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Erste umfassende Werkschau des Künstlers in Österreich

Ludwig Hevesi, der große österreichisch-ungarische Kunstfeuilletonist der Gründerzeit, zählt Mihály Munkácsy neben Hans Makart und Jan Matejko zu den „Drei M“, den großen Malerfürsten des 19. Jahrhunderts. Das Künstlerhaus zeigt von 31. März bis 3. Juni 2012 zum ersten Mal in Österreich einen repräsentativen Überblick über das reichhaltige Oeuvre Munkácsys: über 60 Werke auf Leinwand und Papier – Portraits, Stilleben, Landschaften, Salon-, Genre- und Historienbilder – sowie Dokumente und Fotos zeugen von der Vielseitigkeit des Malers, seines Künstlerlebens und den stilistischen Tendenzen der Zeit (u.a. Impressionismus, Realismus, Schule von Barbizon bis hin zu symbolistischen Ansätzen). Ein Höhepunkt der Ausstellung ist die Präsentation von Munkácsys „Christus-Trilogie“, eine der bedeutendsten Monumentaltrilogien des 19. Jahrhunderts, die erstmals in ihrer Gesamtheit in Wien zu sehen sein wird. Die Ausstellung steht somit in der Tradition der Großausstellungen des Künstlerhauses, wie z.B. „Traum und Wirklichkeit“ 1985 oder die Makart-Ausstellung 2011.

50.000 vor Pilatus

Im Jahre 1882 wurde ein Gemälde christlichen Inhalts und monumentalen Ausmaßes (417 x 636 cm) im Wiener Künstlerhaus einem staunenden Publikum vorgestellt. Das Thema „Christus vor Pilatus“ des ungarischen Malers Mihály Munkácsy lockte innerhalb von 45 Tagen über 50.000 zahlende BesucherInnen an, um die dramatisch ins Bild gesetzte Szene in der Jesus Christus seinem Ankläger Pilatus vorgeführt wird, zu sehen. In opulenten Farben, mit wild gestikulierenden Personengruppen in prächtigen exotisch-orientalischen Kostümen wurde hier ein Schauspiel geboten, das an Üppigkeit dem Dekor einer Operninszenierung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in nichts nachstand und auch an die durch Hans Makart inszenierten Künstlerfeste und den Festzug anlässlich der Silbernen Hochzeit des österreichischen Kaiserpaares 1879 denken lässt.

Vom Tischlerlehrling zum Malerstar – ein europäisches Künstlerleben im 19. Jahrhundert

Munkácsy, geboren 1844 als Michael Lieb in Munkács (ehemals Ungarn, heute ein Teil der Ukraine) war mit seinem künstlerischen Werdegang prädestiniert Werke großen Zuschnitts und großer Wirkung zu schaffen – hatte er doch in allen bedeutenden Zentren damaliger Kunst und während seines Studiums richtungweisende Impulse durch bedeutende zeitgenössische Maler erfahren. Seine Jugendjahre waren jedoch von wechselnden Verhältnissen und ständiger finanzieller Unsicherheit geprägt. Mit acht Jahren zum Waisen geworden, wurde er von einem Onkel mütterlicherseits aufgenommen, der seine Erziehung übernahm. Bereits mit elf Jahren wurde er zu einem Tischler in die Lehre geschickt, es folgen harte und entbehrungsreiche Jahre, der Lohn reicht kaum zum Überleben, er erkrankt und kehrt 16jährig zu seinem Onkel zurück. Während seiner Genesung beginnt er zu zeichnen, sein Talent wird erkannt und er darf eine künstlerische Ausbildung beginnen, zuerst in Pest, wo er Unterstützung durch Antal Ligeti, den Leiter der Bildergalerie des Nationalmuseums erhält. 1865 kann Munkácsy mit dessen Hilfe an der Wiener Akademie der bildenden Künste inskribieren, sein Professor ist Karl Rahl. Doch eine Erhöhung der Studiengebühren zwingt ihn bereits nach einem Jahr die Akademie zu verlassen. 1866 kann er, wieder mit der Unterstützung Ligetis, sein Studium in München fortsetzen.

1867 erhält er ein Stipendium, das es ihm ermöglicht zur Weltausstellung nach Paris zu fahren. Dort lernt er die Werke der Maler Jean-Francois Millet und Gustave Courbet kennen, die starken Einfluss auf ihn ausüben. 1868 geht er, auf Ratschlag des befreundeten Malers Wilhelm Leibl nach Düsseldorf, um an der dortigen Akademie bei Ludwig Knaus zu studieren – eine Zeit, die das Rüstzeug gab in akademischer Ausbildung, monumentaler Aufbereitung der Themen und stimmungsvoller sentimentaler und realistischer Sicht große Werke zu schaffen. Seine Übersiedlung nach Paris 1872, seine Bekanntschaft mit dem nach heutigem Maßstab in Europa und Amerika global agierenden Galeristen Charles Sedelmeyer, sowie seine Beziehung und nachfolgende Ehe 1874 mit der vermögenden Baronin de Marches ermöglichten ihm den Aufstieg zu einem international bekannten Künstler. Neben seinen Landschaftsbildern, inspiriert durch die Schule von Barbizon, Salon- und Genrebildern und gefühlvollen Portraits wurde er durch Charles Sedelmeyer, der als Kunsthändler ein untrügliches Gespür für die gesellschaftlichen Trends seiner Zeit besaß, angeregt, historische Motive in größerem Format zu malen.

