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Micha Ullman (* 1939 Tel Aviv) ist international bekannt durch seine Arbeiten im öffentlichen Raum, darunter Projekte in Tel Aviv und Jerusalem, die Dritte Wache auf der Biennale Venedig 1980, die Arbeit Grund auf der documenta 8 in Kassel 1987 oder die Bibliothek, das aktuell bedrohte Mahnmal zur Bücherverbrennung auf dem August-Bebel-Platz in Berlin 1995.

In Ullmans Installationen geht es um Themen der Erinnerung, um den Dreiklang von Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft und um Metaphern erdgebundenen Seins. Zu seinen immer wiederkehrenden Motiven gehört dasjenige der Grube, dem eine Vielfalt von Bedeutungen zugeeignet werden kann: Verwundung der Erde, Fundort von Vergangenem, Geburtsstätte von etwas Neuem. Ullman selber fügt den vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten seiner Gruben den Satz hinzu: Gräbt man ein Loch, erweitert man den Himmel.

In der Wiesbadener Ausstellung belegt Micha Ullman die Oktogone, Oberlichtsäle und die Rotunde der Kunstsammlung mit den Materialien Schiefer, Marmor und Anröchter Dolomit. Auf diese Weise kreiert er einen zweiten Boden. Glas- oder sandgefüllte Aussparungen - Gruben - an ganz bestimmten Stellen dieses zweiten Bodens laden den Besucher dazu ein, gemeinsam mit dem Künstler darauf zu hören, was der ansonsten leere Raum erzählt: Die Geschichte von Sonnenaufgang und Sonnenuntergang zum Beispiel, also vom Licht, das sich morgens und abends in unterschiedlicher Färbung an besonderen Punkten des Raumes fängt. Oder die Geschichte von den Begegnungen, die in diesen Räumen stattfinden, zwischen Menschen, die sich kennen oder die sich fremd sind, zwischen Besuchern und Wärtern, zwischen Künstlern und Betrachtern. Vielleicht auch die Geschichte vom Raum selbst, der einmal nicht auf die Kunst, sondern nur auf sich selber aufmerksam machen will, indem er nichts anderes zeigt, als das, was schon ist: Proportionen, Öffnungen für den Einfall des Lichts, Türen zum Öffnen und Schließen, Deckenreliefs oder ein steinernes Mosaik. Auf den ersten Blick wirken die Aussparungen zufällig, man könnte sie auch als eine abstrakte Geometrie lesen. Erst bei genauerem Hinsehen erschließt sich der Verweis auf die Eigenschaften und die Merkmale des Raumes: In den Oktogonen ist es der Lauf der Gestirne, den man verfolgen kann. In den Oberlichtsälen entfaltet sich ein Positiv-Negativ-Spiel mit den Fenstern und Türen, die, einer Kreisgeometrie folgend, auf den Boden geklappt scheinen. Den Himmel suche ich unten, nicht oben, kommentiert Micha Ullmann diese Vorgehensweise. In der Rotunde schließlich, einem elliptischen Raum mit Reliefmasken auf umlaufenden Deckengesimsen und einem Tiermosaik in der Mitte des Terrazzobodens geben die auf dem Boden verteilten Aussparungen des Marmor-Schieferbodens Hinweise auf eine geheimnisvolle Mahlzeit.

Ergänzend zu diesen in-Situ-Installationen zeigt Micha Ullman Zeichnungen, auf denen er mit Graphit, Tempera, Acryl und rotem Wüstensand seine Installationsprojekte begleitet.

In dem Katalogbuch Micha Ullman, welches anlässlich der Wiesbadener Ausstellung erscheint, werden 32 Arbeiten im öffentlichen Raum aus den vergangenen 30 Jahren erstmals ausführlich in Bild und Text dokumentiert. Ein ausführlicher Artikel von Volker Rattemeyer stellt die Arbeiten in den Zusammenhang ihrer Entstehung und ihres philosophischen Hintergrunds. Das Katalogbuch umfasst 192 Seiten 77 Farbabbildungen und 74 s/w Abbildungen. ISBN 3-89258-053-7 (Softcover) und 3-89258-054-5 (Hardcover). Eine Dokumentation der Wiesbadener Bodenarbeiten erscheint Anfang September. ISBN 3-89258-55-3.

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Bodenarbeiten und Sandzeichnungen von Micha Ullman