press release only in german

Die Stadt als Leitmotiv in Kunst und Literatur ist immer wieder aktuell. Ein berühmtes Vorbild ist Charles Baudelaire, der in seiner dichterischen Prosa das (nächtliche) Treiben von Paris eindringlich beschrieben hat; in der Figur des „Flaneurs“, der als Entdecker und Beobachter zugleich durch die Stadt streift. In der Literatur des 20. Jahrhunderts der 20er Jahre wird der Typ des Flaneurs als eine Person beschrieben, die sich eher teilnahmslos neugierig durch die anonyme Menschenmenge der modernen Großstadt bewegt. Aber auch das Einzelschicksal ist ein grosses Thema, dem sich das Doppelgesicht der Großstadt zum einen als Moloch mit lasterhaften und nach Macht und Gier strebenden Individuen, zum anderen als Wirtschafts- Handels und Kulturzentrum und als komplexer sozialer Lebensraum offenbart, in dem es sich behaupten muß.

Durch die zunehmende Industrialisierung seit Ende des 19. Jahrhunderts, die eine ungeheure Faszination auf den modernen Menschen ausübte, wurde in der bildenden Kunst das Treiben der Metropole zum Hauptthema vieler Stilrichtungen innerhalb der europäischen Avantgarde. Die fortschreitende Technik bildete eine Quelle der Inspiration und löste eine nicht enden wollende Welle der Begeisterung aus, die sich im künstlerischen Schaffen nieder schlug. Kritische Stellungnahmen wie der berühmte Monumentalfilm „Metropolis“ von Fritz Lang bildeten eher die Ausnahme. In diesem Film wird in eindringlicher Bildsprache in einer Stadt der Zukunft das Produkt einer Zweiklassengesellschaft durch den hemmungslosen Kapitalismus beschrieben. Erst durch die politischen Umwälzungen, die sich in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts anbahnten und durch den Ausbruch des 2. Weltkrieges fand diese Periode des künstlerischen Schaffens ein jähes Ende.

Auch in der heutigen zeitgenössischen Kunst hat die Darstellung der Großstadt nicht an Aktualität verloren. Einzelpositionen greifen dieses Thema immer wieder auf, das in allen künstlerischen Gattungen zu finden ist; von politischen, sozialkritischen aber auch verklärenden Beschreibungen bis zu voyeuristisch distanzierten Wiedergaben und tagebuchartigen „Aufzeichnungen“, gerade in der Fotografie. Die Interpretation gesellschaftlicher Zustände stellt sich in der heutigen Kunst eher anhand von individuellen Positionen dar, die sich oft in zitathafter oder ausschnitthafter und rätselhaft anmutender Bildsprache äußert.

Wir zeigen in unserer Ausstellung sechs Positionen aus Malerei, Video und Fotografie, Soundinstallation und Bildhauerei. Ausschlaggebend für unsere Auswahl ist die Werkimmanenz. Es wurde also keine Arbeit speziell zum Thema dieser Ausstellung geschaffen. Demzufolge zeigen wir auch Kunstwerke älteren Datums.

John Beech (* 1964 Winchester England) lebt und arbeitet in Brooklyn, NY, USA. Sein Werk bewegt sich in den drei klassischen Gattungen Malerei – Skulptur – Zeichnung doch in einer Weise, welche die traditionellen Grenzen permanent verwischt oder übertritt. In seinem bildhauerischem und fotografisch-zeichnerischem Werk beschreibt er unter anderem Alltägliches aus dem Stadtraum, wie Fahrbahnschwellen, Kistenroller, Türstopper und Müllcontainer. Einen zentralen Stellenwert nehmen seine „Dumpster Drawings“ ein, das sind mit Emailfarbe bemalte Fotoarbeiten. Wir zeigen eine grossformatige Arbeit aus diesem Werk-Zyklus.

Der in Berlin ansässige Norwegier Jan Christensen (*1977 Kopenhagen) bedient sich multimedialer Praktiken. Er sammelt Ideen und verwertet künstlerischen Output wieder, wobei sein Oeuvre sich wie ein fortlaufendes experimentelles Projekt zum Wesen der Kunst verhält. Seine Arbeiten reichen von großformatigen Installationen und Wandgemälden über Malerei auf Leinwand, Klanginstallationen, Fotografie, Video, Lichtobjekte und Skulpturen. Behutsam spürt der Künstler aktuelle Strömungen auf, sei es in der Kunst oder Kultur, Wirtschaft oder Gesellschaft und übersetzt sie in außergewöhnliche Kompositionen aus kontextbezogenen Materialien: gefundene Objekte für Installationen, Grafik und Fotografien für Illustrationen, Design und Malerei.

In der Ausstellung gibt es Fotoarbeiten aus der Serie „Camera Studies“ zu sehen.. Dazu zeigen wir die Arbeit "What could possibly be missing from an artwork with complex references, conceptual considerations and universal poetic impact? (#1)", die einen verdichteten Staubball bzw. ein Wollhäschen (engl. dust bunnies; nor.: hybelkanin) beschreibt.

