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Nichts könnte Markus Döbeli ferner liegen, als eine Programmatik seiner Malerei zu reklamieren. Doch lässt der Zusammenhang der einzelnen Arbeiten eine grundlegende Ausrichtung des Werkes erkennen, von der Döbeli über Jahre nicht entscheidend abgewichen ist. Insofern fordert es die Anerkennung einer paradoxen Programmatik des Nicht-Programmatischen.

1. Döbelis Malerei, Acryl auf Leinwand, hat mit nichts zu tun als mit den Mitteln der Malerei selbst, ihren Formen, Farben und Materialien. Sie schließt scharfe Grenzen zwischen einzelnen Farbzonen aus, der Farbauftrag ist dünn und wässerig, in vielen Bildern löst sich das gravitationsbedingte Fließen der Farbe von der ausgreifenden malerischen Geste, Polychromie bedeutet keine Vielfarbigkeit, Monochromie keine Einfarbigkeit – derartige Bestimmungen gehören eher zum Modus eines Aquarells als einer Leinwandmalerei.

Ein Farbschleier überzieht einförmig oder durch Zonen differenziert das Bildfeld und löst die klaren Unterschiede auf, die es sonst erlauben, ein bildliches Phänomen reflexiv zu erfassen. Der Ausbreitung der Farbe bin ich ausgeliefert, sie lässt kein distanziertes Gegenüber zu, sondern bietet sich für dessen Versenkung an. Auf der anderen Seite aber werden die materiellen Gegebenheiten unterstrichen: die äußere Begrenzung des Bildkörpers z. B. dadurch, dass eine Malerei nach ihrer Fertigstellung abgespannt und auf einem etwas größeren Rahmen wieder aufgepannt wird, so dass nun der unfarbige Randstreifen in dieselbe Ebene wie das gemalte Bildfeld rückt und es als innerbildlicher Rahmen begrenzt. Oder in der Malerei fehlende Konturen werden eingeführt, indem Markus Döbeli eine Leinwand zerschneidet und mit sichtbaren Nähten wieder zusammenfügt. Die materielle Körperlichkeit reibt sich an der farbigen Erscheinung, ohne dass beide zusammen eine umfassende Einheit bilden. Dieser Widerspruch durchzieht das gesamte Werk und stört die reine Anschaulichkeit der abstrakten Malerei.

2. Einem Aquarell gleichend, besetzt die Malerei eine wandgroße Bildfläche. Paradox wird die oft mit dem Aquarell einhergehende Intimität und Nähe in der Dimension der Architektur entfaltet und damit zur Sache der Öffentlichkeit. Im Verhältnis zur aquarellierten Leinwand schwankt die Wahrnehmung zwischen der Versenkung des Einzelnen und der Übernahme des farbig besetzten Ausstellungsraumes durch die potentielle Vielzahl von Besuchern und Betrachtern.

Auch in dieser Hinsicht kommt es zu keiner Auflösung des widersprüchlichen Zusammenhangs: Die Malerei, die mit nichts zu tun hat als mit den Mitteln der Malerei selbst, greift in den Raum ein und wendet sich an dessen Benutzer.

3. Döbelis Arbeiten sind in einen Zusammenhang mit der Malerei von Barnett Newman und Blinky Palermo und der „nördlich romantischen Tradition“ gebracht worden. In diesem Kontext verschärfen sie ihre eigenen Widersprüche – Anschaulichkeit gegen Körperlichkeit, Intimität gegen Öffentlichkeit, Versenkung gegen Benutzung – bis hin zum Widerspruch der auf sich selbst bezogenen Malerei zu herrschenden Ansprüchen an die ablesbare Bedeutung von Kunst. So entfalten Döbelis Bilder eine seltene anachronistische Aktualität.

In der Schweiz, wo Markus Döbeli lebt, ist er ein beachteter und anerkannter Maler. Seine letzte grosse Einzelausstellung fand im Jahr 2010 im renommierten Kunstmuseum Winterthur statt. Die Galerie Czarnowska zeigte schon 2008 zwei große Arbeiten von Döbeli. Die jetzige Ausstellung umfasst acht teilweise sehr große Bilder aus verschiedenen Zeiten und belegt auf diese Weise die Diversität eines aussergewöhnlich stringenten Werkes.

Ulrich Loock

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Markus Döbeli
Begriffslose Wirklichkeit. Malerei