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Bekanntheit erlangte Marianne Brandt (1893-1983) durch ihre am Bauhaus entstandenen Metallarbeiten, wie das Tee-Extraktkännchen, das heute als Ikone des modernen Designs gilt. Ihre Photomontagen hingegen sind erst durch einige wenige Beispiele publik geworden. Die Bandbreite dieser Arbeiten, die alle aus Abbildungen von Zeitungen und Illustrierten gefertigt sind, reicht von vielschichtigen Kompositionen bis zu verknappten Entwürfen. Inhaltlich gesehen bilden sie ein kritisches Gegengewicht zu Brandts gleichzeitig - von der Mitte der 1920er bis Anfang der 1930er Jahre – entstandenen Metallarbeiten.

Nachdem sich Marianne Brandt durch einen demonstrativen Akt der Zerstörung aller ihrer Ölgemälde von der traditionellen Kunst losgesagt hatte, wandte sie sich der Arbeit mit Metall in abstrakten und reinen Formen zu. Ergänzend hierzu erlaubte ihr das neue Medium der Montage, einen analytischen Blick auf Gesellschaft und Politik ihrer Zeit zu werfen und die im Ersten Weltkrieg so offensichtlich gewordenen, gefährlichen Seiten der modernen Technik zu thematisieren. Zudem hinterfragt sie in diesen Werken auch geschlechtsspezifische Konventionen durch die Darstellung eines neuen Bilds der Frau in der Gesellschaft. Tempo, Tempo! Bauhaus Photomontagen von Marianne Brandt ist die bislang erste Ausstellung, die ihr Werk im Medium der Photomontage vorstellt und einer Würdigung unterzieht.

Wenngleich durch Theorien und Methoden des Bauhauses beeinflußt - insbesondere jene László Moholy-Nagys -, entwickelte Brandt doch eine eigenständige Herangehensweise an die Montage. Der fragmentarische Charakter dieser Arbeiten forderte Frauen dazu auf, sich selbst nicht als reine Spiegelung der Konsumgesellschaft ihrer Zeit oder als Symbole eines kulturellen Umschwungs zu sehen, sondern als kritische und politisch verständige Akteure dieses Umbruchs. Marianne Brandts Photomontagen thematisieren auch die Dynamik des Großstadtlebens, die Faszination des Films sowie die Militarisierung der Technik und die als Folge des verlorenen Krieges sich wandelnde Darstellung von Männlichkeit.

In der Absicht, die Sinne über das Sehen hinaus anzusprechen, hinterfragen Marianne Brandts Photomontagen über verschiedene formale Annäherungen die Funktion des Bildes als Abbild und die potentiellen Bedeutungsebenen der Photographie als gestalterisches Material. Für viele Theoretiker des Bauhauses und der Moderne lag in einer solchen Herangehensweise der Schlüssel zur Erweiterung der künstlerischen Aussagekraft, die der dynamischen neuen Gesellschaft der 1920er Jahre entsprach.

Die Ausstellung Tempo, Tempo! Bauhaus Photomontagen von Marianne Brandt bietet dem Betrachter sowohl eine retrospektive Sicht auf die in der Weimarer Republik entstandenen Arbeiten der Künstlerin als auch Einblick in Ideenkonstellationen, die für eine Interpretation unentbehrlich sind. Sie stellt eine Erkundung in die historische und theoretische Bedeutung der hochdetaillierten, geschickt komponierten und visuell dynamisierten Photomontagen dar, die Marianne Brandt im Kontext des Bauhauses schuf.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (Berlin: Jovis Verlag, 176 Seiten, 65 Farb- und 55 Schwarzweißabbildungen)

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Tempo, Tempo!
Bauhaus Fotomontagen von Marianne Brandt