Der Maler Sid Gastl (*1955 Nürnberg) lebt und arbeit in Berlin. In einer Umkehrung der romantischen Naturauffassung, wo die Seele in der Erhabenheit der Natur ihren Ausdruck suchte, findet in Gastl’s Wald- oder Landschafts-Bildern ein unnahbares, an die „pittura metafisica“ erinnerndes Verführungsspiel statt. Die gespenstische Einsamkeit und Leere dieser Landschaften, in die Reste einer Zivilisation in Form menschlicher Behausungen und technischer Apparaturen eingearbeitet sind, versetzen den Betrachter in eine magisch anmutende Szenerie. Sid Gastl zeigt neue Arbeiten mittel- und kleinformatiger Bilder, in denen er die Natur, Gebäudefragmente und Häuser in fremdartig anmutendem Umfeld so darstellt, als wollten sie in stiller Übereinkunft suggerieren, daß sie Teil eines übergeordneten Zusammenhangs sind.

Der Kanadier Terence Gower lebt und arbeitet in New York, USA. Seine Arbeit wurde in international wichtigen Museen gezeigt wie im PS1 Contemporary Art Center, New York, ICA Boston, UCLA Hammer Museum, Los Angeles, Hirshhorn Museum, Washington, in der Colección Jumex, Mexico City, im Power Plant, Toronto, in Latein Amerika stellte er auf der XIII Bienal de la Habana, Cuba aus, auf der XI Mostra da Gravura, Curitiba, Brazil und im Centro Recoleta, Buenos Aires. In Deutschland wurden seine Arbeiten im Kunsthistorischen Institut, Bonn und in der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig gezeigt. Gower untersucht Strategien und Repräsentation von Architektur. Die modernistische Architektur von Mexico City nimmt eine Schlüsselstellung ein, die er multimedial thematisiert. Wir zeigen neben der Fotoarbeit „Ciudad Moderna (Pani)“, einer Komposition von Stills als Vertikalansicht eines Apartmenthauses des Architekten Mario Pani, den Video-Film Ciudad Moderna, einer Collage aus dem populären Spielfilm Despedida de Casada (1966). Mit den Bildern aus dem Film beschwört Gower eine Welt des modernen Sophismus herauf. Der Zuschauer wird mit der Fassade der moderni-stischen Stadt bekannt gemacht, einem Modernismus der Upper Class; das ist die Welt der Luxushotels, der privaten Apartmentanlagen und eleganten Villen.

Andy Graydon (*1971 Maui, Hawaii) ist Künstler und Filmemacher und lebt in Berlin. In seinen Arbeiten beschäftigt er sich mit dem Verhältnis zwischen elektronischen Medien und der Umwelt. Im vergangenen Jahr erhielt er eine Rhizome Commission für die Sound Installation Untitled (Plate Tectonics), die bei PROGRAM in Berlin und Marian Spore in New York (beide 2009) ausgestellt wurde. Eine Compilation von Film- und Sound-Arbeiten wurde 2009 vom mAtter Label in Tokio herausgegeben. 2008 nahm er in New York an der Inaugurationsausstellung Unmonumental des New Museum teil und präsentierte die Installation Untitled (Ground) bei LMAKprojects. Seine Soloausstellung Room Works war 2007 im Portland Art Center in Oregon zu sehen. Seine jüngste Arbeit Erased wurde dieses Jahr bei Tape Modern in Berlin ausgestellt. Graydon ist im August und September diesen Jahres Gast beim Künstlerstipendium des nkd Norwegian Art Center in Norwegen. In der Ausstellung wird eine Klanginstallation zu hören sein.

Albert Weis (*1969 Passau) ebenfalls in Berlin ansässig, erhielt für seine künstlerische Arbeit bereits zahlreiche Stipendien und Preise, u.a das Stipendium der Villa Aurora, Los Angeles, Arbeitsstipendium der Stiftung Kunstfonds, Bonn, Stipendium in der Cité Internationale des Arts, Paris, von der Kulturverwaltung des Berliner Senats, den Bayerischen Staatsförderpreis für Bildende Kunst. Das bildhauerische, fotografische und zeichnerische Werk von Weis sind das Ergebnis sorgfältiger Recherche über das Alltägliche und den urbanen Raum. In seinen skulpturalen Arbeiten setzt sich der Künstler mit der spezifischen Formensprache von Gebäuden der 1950er und 1960er Jahre auseinander.

Albert Weis zeigt aktuell mehrere neue Skulpturen, die aus Aluminiumprofilen zu kristallinen Strukturen gefaltet sind, und deren Maße sich am „Modulor“ von Le Corbusier orientieren – ein Proportionssystem, das dem gesamten Schaffen Le Corbusier’s zugrunde liegt und das insgesamt prägend für die Architektur der Moderne wurde.

Besonderer Gast dieser Ausstellung ist die Engländerin Catherine Bertola (*1976 Rugby, GB), die in Newcastle upon Tyne lebt und arbeitet. Unseen by all but me alone heißt die Arbeit; eine Rekonstruktion von Spinnweben aus feinen Goldfäden gewirkt und kaum sichtbar in einer Fensternische zu finden - sind eine Anspielung auf das Vergessen und die Vergänglichkeit.

only in german

Metropolis
Künstler: John Beech, Jan Christensen, Sid Gastl, Terence Gower, Andy Graydon, Albert Weis
besonder Gast: Catherine Bertola