press release only in german

Minia Biabiany
J’ai tué le papillon dans mon oreille
Ich habe den Schmetterling in meinem Ohr getötet

19.06.–08.08.2021

Pressegespräch
Fr, 18.06.2021, 10 Uhr

Öffnung der Ausstellung
Fr, 18.06.2021, 18–22 Uhr

Materialien, Klänge, Videos und Bilder arrangiert Minia Biabiany (1988, Guadeloupe) zu räumlichen Erzählungen. Diese handeln von konfliktreichen und gewaltvollen Geschichten, die sich in die Landschaften der Inselgruppe Guadeloupe und in die Körper ihrer Bewohnerinnen eingeschrieben haben. Sie berichten von fortwirkenden ökologischen und politischen Folgen der Plantagenwirtschaft und Sklaverei während der französischen Kolonialherrschaft sowie von der anhaltenden Kontamination des Ökosystems durch den Einsatz des Pestizids Chlordecone zwischen 1972 und 1993.

Biabianys Praxis zeichnet sich durch eine besondere Aufmerksamkeit für die Beschaffenheit, Verwendung und Bedeutung von Materialien aus. Die auf dem Boden aus Erde aufgehäuften Linien verweisen in ihren sich daraus ergebenden Mustern auf eine traditionelle Webtechnik, die in der Karibik zur Herstellung von Fischreusen genutzt wurde. Biabiany verwebt und verflicht in der westlichen Geschichtsschreibung vergessene Erzählungen ihres Heimatlandes, das sich heute als eines der Übersee-Departements Frankreichs in neokolonialen Abhängigkeitsverhältnissen wiederfindet.

Der Bewegung und intuitiven Erkundung im Raum sowie der sinnlich-leiblichen Raumerfahrung misst Biabiany eine entscheidende Bedeutung bei, um die sich dort überlagernden und durchmischenden Erzählungen in Relation setzen zu können. Sie unternimmt den Versuch, die Dichotomien von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘, ‚Subjekt‘ und Objekt‘ aufzuheben und mehr-als-menschlichen Entitäten Gehör zu verschaffen. So können Verbindungen und Abhängigkeiten innerhalb eines Territoriums sichtbar gemacht werden: Muscheln treten als Kommunikationsmedien auf; herabhängende Ketten aus geformtem farbigem Wachs sowie verbrannte Holzstücke werden dem Wind als Votivgaben dargereicht, da diesem heilende und widerstandsleistende Kräfte zugesprochen werden; verbrannte bootskörperähnliche Weidekörbe verweisen in ihrer fragilen Beschaffenheit auf Ephemeralität und Schutzlosigkeit – auf jene Zustände, die sich in einer Vielheit von Sprachen, Stimmen und Bildern im Ausstellungsraum aufspüren lassen. In ihrer Auseinandersetzung mit Materialität, Seins- und Wirkweisen mehr-als-menschlicher Lebewesen führt Biabiany vor Augen, wie die Ausbeutung ökologischer Ressourcen untrennbar mit dem Fortbestehen kolonialer Machtstrukturen verbunden ist.

Ich habe den Schmetterling in meinem Ohr getötet im Kunstverein Freiburg ist Biabianys erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland und eine Weiterentwicklung der 2020 in Le MAGASIN des horizons in Grenoble gezeigten Schau.

Minia Biabiany (*1988, GP) lebt und arbeitet in Saint-Claude, GP und Mexiko- Stadt, MX.

Einzelausstellungen (Auswahl):
Musa Nuit, La Verrière, Brüssel, BE, 2020; Jài tué le papillon dans mon oreille, Magasin des horizons, Grenoble, FR, 2020; Spelling, SIGNAL art center, Malmö, SE, 2016; The unity is submarine, Galerie G, La Garde, FR, 2015;  (sex)intaxis, Cràter invertido, Mexiko-Stadt, MX, 2015; Envolvernos en la lluvia, Cntemporary Art Museum TEOR/éTica, San Jose, CR, 2014.

Gruppenausstellungen (Auswahl): einen Monat nachdem man auf dieser Insel bekannt war, Kulturstiftung Basel H. Geiger, Basel, CH, 2020; Paroles de lieux, Les Tanneries, Amilly, FR, 2020; Echo-Natures: Cannibal Desire, Tout-Monde Festival, LHCC, Miami, US, 2019; Le jour des esprits est notre nuit, CRAC Alsace, Altkirch, FR, 2019; Diaspora Art From the Creole City, Corcoran School of the Arts and Design, Washington DC, US, 2019; We don’t need another Hero, 10. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst, Berlin, DE, 2018; The share of opulence; doubled; fractional; Galerie Sophie Tappeiner, Wien, AT, 2018; In the Belly of the Whale, Witte de With, Rotterdam, NL, 2016.

Programm

Sa, 19.06., 15 Uhr
Künstleringespräch mit Minia Biabiany

Di, 13.07., 19 Uhr
Freiburg und die deutsche Kolonialgeschichte
Vortrag und Gespräch mit Dr. Heiko Wegmann
von freiburg-postkolonial.de

Do, 22.07., 19 Uhr
Kuratorenführung mit Heinrich Dietz

Do, 05.08., 19 Uhr
Öffentliche Führung mit Theresa Rößler