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Kooperation: ÖBV Atrium und Galerie Michaela Stock

Vernissage: Mittwoch, 20. Januar 2016, 18.00 Uhr Wo: ÖBV Atrium, Grillparzerstraße 14,1010 Wien

Eröffnung: Mag. Josef Trawöger Vorstandsvorsitzender der ÖBV
Laudatio: Dr. Diethard Leopold
Kuratorin: Jacqueline Chanton
Musik: Lizl Stein

Diethard Leopold : Zwischen Spiel und Durchdringung – eine Bemerkung zur Foto-Serie Schwimmer von Marko Zink

Die Serie „Schwimmer" von Marko Zink ist vordergründig ein leichtes Spiel, das an manchen Stellen plötzlich in abgrundtiefen Ernst umschlägt. Dort durchdringen sich polare Gegensätze, vereint sich Unvereinbares. Dort auch beginnen die Bilder wie das Wasser mit seinen unsichtbaren Innenbewegungen zu schwanken, die Sache wird ambivalent, und man weiß nicht, wird man auftauchen, weiterschwimmen oder untergehen.

Zuerst bezaubert also bunte Leichtigkeit. Die alltäglichen Gegenstände liegen oder stehen am Meeresgrund, driften im Wasser dahin. Sie finden dabei eine temporäre Form, die sich alsbald wieder verändert. Runde Steine haben sich Badehauben übergezogen, chinesische Morgenmäntel tanzen kokett, silberne Stöckelschuhe stehen witzig, weil ordentlich, da auf dem hellen Sandboden.

Hier deutet sich eine Abwesenheit an, beginnt die Sache ungemütlich zu werden. Denn fragt man sich nicht: Wer hat die Schuhe getragen? Wo ist die Person hin? Sind die Schuhe verloren gegangen oder ist es die Person, die vermisst sein wird? Oder man überlegt: Wer trug den Morgenmantel? Hat er sich absichtlich gelöst? Oder riss man ihn der Frau, die ihn trug, vom Leib, und nun driftet er unschuldig dahin, tanzt den unsichtbaren-Wellen-Tanz, während vielleicht woanders - ? etwas ganz anderes?

Trotzdem: die angenehmen Farben dominieren, die weichen Formen besänftigen die abschweifenden Gedanken. Fast macht sich Urlaubsfeeling breit und macht vergessen, wie viel Arbeit in solchen Inszenierungen steckt; wie viel Vorarbeit und Vorauswahl nötig sind, um die einzelnen Fotos so ausbalanciert, die fertige Serie schließlich so stimmig werden zu lassen.

Da kommt – nur ein Beispiel von mehreren! - ein japanischer Sonnenschirm ins Bild, von oben driftet er durch ein dunkler werdendes Blau. Noch haben wir die Bilder des Tsunami vom März 2011 vor Augen. Aber auch ohne diesen Kontext wird man fragen, was ein Sonnenschirm unter Wasser verloren hat. Er wird jedenfalls niemanden mehr behüten, niemanden mehr beschirmen können, wenn das, wovor er schützen könnte, rund um einen ist und alle Fugen und Zwischenräume ausfüllt. Eine Reminiszenz an ein Haiku von Basho drängt sich auf, in dem „die Augen der Fische voller Tränen" sind. Das ist ein schönes, trauriges Bild, das zugleich ganz unmöglich ist. Und auch dieser Schirm, der an eine Katastrophe erinnert, ist ein schönes, nachdenkliches Bild, erzeugt einen nostalgischen Augenblick, macht eine vergebliche Bewegung, wie er so sinnleer durchs Wasser driftet und wohl bald in der Dunkelheit des tiefer werdenden Blaus verschwunden, von ihr verschluckt sein wird. Tod und Leben, Schönheit und Schreckliches sind hier verwoben.

Ein Augenblick geradezu überirdischer Schönheit wird evoziert – auch dies nur ein Beispiel von mehreren -, wenn ein feiner, weißer Stoff durchs Wasser driftet und auf einmal –für eine nur ganz kurze Weile – die Form einer großen, prachtvollen Muschel annimmt. Hier ist die Zeitlichkeit der Formen, hier ist die Unbeständigkeit aller Existenz evident. Die Formen sind, das zeigt uns Marko Zink, im Werden – auch wenn die menschliche Wahrnehmung, um dies zu erfassen, immer entweder zu langsam oder zu schnell ist. Dass die Formen von Existierendem nichts Statisches sind, sondern im Fluss, im Fließen sich befinden - manchmal in einem sehr, sehr langsamen und lang dauernden, etwa in jenem, den man die Evolution der Arten nennt - hier wird das greifbar und fühlbar. Starre Form und fließende Vergänglichkeit, das Bestehen auf ein Ich und der unausweichliche Fluss der Zeit, der alles mitnimmt und verwandelt, sind hier sinnlich übereinander gelegt wie zwei durchscheinende Bilder, die zusammen ein einziges Thema ergeben: „Ohne Illusion keine Erleuchtung, ohne Erleuchtung keine Illusion."