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08. Okt 2021 – 23. Jan 2022

Michaela Eichwald

Das Bild zur Ankündigung einer vergangenen Galerieausstellung von Michaela Eichwald zeigt ein noch nicht aufgespanntes Gemälde schräg und prekär vom Balkon hängen. Von der Strasse sichtbar steht darauf gemalt: «Bitte abholen und wegbringen». Diese Bitte ist wohl eher ein verzweifelter Appell und weniger eine höfliche Aufforderung, das ausrangierte Objekt (vielleicht auch die Künstlerin selbst) abzuholen. Allerdings spricht dieser kleine Einblick in das Werk der deutschen Künstlerin Bände über ihre kompromisslose Auseinandersetzung mit der vermeintlich edelsten Gattung der Kunstgeschichte: der Malerei.

Wie lange hing ihr Gemälde wohl dort? Waren Wind und Wetter an seiner Entstehung be- teiligt? Schliesslich weiss man von Eichwald, dass sie auf ihre Gemälde getreten ist, sie beklebt, mit Flecken und Verschmierung ar- beitet oder sie anderweitig malträtiert, bevor sie aufgespannt und an der Wand zur Schau gestellt werden. Aber es ist nicht so, dass Eichwald den Bildern gegenüber gleich-gültig ist. Im Gegenteil, sie sind ihr ein besonders wichtiges Anliegen und sie nennt die Fragestellungen der Malerei «unendlich schön und unerschöpflich». Das ist wahr-scheinlich genau der Grund, warum sie es wagt, die Probleme der Gattung derart kühn und erbarmungslos anzugehen und traditionelle Vorstellungen davon, was als «gute Form» gilt, zu kritisieren; alles, um der Malerei weiterhin Bedeutsamkeit zu geben.

Tatsächlich hat Eichwald keine klassische Malereiausbildung und studierte von den späten 1980er bis in die frühen 2000er-Jahre Philosophie, Geschichte, Kunst- geschichte und Germanistik in Köln. Zu einer Zeit als die Stadt als Zentrum der europäi-schen Kunstwelt galt, speiste sich ihre künst-lerische «Ausbildung» stattdessen aus den dortigen informellen Begegnungen mit unwesentlich älteren Zeitgenoss*innen wie Michael Krebber, Cosima von Bonin, Jutta Koether und Diedrich Diederichsen, sowie aus der Lektüre von Zeitschriften wie Spex und Texte zur Kunst. Eichwald schrieb Texte und Gedichte und traf mit dreissig den Entschluss, Künstlerin zu werden. Was aller- dings «überhaupt nicht funktionierte», wie sie erklärt. Kaum etwas von dem, was sie machte, wurde als verkäuflich erachtet und ein Atelier war ein unerschwinglicher Luxus, den sich kaum jemand in ihrem Umfeld leisten konnte. In der Stadt herrschte eine «produktive/nicht-produktive Attitüde», wie ihr Künstlerkollege Josef Strau es be-schrieb und nach ihren eigenen Angaben dauerte es noch weitere fünfzehn Jahre, bis es zum ersten Verkauf eines grösseren Kunstwerks kam.

In den 1990er-Jahren experimentierte Eichwald mit Videos, um dann Fotografien, Arbeiten auf Papier sowie Skulpturen zu schaffen. Letztere sind eigenwillige, in Kunst-harz gegossen Formen, angefüllt mit sorg- sam ausgesuchten Alltagsgegenständen wie Hühnerknochen, Radiergummis, Halloween-Süssigkeiten und kleinen Zeichnungen, die in ätherischen Epoxidharz-Blasen erstarrt scheinen. Es ist jedoch ihre Malerei, die am meisten Aufmerksamkeit bekommt und im Zentrum dieser Präsentation neuer Arbeiten in ihrer ersten institutionellen Ein-zelausstellung in der Schweiz steht. Von Anfang an ist die Wahl von unkonventionel-lem Bildträgermaterial und «Farben» cha- rakteristisch für ihre Arbeitsweise. Auf ihren Materiallisten befindet sich nicht nur das übliche Arsenal aus Acryl- oder Ölfarben, son- dern eben auch Lack, Schellacktusche, Sprüh- farbe, Kunstblut, Graphitstift, Holzbeize, Metallic-Filzstift oder Aufkleber. Diese haften an bzw. verdicken sich auf den Oberflächen aus bedrucktem Kunststoffgewebe oder bun-tem Kunstleder – gelegentlich versehen mit der pockigen Oberfläche von falschem Straus-senleder oder mit glitzernden Perforierungen.