press release only in german

"If you put some life, like a sample of mud from the shore, into a glass jar and close it tightly, will it turn into green slime? If you put some chemical substances into laboratory glassware, like water, methane, ammonia and hydrogen, and fire electrical sparks into it, will you find out more about the creation of life?" Roni Layerson, The Ninth Biospherian

Seit einem Jahr arbeitet der Künstler Ralo Mayer für die Zeitschrift multiplex fiction an einer Übersetzung des historischen Science Fiction Romans "The Ninth Biospherian". Der Text handelt von Biosphere 2, einem gigantischen, hermetisch abgeschlossenen Glashaus, in dem von 1991-1993 acht Menschen lebten. Mit seinen sechs Ökosystemen ist der Kristallpalast in der Wüste Arizonas ein Modell der Erde, in dem autarke Lebenserhaltungssysteme für zukünftige Weltraumkolonien erforscht wurden. Die Ausstellung versteht sich als erste Präsentation einer ausschweifenden Recherche- und Übersetzungstätigkeit, zusammengefasst unter der so simplen wie komplexen Frage "Was ist Leben?". Ausgehend von früheren Arbeiten zu Modellwelten und Zeitmaschinen begreift Ralo Mayer Biosphere 2 als Scharnier zwischen den gesellschaftlichen Aufbrüchen der 1960er/70er Jahre und den globalen Veränderungen, die seit den 1990ern die Welt und unser Leben in ihr nachhaltig verändern. In Analogie zum Konzept der Biosphäre, die mehr ist als die Summe ihrer einzelnen Elemente wie Tiere und Pflanzen, werden im Kunstpavillon unterschiedlichste Fragmente einer künstlerischen Forschung präsentiert: eine Liste von Alltagserfahrungen, wissenschaftlich-okkulten Versuchsanordnungen und Micro-Stories der Biosphere 2. Auf Einladung von multiplex fiction präsentieren auch sechs weitere KünstlerInnen ihre Überlegungen zu Aspekten von Leben, und zwar auf Tontafeln, dem ältesten überlieferten Träger von Schöpfungs- und Arche-Noah-Mythen.

„ÜBER DIR EINE POLYRHYTHMISCHE KONSTRUKTION AUS STAHL UND GLAS, die ihren mehrdimensionalen Schatten auf das Leben hier wirft.“, Zitat aus The Ninth Biospherian / Kapitel 8. Der erste Teil dieses Zitats wurde in den Rasen vor dem Kunstpavillon gebrannt. BesucherInnen der Ausstellung werden später erfahren, dass es sich hierbei nicht (nur) um die Deckenkonstruktion der Oberlichtgalerie sondern um die höherdimensionale Architektur der Biosphere 2 handelt.

Betreten sie den Ausstellungsraum fällt ihr Blick zuerst auf die zentral platzierte Glaskugel, ein Vorschlag für ein Monument im Weltall. Sie enthält ein geschlossenes Ökosystem aus Wasser, Algen, Garnelen und Mikroorganismen. In die Kugel ist folgender Text graviert: "Vorschlag für ein Monument auf Lagrange 5, dem verlorenen Weltraumzeitalter gewidmet. Die sogenannten Lagrange-Punkte sind spezifische Positionen in der Nachbarschaft zweier kreisender Massen im Weltall, wo eine dritte, kleinere Masse in fixer Entfernung von den größeren Objekten kreisen kann. In den 1970er Jahren wurde der stabile L 5 Punkt des Erd-Mond-Systems als ideale Position für eine Raumkolonie angesehen. Das Monument besteht aus einer Glaskugel, die ein biologisches Gleichgewicht von Meerwasser, Luft, Mikroorganismen, Algen, winzigen Garnelen [Halocaridina rubra] und zusätzlichen Materialien wie Kies und toten Fächerkorallen enthält. Durch den fortwährenden Einsatz von Sonnenlicht könnte das geschlossene System bis ans Ende aller Tage (d. h. des Sonnensystems in der heutigen Form) überleben. Allerdings wird die Glaskugel von einem Mikro-Meteoriten getroffen. Binnen Sekundenbruchteilen verdunstet etwas Wasser entlang des Vektors des Meteoriten in das Vakuum des Raums und kühlt den verbleibenden Inhalt unter null Grad Celsius ab. Das Glas und sein gefrorenes Ökosystem, eine ewige Skulptur von .“

