtbarer Inhalt des Bildes werden gleichermaßen thematisiert. Würde man die digitalen Codes wieder in Farben umrechnen, entstünde erneut das Ursprungsbild (ein Verfahren, das u. a. auch in der Langzeitspeicherung spezifisch angewendet wird).

In ihrem gemeinsamen Ausstellungskonzept widmen sich Margret Eicher und Adi Hoesle somit dem Kondensat des Kondensats: bildnerische Transformationen, die das Bild als Erkenntnismedium in Frage stellen und dessen Grenzen thematisieren. Auf die Ausstellungssituation bezogen, bedeutet dies die Inszenierung eines „dekorativen“ Raumes: Die Tapisserien in ihrer monumentalen Erscheinung sind konfrontiert mit ihrem ebenfalls wandfüllenden, jedoch teils tapetenartig, teils als Fotografien applizierten Quellcodemuster. In ihrem gemeinsamen Projekt stellen sie Fragen nach Auswegen in einem sich schneller drehenden Karussell der Bildwirklichkeiten durch Massenmedien, bieten Modelle und wissen doch um deren Fragilität. Die Blickrichtung in ihrer Arbeit zielt dabei auf gesellschaftliche und systemische Relevanz in einem sich immer schneller drehenden Wirklichkeitskarussell.