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Als Mark Wallinger im vergangenen Jahr am Londoner Trafalgar Square seine Plastik Ecce Homo aufstellte, das Abbild eines leidenden und von Pontius Pilatus der Menge vorgeführten Christus, sorgte die Arbeit in der Tagespresse wie der Kunstwelt für Aufsehen: Die Figur stellte nicht nur den Platz mit seinen Denkmälern von See- und Kriegshelden als Zentrum britischen Nationalgefühls in Frage, sondern das der Religion entlehnte Thema schien wenig mit der Wallinger immer wieder zugeschriebenen "Englishness" zu tun zu haben. Tatsächlich markiert die Figur den Schnittpunkt einer Vielzahl von Konfliktlinien und entbehrt dabei trotz ihrer Schwere und Melancholie nicht der subversiven Ironie. Im Hauptraum der Secession wird Wallinger eine veränderte Fassung der Figur ausstellen und im Ver Sacrum Zimmer das Video Threshold to the Kingdom zeigen.

Wallinger hatte schon zuvor Arbeiten produziert, die in ähnliche Richtungen wiesen. Religiöse Themen waren dabei für ihn von Interesse, weil sie durch die Jahrhunderte mit Bedeutungen geradezu übersättigt wurden und die Brechung und Verfremdung solcher Interpretationen einen Schwerpunkt seiner künstlerischen Arbeit bildet. Für eine Videoarbeit hatte Wallinger am Fuss einer U-Bahn-Rolltreppe inmitten vorübereilender Passanten stehend als sein alter ego Blind Faith Verse aus dem Buch Exodus rezitiert. Aus Versatzstücken verschiedener Kontexte entstand so die Figur eines falschen Propheten, der am falschen Ort einem falschen Publikum aus dem falschen Buch vorlesend notwendig wirkungslos bleiben muss und erst im Kontext künstlerischer Arbeit eine allerdings andersartige Rezeption erfährt.

Die Bedeutung solcher Kontextwechsel ist auch bei der Installation des Ecce Homo in der Secession erkennbar. Wenn die Figur statt im öffentlichen im Kunstraum ausgestellt wird, ist einerseits die dokumentarische Referenz auf die Figur in London nicht zu übersehen; andererseits behalten die dort aufgeworfenen Fragen nach dem Verhältnis zwischen Macht und Ethik, zwischen Individuum und Gesellschaft und nicht zuletzt zwischen den Eingriffsmöglichkeiten und der Zeitgebundenheit von Kunst ihre Gültigkeit.

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Mark Wallinger
Ecce Homo