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Eine kleinere Gruppenausstellung soll im Studio des Kunstvereins Werke versammeln, in denen Künstler ihre zum Teil sehr persönlichen Erfahrungen mit Essen reflektieren. In einem Video stellt der britische Künstler und Manifesta-Teilnehmer von 2008 Tim Etchells neue Eissorten nach künstlerischen Motiven her, die wesentlich für die zeitgenössische Kunst der letzten Jahrzehnte gewesen sind, wie Archiv, Erinnerung und Sensation. Heath Bunting kartographiert Orte in Städten, an denen frei verfügbares und somit kostenloses Essen gesammelt werden kann. Von der dänischen Künstlergruppe Superflex wird nach einem eigenen Rezept gebrautes Freibier angeboten. Gaël Peltier arbeitet mit seinem Körper, den er extremen Fress- und Hungerkuren unterwirft.

Anlässlich der Documenta 2007 bekochte der berühmte Ferran Adrià jeden Tag zwei Gäste der Ausstellung in seinem weltberühmten Restaurant nördlich von Barcelona. Es schien, als ob Kunst und Kochen gleichgestellt würden. In der kleinen Gruppenausstellung im Studio soll diesen Sommer aber eine gänzlich andere Perspektive gezeigt werden. In den präsentierten Werkgruppen wird nicht nach „kreativen“, einfallsreichen oder modischen Rezepten gesucht, sondern versucht, das sowohl sehr individuell wie allgemein gu?ltige Kulturphänomen „Essen“ zu umreißen.

Gaël Peltier setzte sich während eines sechsmonatigen Aufenthaltes in Amerika das Ziel, sein Körpergewicht um 36 Kilogramm zu erhöhen. Bloß täglich mehr zu essen reichte bei weitem nicht aus, um sein ehrgeiziges Projekt zu verwirklichen. In kurzen täglichen Videoblogs und Performances dokumentierte er die veränderten, verlangsamten Bewegungen seines Körpers, die erforderlich waren, um die zusätzlichen Kalorien nicht sofort zu verbrennen. In der Ausstellung sind Zeugnisse seiner körperlichen Verwandlung zu sehen.

Heath Bunting dagegen ernährte sich 2006 nicht vom Überfluss amerikanischer Supermarktregale, sondern lebte 12 Monate von freiem Essen , das er in der Stadt Bristol fand. Alle Apfelbäume, chinesischen Stachelbeeren und Ringeltauben sowie 1419 andere frei zugängliche Nahrungsmittel hat er zusammen mit Kayle Brandon in einer bis heute fortgeführten Karte eingetragen. In der Ausstellung können Sie Ihre eigene Kopie seiner Karte mitnehmen und bei Ihrem nächsten Besuch in Bristol die Angaben überprüfen.

Die Künstlergruppe Superflex beschäftigte sich auch mit den wirtschaftlichen Strukturen, welche die Distribution und den Konsum von Essen kontrollieren. Analog zu den Open-Source-Computerprogrammen, die von Programmierergemeinden im Internet seit Jahren als Alternativen zur proprietären Software von Apple und Microsoft kostenlos angeboten werden, hat das dänische Kollektiv das kostenfreie „Free Beer“ entwickelt. Die letzte Version des Rezeptes (aktuell die Version 4.0) ist im Internet frei zugänglich und kann mit wenig Aufwand von jedem gebraut werden. Im Zeitraum der Ausstellung werden wir kostenlos Bier der (Anti-)Marke „Free Beer“ ausschenken.

Das Speiseeis, um das es im Video von Tim Etchells geht, kann leider nur als Bild und Ton erfahren werden. 2008 entwickelte der Künstler mit einem italienischen Eismacher vier neue Eissorten, mit denen er gängige Begriffe der Kunsttheorie geschmacklich nachbildete. Aber wie schmecken denn „Archiv“, „Erinnerung“, „Spektakel“ oder „Körper“? Tim Etchells parodiert ein um sich selbst kreisendes kunsttheoretisches Universum, dem seine Stofflichkeit abhanden gekommen ist.

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Mein Essen

Künstler: Tim Etchells, Heath Bunting / Kayle Brandon, Superflex , Gael Peltier