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Myriam Thyes. Barocke Versprechen und Konstruktive Zweifel
Teil von: Intermezzo 2019 - Geteilte Wirklichkeit
02.06.2019 - 11.08.2019

Eröffnung am Samstag, 1. Juni, 16 Uhr

Kurator:
Burkhard Leismann

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Intermezzo 2019 - Geteilte Wirklichkeit

Intermezzo 2019 zeigt unter dem gemeinsamen Titel „Geteilte Wirklichkeit“ vier zeitgenössische Positionen, die mit unterschiedlichen Medien - Malerei, Fotografie, Video- und Aktionskunst - geteilte Wirklichkeiten erlebbar machen. Den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern geht es um die emotionale Verknüpfung unterschiedlicher Beobachtungen und gesellschaftlicher Kulturen. Sie bevorzugen die bildhafte Mitteilung und fordern im besonderen Maße die Empathie des Betrachters.

Teil 1, 02.06. - 11.08. 2019
Sandra del Pilar "Narziss am Fenster"
Myriam Thyes "Barocke Versprechen und Konstruktive Zweifel"

Teil 1 präsentiert in zwei parallelen Ausstellungen aktuelle Werke der Düsseldorfer Künstlerin Myriam Thyes, die im Bereich der Neuen Medien von Fotografie über Video bis zur 3D Animation arbeitet, und von Sandra del Pilar, die im klassischen Medium der Malerei ihre Bilder mit einer besonderen Technik gestaltet. Von ihrer Erscheinung her sind die Ausstellungen sehr unterschiedlich, haben aber auch einiges gemeinsam. Beide Künstlerinnen erzeugen schwebende Bilder, die sich im Raum oder in geschichteten Gemälden mal virtuell, mal ganz konkret überlagern. Die künstlerische Arbeit in Deutschland verbinden sie beide mit zwei anderen Kulturkreisen, mit der Schweiz und mit Mexiko. Sie setzen sich mit politischen und gesellschaftlichen Fragen auseinander und schaffen mit ihrer jeweils eigenen Technik Bilder und Installationen, in denen sich verschiedene Ebenen durchdringen.

Myriam Thyes "Barocke Versprechen und Konstruktive Zweifel":
Myriam Thyes knüpft mit ihren Werken in der zeitgenössischen Lebenswelt an, die auch immer eine medial vermittelte Gegenwart ist. Sie verwendet Visualisierungstechniken, die von der Fotografie über den Film bis zur 3D Animation reichen. Das Ausgangsmaterial für ihre Bild-inszenierungen sind eigene Fotos und eigene Videoaufnahmen sowie bereits bestehende Bilder aus der Kunstgeschichte und aus kommerziellen Filmen. Ihre künstlerische Laufbahn führte Myriam Thyes von der Malerei über die Videokunst zur Medienkunst, die alle Medien digital vermittelt. Mit gezielten Ausschnitten, Serien und Montagen rückt sie bestimmte Inhalte in den Focus. Künstlerische, triviale, aktuelle und historische Bilder erhalten neue visuelle und inhaltliche Botschaften, die die vertraute Bildaussage erweitern. Fast immer handelt es sich um eine übergeordnete, symbolische oder auch metaphorische Bedeutung. Die Künstlerin verbindet z.B. in der Arbeit 'Kreuz Fläche zu Raum' den Blick in ein barockes Deckenuniversum von Andrea Pozzo mit schwebenden Elementen von gegenstandslosen konstruktiven Kompositionen der Künstlerin Sophie Taeuber-Arp. Das Illusionspotential einer hierarchisch-religiösen Weltordnung gerät so in den Dialog mit einer Bildwelt, die einer nicht hierarchischen, demokratischen Weltanschauung entspringt. Mittels 3D Animation, einer zeitgenössischen visuellen „Verführungs-Technik“, nähern sich diese Welten an und gehen temporär formale wie inhaltliche Verbindungen ein. Genau austarierte Konstellationen entstehen, Unterschiede und Beziehungen werden sichtbar. Die Verknüpfungen in Sophie Taeuber-Arps Fluchtlinien stehen hingegen vor historischen, bzw. biographischen Hintergründen. In Zeichnungen, die Sophie Taeuber-Arp zwischen 1940 und 1942 im südfranzösischen Exil fertigte, entdeckte Myriam Thyes in den Linien-Geflechten immer wieder Sechssterne, Haken und Peitschen. Sie stellt die Formen der Lignes von Taeuber-Arp in Beziehung zu Fotografien aus der damaligen Zeit und animiert in unterschiedlichen Kompositionen visuelle Überlagerungen. Ihre Montage stellt die Frage, ob angesichts von Krieg, Verfolgung und Flucht eine rein selbstreferentielle formale Sprache überhaupt möglich war oder - wie in der Arbeit visuell und emotional greifbar - Taeuber-Arps Zeichen eine lang übersehene Symbolik enthalten?
Eine fotografische Arbeit der Künstlerin, die in den Bildblöcken von Magnify Malta, in drei Leuchtkästen und in einer Bodenarbeit zu sehen ist, versteht sich ebenfalls nicht als rein fotografische Kunst oder als Dokumentation. Die Fotoserie enthält wiederum einige Fotomontagen, die das Dokumentarische zum Exemplarischen erweitern und verdichten. Der kulissenhafte Raum in Myriam Thyes' Bildern wird zur Bühne für Reflexion. "... Eine Erweiterung des ersten Blicks über die pure Idylle hinaus zu erreichen, ist das Ziel von Magnify Malta. Die gewählten Bildausschnitte und Bildserien zeigen keine Naturaufnahmen sondern gebaute Befindlichkeiten der Bewohner… . Diese Beobachtungen werden durch die gestaltenden Eingriffe der Künstlerin, kaum erkennbare digitale Manipulationen, noch verstärkt ..." Michael Staab in 'GLASGOW STYLES / MAGNIFY MALTA: Das ganze Bild. Der erweiterte Blick', 2012

Scheinbar spielerische Verbindungen stellen inhaltlich aufschlussreiche Bezüge her, fordern neue Perspektiven und stellen Fragen. Myriam Thyes möchte ihre Arbeit dezidiert nicht als gesellschaftskritisch bezeichnet wissen, da sie keine inhaltliche Festschreibung oder eine Beantwortung der Fragen liefert. Werke mit zeitgenössischen Inhalten wie Smart Tunnel oder Smart Pantheon zeigen in der Verschachtelung sich berührender Hände eine faszinierende aber auch fragliche Berührung von Hand und Apparat als Ersatz einer persönlichen, körperlichen Kommunikation. Die Kombination der Protagonisten aus dem Film The Matrix mit Texten von C. G. Jung und der Kulisse des Prime Tower in Zürich wird zur Metapher für die heute besonders ausgeprägte Leistungsgesellschaft mit ihrer vermittelten Kommunikation und ihrem Zeitdruck. Die filmisch inszenierte Vision der Zukunft und unsere selbstgebaute Welt berühren sich.