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Seit ihrem Studium der Malerei beschäftig sich die in Bonn geborene Künstlerin mit Interdependenzen von Kunst, Politik und Gesellschaft. Im Zentrum ihres Interesses stehen Untersuchungen wie Vorstellungen und Bilder zustande kommen, die einem bestimmten medial und persönlich geprägten Fundus entspringen. Maja Linkes Arbeiten entstehen im Spannungsfeld von privater und abstrakter Eingebundenheit in gesellschaftliche Wandlungsprozesse. Dabei hinterfragt die Künstlerin stereotype Aufteilungen in weiblich-private und männlich-abstrakte Moralvorstellungen sowie deren Auswirkungen. Die Herstellung von Stereotypen, die die Rolle von Leitfiguren einnehmen, ist Anlass für subjektive Herangehensweisen zu ihrer Recherche. Ihr derzeitiger künstlerischer Schwerpunkt liegt im Grenzbereich von Einzelbild und Serie. Formal und als Metapher ist Maja Linke fasziniert vom Fortlaufen eines Gemäldes über mehrere Ebenen, das eine Serie wird und gleichzeitig ein geschlossenes Bild ergibt. Texte spielen dabei immer wieder eine große Rolle in ihrer künstlerischen Auseinandersetzung.

Der subtile Einfluss und die unterschwellige Erziehung durch stereotype Darstellungen stehen im Mittelpunkt des 2007 entstanden Projektes „Monotypen“, das während ihres Aufenthaltes am Goethe-Institut in Ankara entstanden ist, und nun in der Stadtturmgalerie in einer erweiterten Form zu sehen ist. Ausgangspunkt dafür waren Maja Linkes eigene Erfahrungen im Umgang mit Lehrmaterialien für Deutsch als Fremdsprache. Sie selbst hat in einem Fernlehrgang die Befähigung erlangt, Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten. Insbesondere das subtile Heranführen der Lernenden im Unterricht an bestimmte Vorstellungen anhand vorbildhafter Stereotypen/Prototypen und konventionalisierten begrifflichen Handlungsweisen ist ihr in diesen Lehrbüchern aufgefallen. Für das Projekt „Monotypen“ hat sie einen Monat lang die verschiedenen Lehrbücher für Deutsch als Fremdsprache (DaF-Lehrwerke) untersucht, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für die seit 2005 bestehenden Integrationskurse zugelassen sind. Die Rechtssprechung für Integrationskurse in Österreich und Deutschland ist recht ähnlich – ein großer Teil der MigrantInnen wird nicht nur eingeladen, sondern auch gezwungen an diesen Integrationskursen teilzunehmen – in Deutschland sind dies 600 Stunden Sprachkurs, 30 Stunden Orientierungskurs, in Österreich müssen „nur“ 300 Stunden absolviert werden. Die Lehrmaterialien, die für Deutschkurse genutzt werden, sind in Österreich und Deutschland dieselben. Allerdings gibt es in Österreich (im Gegensatz zu Deutschland) keinen Lehrmittelzwang, doch sind nach Angaben des österreichischen Integrationsfonds die hauptsächlich verwendeten Lehrwerke in Österreich so gut wie deckungsgleich mit der Pflichtliste in Deutschland. Während des Projektes untersuchte sie die subtilen Inszenierungen der beiden Länder. Wie Maja Linke meint, geriet das Bild, das durch Übungen, Texte, Zeichnungen und Fotos vermittelt wird, bei näherer Betrachtung der Bücher immer mehr ins Absurde. Thematische Schwerpunkte sind etwa Konsum, Geschenke und Urlaub, obwohl viele der Lernenden weder über ausreichend Bargeld verfügen noch die Möglichkeit haben in die Ferien zu fahren. Die Künstlerin hat in ihrer kritischen Betrachtungsweise der Darstellung der Gesellschaft besonders auf die beinahe zur Gänze fehlenden Minderheiten hingewiesen. Weder Senioren, Behinderte, Homosexuelle noch Arbeitslose und auch keine Gläubigen kommen in den Lehrwerken vor. Auch Themen wie Geschichte, Politik, Religion werden entweder komplett weggelassen, vernachlässigt oder tendenziös vermittelt: So gibt es in einem Lehrwerk eine CDU-Wahlkampfrede ohne gegenteilige Darstellung der anderen Parteien. Auch das Frauen- und Männerbild erscheint sehr altertümlich, bis auf eine für beide Geschlechter geltende Arbeitsethik. Für Maja Linke entsprechen diese Inszenierungen einer Gesellschaft mehr einer Wunschvorstellung als einem realistischen Bild. Und die Frage, ob diese seltsam anmutende Realität einer Gesellschaft mit hoher Arbeitsmoral und Konsumdenken, die als Vorbild vermittelt wird, auch Teil eines politischen Zieles ist, kann wohl gestellt werden.

