press release only in german

Maurizio Cattelan setzt in diesem Jahr das Projekt Synagoge Stommeln mit einer neuen, ortspezifischen Installation fort, die er eigens für den außergewöhnlichen Kunst-Raum konzipiert hat. Die Ausstellung in der ehemaligen Synagoge in Pulheim-Stommeln im Nordwesten Kölns ist vom 1. Juni bis zum 10. August zu sehen.

Maurizio Cattelans Skulpturen und täuschend lebensecht wirkende Szenarien lassen viele Interpretationen zu und konfrontieren den Betrachter mit einer Vielfalt von Bedeutungen. Seine Werke oszillieren zwischen absurder Komik und existenzieller Tragik: Zwischen Lachen und Weinen scheint die Realität auf, wie unter dem Brennglas vergrößert. Der Künstler ist ein gleichermaßen virtuoser wie perfider Geschichtenerzähler. Er lässt den Betrachter mit der Hoffnung auf ein Happy End zurück, untrennbar damit verbunden ist jedoch das Gefühl von Furcht und die undeutliche Vorahnung kommenden Unheils. Dabei ist der Tod eines der am häufigsten wiederkehrenden Motive in Cattelans Werk. Er ist die dunkle Folie, vor der scheinbar Scherzhaftes, Komisches und Respektloses einen tiefen und bedrohlichen Ernst entfaltet - in Cattelans Werk wie in der Realität.

Für das Projekt Synagoge Stommeln hat der Künstler eine Arbeit in zwei Teilen entwickelt, die die räumlichen Grenzen des ursprünglichen Ausstellungsortes überschreitet und sich an der alten Kirche St. Martin zu einer komplexen Erzählung um das historische Verhältnis der Religionen, deren Grenzen und Möglichkeiten und die universellen Gefühle von Schuld und Hoffnung verdichtet. Ein Osterbrauch verbindet die beiden Orte einmal im Jahr miteinander: In einer Prozession, die ihren Ausgangspunkt in der Synagoge hat, ziehen die Gläubigen durch Stommeln, überqueren die Eisenbahngleise und entzünden das Osterfeuer an der alten Kirche St. Martin. In der Synagoge erwartet den Betrachter ein scheinbar friedliches Bild: Zarte, junge Pflanzen wachsen aus alten Schuhen empor, so wie sich unverhofft aus starken Wurzeln wieder neues Leben entwickelt.

Wie in einer auf den Hausgebrauch zugeschnittenen, verkleinerten Apokalypse kündet Maurizio Cattelans neue Arbeit von einer prekären Zukunft nach der Katastrophe, von einer surrealen Hoffnung auf Ordnung nach dem Chaos. Ex negativo erscheint die menschliche Präsenz abwesend und ist doch zu ahnen, in der dauerhaften Bewegung nomadischer Religiosität. In unmittelbarer Nähe zur Synagoge, an der alten Kirche St. Martin, findet sich als zweiter Teil von Cattelans Arbeit eine moderne Kreuzigungsszene. An der Außenwand des Gebäudes, rechts neben dem Turm taucht eine weibliche Gestalt auf als Gegenfigur zum historischen Christina-Denkmal auf der anderen Seite des Turmes. Die selige Christina von Stommeln war eine mittelalterliche Mystikerin, die von ihrer Dorfgemeinschaft unverstanden ausgestoßen und in späteren Jahren wegen ihrer Stigmata und Wunderheiligungen verehrt wurde und bis heute wird. Cattelans Werk umspielt häufig Vergangenheit und Zukunft, es deutet alte Geschichten um. Im Kontext tradierter Bilder öffnet es sich neuen Deutungen.

Seine neue Arbeit für Stommeln hat eine große Nähe zu der lokalen Legende, aber auch zu kunstgeschichtlichen Zitaten. Als Pasticcio changiert sie zwischen der Madonnendarstellung, dem Kruzifix und einem außergewöhnlichen Bildnis des Friedens und der Passion. Dabei verweigert Cattelans Skulptur den Blickkontakt. Dem Betrachter den Rücken kehrend und an eine Kiste gefesselt, ist sie ebenso Sinnbild der Opferung wie der Erlösung. Maurizio Cattelans Arbeit für die Synagoge Stommeln steht in der Tradition des 1991 begonnen Ausstellungsprojektes, in dem sich international bekannte Künstler auf sehr individuelle Weise mit den spezifischen räumlichen und inhaltlich-historischen Gegebenheiten des Ortes auseinandersetzen, darunter u.a. Jannis Kounellis, Richard Serra, Rosemarie Trockel und Santiago Sierra.

Maurizio Cattelan wurde 1960 in Padua geboren. Seit den 90er Jahren widmeten ihm zahlreiche renommierte Museen für Gegenwartskunst Einzelausstellungen, darunter das Museum of Modern Art in New York, das Centre Georges Pompidou in Paris, Museum Ludwig in Köln, die Fondazione Trussardi in Mailand, das Museum of Contemporary Art in Chicago, das Museum für Moderne Kunst und der Portikus in Frankfurt sowie das Kunsthaus Bregenz. Auf der Biennale von Venedig war Cattelan fünfmal vertreten, außerdem in vielen Gruppenausstellungen wie den skulptur projekten münster, der Manifesta und der Whitney Biennial.

Eröffnung 1. Juni 2008, 12 Uhr In der hinter der Synagoge gelegenen Scheune

Synagoge Stommeln Hauptstraße, hinter Haus Nr. 85, 50259 Pulheim-Stommeln Öffnungszeiten: Do - Sa 16-19 Uhr, So 13-19 Uhr

Alte Kirche St. Martinus Ingendorferstraße, 50259 Pulheim-Stommeln, ganztags

Synagoge Stommeln. Ein Projekt der Stadt Pulheim Mit freundlicher Unterstützung der katholischen Kirchengemeinde St. Martinus, Stommeln Gefördert durch die Kultur- und Umweltstiftung der Kreissparkasse Köln

only in german

Maurizio Cattelan
Projekt Synagoge Stommeln 2008, Köln