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Was tun, wenn man die Welt nicht mehr neu erfinden kann und es trotzdem so viel zu sagen und zu hinterfragen gibt? Die Lösung von Max Schaffer (*1985, lebt in Berlin, erhielt 2011 den Bremer Förderpreis für Bildende Kunst) liegt im Neu- und Uminterpretieren des Vorhandenen, im Verschieben und Verrücken, im Übersetzen und Übertragen und nicht zuletzt in einem beständigen Unterlaufen von Erwartungshaltungen, die er zunächst selbst geweckt hat.

So entwendete er etwa 2012 das alte Lüftungssystem der berühmten Wiener Secession, das nach seinem Ausbau als Müll im Hinterhof lag. Schaffer fügte diesen mit Jahrzehnten zeitgenössischer Kunstgeschichte gleichsam „getränkten“ Metallteilen aus dem pragmatischen Ausstellungsalltag seine eigene Handschrift hinzu, indem er sie wie ein Zitat minimalistischer Haltung im Ausstellungsraum seiner Wiener Galerie gleichsam präsentierte, feierte und ironisierte. Oder ein wiederkehrendes Motiv in Schaffers Werk: die Schriftarbeiten, mit denen er Texte über Kunst aus unterschiedlichen Kontexten seit Jahren in den Stadtraum hinausträgt. Im Zusammenhang einer Gruppenausstellung der GAK im Sommer 2015 dienten ihm die Presseordner als Grundlage, in denen das Haus die journalistischen Einschätzungen seiner Ausstellungen sammelt. Fragmente dieser Beurteilungen von Kunst „spritzte“ Schaffer mit transparenter Silikonmasse auf Wände und Mauern in der weiteren Umgebung der Institution und verhalf ihnen so zu einer poetischen Offenheit. Das eingesetzte Material verschmolz nahezu mit seiner Umgebung, verknüpfte als Abdichtungsmaterial von Fenstern den Bereich von Innen und Außen und war leicht wieder von seinem Untergrund zu entfernen: Zunächst also eine scheinbar zurückhaltende Geste, den öffentlichen Raum durch Text zu strukturieren. Doch dort, wo das Silikon von Passant/innen abgezogen wurde, offenbarte sich eine trotzige Nachdrücklichkeit – denn das Material konserviert den Schmutz der Oberfläche unter ihr, saugt ihn quasi auf, so dass die Textfragmente im Nachhinein nach wie vor zu lesen sind und sich buchstäblich in den Stein eingeschrieben haben. Anekdote: Seit 2007 schreibt Max Schaffer das offizielle „Goldene Buch“ der Stadt Bremen.

Das Vermerken der Details und Strukturen des öffentlichen Raumes sowie die Untersuchung institutioneller Gegebenheiten und die Gesetzmäßigkeiten ihrer Präsentation und Rezeption sind die Fixpunkte, um die sich Schaffers formal und gattungsspezifisch vielseitiges Werk anordnet. So auch in seinem eigens für die GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst entwickelten Projekt Power of Style: Hier wird er ein vielseitiges Gesamtbild präsentieren, das sich aus verschiedenen Handlungssträngen zusammensetzt, unterschiedliche Vorgehensweisen vor- und gegeneinander stellt und um das Verhältnis von Werk, Institution, Stadtraum, Rezeption und Interpretation kreist.

Die verschiedenen Versatzstücke von Power of Style stellen das Rezeptionsverhalten gegenüber Kunst und ihren institutionellen Zusammenhängen in den Mittelpunkt. Zuordnungen verschwimmen und Fragen stellen sich: Was ist Ausstellung, was institutioneller Unterbau? Was originäre Zeichnung oder schriftliche Äußerung, was ihre Interpretation oder wissenschaftliche Analyse? Was Kunstwerk, was Merchandising? Was künstlerische Audioarbeit, was touristische Führung? Was Ausstellungsraum, was Büro oder Stadtraum? Wo hört das eine auf, wo fängt das andere an? Durch seine konsequente Form der Verschmelzung und Verrückung stellt Schaffer die Frage nach der Erwartungshaltung, den Wahrnehmungsmechanismen und der Rolle der Betrachter/innen und spielt sie in Power of Style auf vielfältige Weise weiter.

Power of Style wird von einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm begleitet. Es erscheint ein Katalog.