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Eine ganze Reihe von Künstlerinnen und Künstlern hat in der Idee des Modells wieder eine Möglichkeit entdeckt, die Brüche einer Realität zu inszenieren, die in ihrem Originalmaßstab kaum mehr fassbar erscheint. Im Spannungsfeld zwischen bildender Kunst, Medienwelt und Alltag rücken – durchaus mit bildhauerischer Fragestellung – vor allem narrative und inszenatorische Elemente des Erprobens und Durchspielens ins Zentrum der Auseinandersetzung: die Miniaturisierung als Experimentierfeld, Bezähmung oder Bühne des Lebens.

Die Städtische Galerie Nordhorn präsentiert nun erstmals nach längerer Zeit wieder eine thematische Ausstellung zum Gedanken des Modells. Zu sehen sind neun ganz unterschiedliche Ansätze einer Beschäftigung mit der Welt im verkleinerten Maßstab: vom reduzierten Architekturmodell über Materialcollagen und suggestive Arrangements bis hin zum Video. Fantasierte Räume, skurrile Konstruktionen und erzählerische Szenarien verführen zu erstaunlichen Perspektivwechseln innerhalb einer Ausstellungsarchitektur, die sich mit beziehungsreichen Sichtachsen und Konfrontationen selbst zwischen Funktionsraum, Inszenierung und Modell bewegt.

In einer Welt, die zwischen Doku-Soap und Simulation, zwischen »Big Brother« und »eingebetteter« Kriegsberichterstattung die »Wirklichkeit« und gelebte Realität zum höchsten medialen Gut erhebt, wagt die Kunst eine radikale Infragestellung: Kommt nicht vielleicht die individuelle Vorstellungskraft der Wirklichkeit viel näher als die scheinbar objektive Dokumentation? Können Zeichnungen, rohe skulpturale Konstrukte und kleinteilig versponnene Modellwelten unsere gesellschaftliche Situation nicht viel genauer reflektieren als der fotografierte, gefilmte und simulierte Alltag?

Solchen Fragen geht Jürgen Albrecht (geb. 1954 in Hamburg) mit einem vertrackten Videofeedback in einem seiner Lichtraummodelle nach, in das die Besucher auf verblüffende Weise direkt hineinprojiziert werden. Stephan Mörsch (geb. 1974 in Aachen) erkundet seine Modelle von Strandgebäuden und Bunkern sowohl mit kleinen Überwachungskameras als auch mit dem Zeichenstift. Katharina Jahnke (geb. 1968 in Berlin) wiederum inszeniert mit ebenso roh gezimmerten wie suggestiv arrangierten kleinen Hütten beklemmende Angsträume, und auch in den verrätselten und nur leicht im Maßstab reduzierten Innenräumen von Alexandra Ranner (geb. 1967 in Osterhofen) herrscht eine geheimnisvolle und eher bedrohlich Stimmung. Mariele Neudecker (geb. 1965 in Düsseldorf) seziert in den so genannten Tank-Arbeiten Zitate romantischer Landschaftsauffassung mit wahrnehmungstheoretischem Interesse und produziert zugleich faszinierende Illusionsräume. Die architektonischen Zitate von Isa Melsheimer (geb. 1968 in Neuss) dagegen entspringen vor allem der Welt der Massenmedien und erinnern vielfach an die virtuellen Welten von Computerspielen. Nandor Angstenberger (geb. 1970 in Novi Sad) wiederum stellt aus liebevoll ausgewählten Kleinstteilen unseres Wohlstandsmülls fantastische Städte und hoch komplexe Lebensräume zusammen. Die stimmungsvollen »Nacht-Orte« von Oliver Boberg (geb. 1965 in Herten) schließlich sind filmisch inszenierte Abwesenheiten voller unerzählter Kino-Geschichten. Und Peter Sauerer (geb. 1958 in München) zerlegt seine zuvor sorgfältig geschnitzten Modelle von repräsentativen und geschichtsträchtigen Gebäuden oder Schiffen in kleinste Einzelteile, um sie dann auf Schnüre aufgezogen wieder zu äußerst fragilen Collagen zusammenzusetzen.

Es erscheint ein ausführlicher Katalog zum Ausstellungsende.

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Modellräume – Bühnen, Spielfelder, Versuchsanordnungen
Kurator: Roland Nachtigäller

mit Jürgen Albrecht, Nandor Angstenberger, Oliver Boberg, Katharina Jahnke, Isa Melsheimer, Stephan Mörsch, Mariele Neudecker, Alexandra Ranner, Peter Sauerer