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Seit Ende der 1990er Jahre ist der menschliche Körper als Projektionsfläche des individuellen Seins und als kulturelles Konstrukt Mittelpunkt der Arbeiten von Markus Schinwald (*1973 Salzburg).

Zentrales Merkmal in Schinwalds Werk sind eindrückliche Formulierungen des menschlichen Körpers, die ihn als wenig vertrauenswürdige, form- und manipulierbare Hülle zeigen. Spielerisch verbindet sein Werk, das in der Bildenden Kunst wie auch der Tanz- und Performanceszene verortet ist, unterschiedlichste Medien – von magisch-mystischen Filmen und Fotografien zu prothetischen Modeentwürfen und überarbeiteten historischen Gemälden – in bühnenartigen Räumen zu komplexen Wirkungsgefügen. Diese strahlen eine eigentümliche Ambivalenz aus: einerseits ziehen sie den Betrachter durch die verführerisch schönen Oberflächen fast hypnotisch an, andererseits bleiben sie strukturell immer unauflösbar und rätselhaft fremd.

In der Ausstellung im Kunstverein Hannover entstehen ausgehend von seinem neusten Film »Orient« (2011) subtile Verbindungen zu anthropomorphen Skulpturen aus Chippendale-Tischbeinen, zu einer menschenähnlichen Marionette und überarbeiteten historischen Portraits sowie einer Installation aus Aquarien, die mit lebenden Fischen und architektonischen Modellen bestückt sind. Schinwald gliedert die Ausstellungsräume formal-ästhetisch in einen farblich reduzierten, minimalistischen Anfangs- und Schlussteil und einen mittleren Teil, dessen Wände und Boden dunkelrot gestaltet sind.

International bekannt wurde Schinwald durch die skulpturale Überarbeitung von modischen Konsumartikeln, die, ihrer ursprünglichen Funktionalität enthoben, als tragbare Prothesen unbehagliche Körperhaltungen erzwingen. Camouflageartig fügen sich dagegen die subtilen prothesenartigen Eingriffe und maskenartigen Ergänzungen in Porträts aus der Biedermeierzeit, die dem Original stilistisch so angeglichen sind, als wären sie schon immer vorhanden gewesen. Prothesenartige Apparaturen oder manipulierte Kleidungsstücke als Dispositive der Kontrolle, Disziplinierung und Selbstkorrektur fixieren auch die Protagonisten seiner Filme in bestimmten Haltungen oder forcieren ihre Bewegungsabläufe. Die artifiziellen Erweiterungen der Körper bestimmen maßgeblich die Handlung des Films, der keinem linearen Erzählstrang folgt, sondern die Protagonisten ohne erkennbares Bezugssystem – teilweise wie fremdgesteuert – in seltsamen Handlungen zeigt. Die präzise Dramaturgie erzeugt eine atmosphärische Schwebe, in der das reguläre Kräfteverhältnis zwischen Mensch und Ding, Humanitas und Artefakt außer Kraft gesetzt scheint, und zielt auf die produktive Verunsicherung des Betrachters.

Schinwalds Arbeiten gehen weit über die visuelle Wahrnehmung hinaus und fokussieren jenen Moment, in dem die rationale Verfügbarkeit über den Körper erlischt und wir letztendlich mit der Frage nach der eigenen Konstruiertheit konfrontiert werden.

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Markus Schinwald
Orient