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Eröffnung: 31.01.2008, 19 Uhr

Pressetext:

Unsettled Conditions Unter dem Titel „Unsettled Conditions“ wird ab Februar 2008 im Kunstraum Niederösterreich eine Installation gezeigt, die einen Einblick in die jüngsten Projekte von Michael Höpfner erlaubt. Seit 1995 erschließt sich der in Krems geborene Künstler fremde Landschaften und Kulturen, indem er sie zu Fuß durchwandert und seine visuellen Eindrücke mittels s/w-Fotografie festhält. Höpfners Expeditionen der letzten zwei Jahre führten ihn nach Zentral- und Westtibet, nach Lhasa (Hauptstadt der Autonomen Provinz Tibet), auf die Halbinsel Kertsch in der Ostukraine und die Halbinsel Sinai in Ägypten. Dabei interessiert ihn besonders der Bruch zwischen den Vorstellungen und „Sehnsuchtsbildern“ der westlichen Gesellschaft von östlichen Ländern und Kulturen und deren tatsächlichen Lebenswelten; von jenen Menschen, „die innerhalb der letzten Jahre von staatlichen Verwaltungsapparaten oder globalen Veränderungen „befriedet und sesshaft“ gemacht wurden“ (Höpfner, 2007). Symbolischen Ausdruck findet dieser Bruch im Nomadenzelt, welches nur mehr auf den ersten Blick der westlichen Vorstellung von wilder Romantik gerecht wird und schließlich sogar gegen würfelartige Betonhäuschen ausgetauscht wird.

Sehnsuchtsbilder und Geisterstädte Nüchternheit und Kühle strahlen Höpfners s/w-Fotografien aus und können gleichsam als Gegenstücke zu den romantischen Sehnsuchtsbildern des Westens gesehen werden. Neben der s/w-Technik setzt Höpfner aber auch ein weiteres Mittel ein, um dem Sehnsuchtsklischee zu entkommen: Er reist zu Fuß, ist „unsettled“ unterwegs und begegnet den fremden Kulturen auf einem völlig anderen Niveau als beispielsweise die Tourismusindustrie. Damit erzeugt der Künstler eine entscheidende Perspektivenänderung. Durch das förmliche „er-gehen“ der Landschaft verändert und verlangsamt sich die Wahrnehmung von Raum und Zeit, der Fokus verschiebt sich auf das Naheliegende, das Detail. Gleichzeitig wird der Blick auf jenen Bereich begrenzt, der sich unmittelbar vor den Füßen des Wanderers befindet. Charakteristisch in Höpfners Fotografien ist folglich eine unsichtbare oder sehr hoch angesetzte Horizontlinie, wodurch die Landschaft flächig aufgeklappt wirkt. Zumeist sind diese Landschaften gespenstisch und menschenleer, höchstens unscheinbare Spuren im Schnee verweisen auf menschliche Bewohner. In der Installation im Kunstraum Niederösterreich werden den menschenleeren Landschaften eine Serie von chinesischen Touristen vor dem Potala-Palast in Lhasa gegenübergestellt. Höpfner hat die Chinesinnen und Chinesen auf dem militärischen Aufmarschplatz vor der ehemaligen Residenz des Dalai Lama posieren lassen, ähnlich wie es in der anthropologischen Fotografie des 19. Jahrhunderts üblich war.

Subtext: Wandlerische Erinnerungen Höpfner übersetzt seine Beobachtungen und Erfahrungen während seiner Reisen in eine Konstellation von s/w-Fotografien, von der Decke hängenden Zeltkonstruktionen, Diaprojektionen und selbst gezeichneten Karten in Moleskine-Reisebüchern, wobei die einzelnen Darstellungsformen inhaltlich und formal immer wieder aufeinander bezogen sind. So finden die s/w-Fotografien eine Übersetzung und Erweiterung ins Dreidimensionale durch die an schwarzen Wollfäden von der Decke hängenden Folienzelte; die grafischen Elemente der Zeltkonstruktion – weiße Flächen (Folien) und schwarze Linien (Fäden) – erinnern an die filigranen Karten aus den Moleskine-Büchern. Diese mentalen Karten und persönlichen Notizen sind während der Reisen entstanden und ergänzen als subjektive Reisedokumente die politischen Aussagen der eher kühlen Fotografien. Der Eindruck von Flüchtigkeit und Unsicherheit der in der Decke anstatt in der Erde verankerten Zeltfolie nimmt zum einen Bezug auf den Titel „Unsettled Conditions“ und steht zum anderen im Kontrast zur Strenge der Fotografien und der starren Architektur der Ausstellungsraumes. Die Dia-Projektion schließlich kann als Analogie zur zeitintensiven Durchwanderung der Landschaft verstanden werden. Die unmittelbare Erfahrung des Gehens, des wandlerischen Begreifens und Erfahrens mit dem Körper kann in der Installation im Kunstraum Niederösterreich gleichsam als Subtext nachgelesen werden. Der Besucher wird aufgefordert, sich auf Spurensuche zu begeben und seine eigenen Sehnsuchtsbilder zu hinterfragen.

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Michael Höpfner
Unsettled Conditions