press release only in german

Eröffnung: Sonntag 26.4., 11 Uhr

Die Ausstellung „Marinus van Aalst: Werkzyklen 1991-2009“ versammelt sechs Werkgruppen des in Böblingen lebenden Künstlers, von denen drei erstmals öffentlich zu sehen sind. Geschichte und Geschichten sind bei Marinus van Aalst immer eng verknüpft. Die Exponate changieren zwischen wissenschaftlicher Dokumentation und individueller Mythologie. Egal ob sich Marinus van Aalst mit dem Luftschutzstollen im Böblinger Schlossberg, der Vergangenheit des Böblinger Flughafens, den Folgen der Klimazerstörung und des Bosnienkrieges, dem entfremdeten Verhältnis des Menschen zur Honigbiene oder dem globalen Phänomen des Hausstaubs beschäftigt: Die sich zur Rauminstallation erweiternden Ausstellungsstücke entfalten stets eine eigentümliche stille Poesie und mögen in einer Welt der Reizüberflutungen, der um Aufmerksamkeit heischenden schnellen, schnelllebigen Bilder anachronistisch erschienen. Gerade in der konsequenten Reduziertheit der visuellen Aufbereitung, Präsentation und Dokumentation entfalten die Arbeiten von Marinus van Aalst ihre Stärke. „Mich interessiert das Liegengelassene, das Unerkannte, das in seiner Armut eine Schönheit erlangt“, ist auf einem Notizzettel des Künstlers zu lesen, der Bestandteil der Installation „Paletten – Areal Flugfeld“ ist. Im sogenannten „Archiv A30“ (Marinus van Aalst wohnt in der Achalmstraße 30) lagern seine der Vergessenheit entrissenen und die Gesellschaft repräsentierenden, pedantisch durchnummerierten Fundstücke. Die Objekte sind oft Stellvertreter für Einzelschicksale. Seine Aschehäufen beherbergenden, blechernen „Tunnelstücke“ erinnern an die Zwangsarbeiter, die im Zweiten Weltkrieg am Ort der erstmaligen Präsentation, einer ehemaligen Stuttgarter Fabrikhalle, Kanonenrohre herstellten. 44 Schreibretter erinnern an die 44 Todesopfer, die beim Luftangriff am 7. August 1943 in Böblingen getötet wurden. Die gekalkten Aststücke der Installation „Wir können nicht mehr fliehen“ scheinen auf der Flucht vor der Klimakatastrophe erstarrt zu sein. Die auf dem ehemaligen Böblinger Flughafengelände sicher gestellten Objekte verraten individuelle Geschichten von Krieg und Frieden, von Lust und Leid, von Niedergeschlagenheit und Zuversicht. Als zentrale Arbeit wird im Oktogon der Städtischen Galerie Sindelfingen der neueste Werkzyklus von Marinus van Aalst, das „House Dust Project“ präsentiert. Dieses zeigt anhand von Hausstaub-Proben, die überall auf der Welt gesammelt und zusammen mit einem ausgefüllten Fragebogen und Fotografien an den Künstler zurückgeschickt wurden, die Verbundenheit, aber auch Unterschiedlichkeit von verschiedenen sozialen, religiösen und kulturellen Lebensräumen. Alle künstlerischen Arbeiten von Marinus van Aalst sind Prozesse. Die Präsentationen sind „Aktionsfelder für den Besucher“ (Marinus van Aalst), Erlebnisräume mit Tiefe und Kontemplation, kreativierende Appelle ans kollektive Gedächtnis, keine Anklagen, sondern vielschichtige Anregungen zum Denken und Diskutieren. „Ein Kunstwerk muss eine gewisse Undefiniertheit haben, damit jeder daran seine eigenen Geschichten, seine eigenen Erinnerungen festmachen kann“, ist auf einem Notizzettel des Künstlers zu lesen. Die Offenheit der Arbeiten lässt bei den Besuchern eine Vielzahl an Gefühlen und Assoziationen zu – abhängig von deren Erfahrungen und momentanen Stimmungen. Der Sinnlichkeit entziehen kann sich aber niemand.

only in german

Marinus van Aalst
Werkzyklen 1991-2009