Die Ausstellung in der Stadtturmgalerie ist eine installative Arbeit, die in ihrer Form das Problem des begrenzten Raumes und des erschwerten/verweigerten Zutritts unter bestimmten Bedingungen aufnimmt. Die Wandzeichnungen, Zeichnungen und Beschnitzungen und die mit ihnen korrespondierende Audio-Collage aus Originaltexten der Lehr-CDs und Interviews mit Lernenden/Lehrenden geben einen Einblick in die Inszenierung einer glorreichen Zukunft im Zielland. Die Arbeiten sind 2007 und 2008 entstanden, einige auch speziell für diese Ausstellung. Die Herstellung von Stereotypen, die die Rolle von Leitfiguren einnehmen, war Anlass für die subjektive Herangehensweise zu ihrer Recherche. VertreterInnen dieser Stereotypen werden in Szenarien eingebunden, und mit Text Zitaten aus DaF-Lehrwerken ergänzt. Dabei spielt ihre eigene Person eine ganz zentrale Rolle: nach Fotos angefertigte Selbstportraits werden zu Stellvertretern dieser Prototypen. Bei der Wandzeichnung im gewölbten Raum ist das Selbstportrait viermal zu sehen und mit Zeichnungen ihres Vaters und Bruders ergibt sich eine Art stereotypes Bild einer Familie. Diese Vorführung einer bestimmten Vorstellung wird durch das Text-Zitat „Ihr werdet eine glückliche Zukunft haben“ noch verstärkt. An der gegenüberliegenden Wand werden in beschnitzten MDF-Tafeln einzelne Episoden aus den Lehrwerken mit Bild und Text aufbereitet. Selbstporträts der Künstlerin, stehen stellvertretend für die stereotype Frau aus Deutschland, die in den Unterrichtsbüchern den Namen Elke Widder trägt. Mit Originalzitaten wie etwa „Hätte mein Mann doch nur mehr Zeit für mich“, oder „Elke Widder hat einen Freund gefunden, der ihre Figur mag“ ergänzt. Eine Serie von sieben kleinen Tafeln verbildlicht den in den Lehrwerken immer gleichen Wochenablauf: Montag: aufräumen, Dienstag: bezahlen,

Die Künstlerin spielt auch an der Wand mit Text-Zitaten, die durchaus absurd anmuten: „Ferien ohne Kalorien, das sind meine Fantasien“. Die Auswahl der Themen, wie etwa in diesem Fall Diät, erscheint in Hinblick auf die Zielgruppe der Lernenden fast schon ironisch. Mit den vier gerahmten Zeichnungen im lang gezogenen Raum nimmt Maja Linke darauf Bezug, dass in den Lehrwerken zwar viele Bilder aber nur wenige Fotos zu sehen sind. In dem Unterrichtsbuch „Themen neu – Zertifikatsband“ sind nur vier Fotos abgebildet, deren Auswahl der Künstlerin zweifelhaft erscheint, die aber durch ihre Realitätsnähe besonderen Einfluss nehmen. Mit der Frottage-Technik verfremdet sie die bekannten Motive BMW, Naomi Campbell, Harry Potter und Arnold Schwarzenegger, und wirft damit auch die Frage nach der Verwendung gerade dieser Bilder für die Lehrwerke der DaF auf. In dem aus 72 beschnitzen MDF-Tafeln, die mit Plastilin und Schellack behandelt wurden, bestehendem Bild, schlüpft die Künstlerin einmal mehr in die Rolle eines Prototyps. Sie nimmt Männer- und Frauenrollen ein, mit denen ein idealer Tagesablauf, wie er in den Lehrbüchern beschrieben wird, künstlerisch aufgearbeitet wird. In der korrespondierenden Wandzeichnung wird ein weiteres Mal der stereotype Wochenablauf ins Bild gesetzt. Teil des Projektes „Monotypen“ ist die Audio-Collage aus Originaltexten der Lehr-CDs und Interviews mit Lernenden/Lehrenden, die während ihres Aufenthaltes am Goethe-Institut in Ankara entstanden sind. Cornelia Reinisch

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Monotypen, Maja Linke