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Eröffnung 24.07.2007, 18-20 Uhr Künstlergespräch 25.07.2007, 15 Uhr

Im Rahmen der Reihe Forum für Zeitgenössische Fotografie zeigt das Fotomuseum im Münchner Stadtmuseum vom 25. Juli bis 30. September 2007 eine Auswahl fotografischer Arbeiten von Michael Janiszewski. Der 1957 in West-Berlin geborene Künstler thematisiert seit den 1990er Jahren den Körper als Ort kultureller Disziplinierung. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit inszeniert er in einer Art persönlicher Aktionskunst Figuren und Requisiten im privaten Raum. Auf den ersten Blick wirken seine mit einer Kleinbildkamera aufgenommenen Bilder amateurhaft – in ihrer Anti-ästhetik karikieren sie jedoch auf vielschichtige Weise den allzu normalen Wahnsinn einer spießbürgerlichen Gesellschaft. Deren Normen und Ideale werden innerhalb der verschrobenen Inszenierungen nicht nur thematisiert, sondern in schriller Komik regelrecht untergraben.

Ausgangspunkt der Arbeiten Janiszewskis ist der Körper des Fotomodells (entweder ein menschlicher Akteur oder eine künstliche Puppe), den er kostümiert, arrangiert und in Beziehung zum umgebenen Raum setzt. Die Gebärden des Körpers muten dabei absurd und grotesk an. Erstarrt in teils neurotisch oder manisch wirkenden Handlungen bis hin zu allumfassender Passivität, signalisieren die Situationen ein verzweifeltes, beklemmendes und kümmerliches Dasein. Janiszewski arbeitet hierbei bewusst mit den Mitteln der Imitation und der Künstlichkeit. Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick erscheint – was echt ist, wirkt imitiert, was künstlich ist, wirkt überzeugend echt. Seine Hauptfigur der biederen Hausfrau mit Ringelsocken ist dabei der personifizierte Inbegriff des Doppeldeutigen: ein Mann in Frauenkleidern, d.h. eine Person, die nicht ist, was sie darstellt und die darstellt, was sie nicht ist.

Die verstörende Kraft und Unheimlichkeit der Inszenierungen wird subtil umspielt durch kompositorische Griffe des Künstlers, zum Beispiel die Wiederkehr bestimmter Formen. So findet die Gestalt zweier an die Wand gelehnter Friedhofsvasen nicht nur ihre verkürzte Fortsetzung in den Stöckelschuhen des daneben stehenden Modells, sondern, gleichsam auf den Kopf gestellt, auch ein

Pendant in dessen Kleid. Diese Komposition kreiert produktive Differenzen, also ein Setting, das den Sinngehalt einzelner Elemente und Symbole grundsätzlich zur Disposition stellt. Das vielfältige Changieren innerhalb der Choreographie, das Nebeneinander und Vermischen von symbolträchtigen Formen und Requisiten sowie das offensichtliche Spiel mit zugeschriebenen Geschlechterrollen eröffnen ein Spannungsfeld zwischen ernsthafter Tragweite und Momenten befreiender Komik.

Michael Janiszewskis Inszenierungen sind nicht zuletzt als persönliche Bilder der Existenz des Künstlers im gesellschaftlichen Raum zu lesen. Mit den figuralen Posen des Krümmens und Verrenkens nutzt er die kommunikative Fähigkeit und Qualität des Körpers seiner Akteure, um seinem gesellschaftlichen Verweigern Ausdruck zu verleihen. In der antiästhetischen fotografischen Präsentation der körperlichen Ungestalt und Deformation formuliert er auf einer sehr persönlichen und zugleich ironisch-tragischen Ebene einen deutlichen Protest gegen kollektive Normen und gesellschaftliche Ideale.

Ulrike Westphal Stipendiatin des Programms Museumskuratoren für Fotografie der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stfitung

Die Ausstellung wird 2008 auch in der Landesgalerie Linz (Österreich) zu sehen sein. Begleitend erscheint ein gemeinsamer Katalog mit Texten von Christine Frisinghelli (Camera Austria, Graz), Martin Hochleitner (Landesgalerie Linz), Ulrich Pohlmann (Leiter des Fotomuseums) und Rebekka Reuter.

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FORUM 09:
Michael Janiszewski
Heimsuchungen
Ausstellung im Fotomuseum im Münchner Stadtmuseum