Auf dem Weg zum Weltruf - die „Christus-Trilogie“

Entsprechend der reformativ eingestellten christlichen und künstlerischen Diskussion in Frankreich und ihren Ausdrucksformen in Musik, bildender Kunst (Henner, Moreau, Courbet) und Literatur entwickelte Munkácsy seine Idee einer monumentalen Trilogie. Der Künstler setzt damit seine Erfolgsserie – seine Werke wurden inzwischen in Paris, London, Budapest und Amerika präsentiert und waren bei Sammlern begehrt – fort und beginnt 1880 mit den Skizzen zu „Christus vor Pilatus“, dem ersten Großformat der Trilogie. Tragische private Ereignisse – der Tod seines neugeborenen Kindes sowie ein Brand im Atelier des Künstlers – verhindern eine rechtzeitige Fertigstellung des Bildes, um es 1881 auf dem Pariser Salon zu präsentieren. Sedelmayer organisiert kurzfristig eine Ausstellung in seinem eigenen Palais. Das Bild wird zum Sensationserfolg. Zwischen 1882 und 1885 wird „Christus vor Pilatus“ mit großem Erfolg in den bedeutendsten europäischen Metropolen ausgestellt. 1881 beginnt Munkácsy an „Golgatha“ zu arbeiten. Erwähnenswert ist hier, dass bei der Entstehung neben Skizzen auch Fotografien zur Erstellung der Komposition herangezogen wurden. Auch dieses Gemälde fand, wie das letzte Bild der Trilogie „Ecce Homo“ in der Öffentlichkeit großen Anklang. Ein Teil des Erfolges der erstmaligen Präsentation(en) lässt sich wohl einerseits durch die Größe, durch die eindringliche lebendige Gestaltung und Inszenierung der Figuren, wie auch durch die Identifikationsmöglichkeit mit dem oder den Dargestellten im soziokulturellen Umfeld erklären. Munkácsy stellte das Leiden Christi in neuen Zusammenhängen und in moderner Sicht dar: als kämpfenden, leidenden Menschen, der für die Gerechtigkeit, für den Fortschritt auch zum Sterben bereit ist. James Joyce, der 1899 die „Christus-Trilogie“ in Irland sah, bemerkte über „Ecce Homo“: „Das ganze Bild ist von einer wunderbaren, tiefen, stummen Dramatik durchdrungen, als könnte es wie auf einen Zauberschlag Wirklichkeit werden … die Anschauungsweise des Künstlers ist menschlich, tief erschütternd menschlich.“ Trotz des großen Erfolges konnte sich die durch die Bilder profitierende Kirche, obwohl vorerst großes Interesse bekundet wurde, nicht zu einem Erwerb durchringen. Die ersten beiden Gemälde der Trilogie wurden schließlich von dem amerikanischen Millionär Wanamaker erworben und waren bis 1988 in Familienbesitz. „Christus vor Pilatus“ ist heute im Besitz der Hamilton Gallery in Kanada, „Golgatha“ wurde vom ungarisch-amerikanischen Sammler Imre Pákh erworben, der für die Ausstellung im Künstlerhaus einen großen Teil seiner umfangreichen Munkácsy-Sammlung zur Verfügung stellt. „Ecce Homo“, das dritte Bild der Trilogie, wurde über den Erwerber Friges Déri an das von ihm 1930 gegründete Museum in Debrecen gestiftet. Dort fand 1995 – fast 100 Jahre nach dem Tod des Künstlers – auch die erste gemeinsame Präsentation der „Christus-Trilogie“ statt.

Letzte Lebensjahre

1886 wurde Mihály Munkácsy in Nachfolge des verstorbenen Hans Makart mit der Ausführung des monumentalen Deckengemäldes "Apotheose der Renaissance" im Stiegenhaus des Kunsthistorischen Museums in Wien betraut. Seine späteren Historienbilder fanden selbst in Ungarn nicht ungeteilten Zuspruch, zumal seine auf die ungarische Geschichte bezogenen Werke, wie etwa das Wandepos "Árpáds Landnahme" von 1893 für das ungarische Parlamentsgebäude, schon als etwas zu pathetisch galten. Ab 1896 verschlechterte sich Munkácsys Gesundheitszustand dramatisch, 1897 wurde er in das deutsche Nervensanatorium Endenich (Bonn) eingeliefert, wo er am 1. Mai 1900 verstarb.

Munkácsy im Wiener Künstlerhaus

Mihály Munkácsy ist dreimal mit großem Erfolg im Künstlerhaus gezeigt worden: 1879 mit dem Gemälde „Milton“, 1882 mit „Christus vor Pilatus“, 1884 mit "Golgatha" und 1896 mit „Ecce Homo“. 130 Jahre später kehrt nun Munkácsys Erfolgsgemälde „Christus vor Pilatus“ im Rahmen einer großen Werkschau wieder ins Künstlerhaus zurück. Interessanter Aspekt der Ausstellung im Künstlerhaus ist darüberhinaus, dass sie Anfänge, Trends und die ersten großen Erfolge des modernen Kunstbetriebes am Beispiel einer gefühlvollen, alle privaten und künstlerischen Höhen und Tiefen erlebenden archetypischen Künstlerpersönlichkeit des 19. Jahrhunderts nachvollziehen lässt.