What is life. Eine Sonderausgabe von multiplex fiction mit Beiträgen von Oliver Gemballa, Ursula Hansbauer and Wolfgang Konrad, Christian Töpfner, Christina Linortner u. a. Die Themen der als Tontafeln gestalteten Beiträge spiegeln ein gewisses ExpertInnenwissen und Alltagserfahrungen der Autorinnen wieder. Tontafeln stehen am Beginn der schriftlichen Überlieferungen: Mythen der Entwicklung von Leben, der Arche, aber auch und v. a. ökonomische Listen und Inventuren. Abertausende Archive und Bibliotheken verbrannten, und mit ihnen die meisten ihrer Dokumente; Tontafeln wurden dadurch erst dauerhaft haltbar. Die auf Papier gedruckten Magazine sind zur freien Entnahme.

Die Videoinstallation Invocation of the Dead Plants to Come Back to Life. „A desperate scientific experiment: references and works cited performed.“ (Anrufung der toten Pflanzen um ins Leben zurückzukommen. „Ein verzweifeltes wissenschaftliches Experiment: Performance der Referenzen und zitierten Arbeiten.“) ist zwischen wissenschaftlichem Experiment und okkulter Anrufung angesiedelt. Die Wissenschaftlerin/Performerin, die auf vier Monitoren wie in einem endlosen Gesang Quellen und Bezugssysteme einer ausufernden Recherche auflistet, scheint die abgestorbenen Pflanzen beschwören zu wollen.

An Intro is a Footnote. Wie eine Einführung, eine große Fußnote oder eine Klammer funktioniert das 23 Minuten dauernde Video in der Koje rechts. Es handelt sich um ein aufgegebenes Filmprojekt über die Biosphere 2 und den Ninth Biospherian. Auch wenn der Autor des unveröffentlichten Buchs diesen Ausdruck nie erwähnt, so können wir seine Arbeitsweise doch mit einem Verfahren vergleichen, dass in den letzten Jahren in der Bildenden Kunst beschrieben wurde: der performativen Recherche. Je nach spezifischer Definition bezeichnet das Verfahren der performativen Untersuchung eine prozessorientierte künstlerische Wissensproduktion, in der die Beteiligten bewusst theatrale Mittel wie Script, Rollen und Requisiten einsetzen, um den Horizont ihres eigenen gefestigten Wissens zu überschreiten. Ralo Mayer über die Übersetzungsarbeit: „Ich kann mit großer Sicherheit sagen, dass die mir vorliegende Manuskriptfassung nicht diejenige ist, von der sich Layerson dachte, und sei es auch nur einen kurzen Moment lang, es könnte jene sein, die er so stehen lässt, die ihn ruhen lässt. Ich werde diese Unklarheit des Originals miteinbeziehen. Ich feiere sie. Denn das Übersetzen eines solchen Textes ist keine Frage von Wörtern, es ist eine Frage des Lebens.“

only in german

„Ein Blick durch Millionen Tropfen, die sich durch Kondensation an der Innenseite des Glashauses sammeln; Erinnerungen an vergangene Zukünfte; die Liste möglicher Bibliografien zu "Biosphere 2: Projections of N-Dimensional Architecture", S. 152 ff; Inventur der Anagramme von
WHAT IS LIFE, z.B. I FELT A WISH.“
Multiplex Fiction
Ort: Kunstpavillon

Künstler: Ralo Mayer - Multiplex Fiction