press release only in german

17. JANUAR 2021 – 19. DEZEMBER 2021

MYTHOLOGISTS
JSC ON VIEW. WORKS FROM THE JULIA STOSCHEK COLLECTION

Die dritte Ausgabe von JSC ON VIEW präsentiert Video- und Soundinstallationen von zwölf Künstlerinnen der JULIA STOSCHEK COLLECTION. Einige davon sind erstmalig in der JSC Düsseldorf zu sehen.

JSC ON VIEW: MYTHOLOGISTS wird kuratiert von Rachel Vera Steinberg, Stipendiatin des JSC Curatorial & Research Residency Programs (CRRP) 2019–2020.

Was wir als Wahrheit begreifen, vermittelt sich in hohem Maße durch Bewegtbilder. Dies macht sie zu einem Instrument der Macht. Vor diesem Hintergrund zeigt die Ausstellung, dass zeitbasierte Medien im Stande sind, politische Ideologien mit dem Verlangen zu verknüpfen, sich eine eigene private Welt zu erschaffen. Die Arbeiten bedienen sich unterschiedlicher kultureller Narrative und vermitteln einen Eindruck davon, in welchem Sinn sie ein Inkubator für soziale Mythologien sein können.

Traditionelle Mythen sind Geschichten über Gottheiten, die Schöpfung und das Heilige, die sich durch ihre weite Verbreitung sowie ihr ambivalentes Verhältnis zur Wahrheit auszeichnen. Gleichzeitig unterhalten und erziehen sie das Publikum, indem sie einfache Charaktere zu Archetypen stilisieren. In JSC ON VIEW: MYTHOLOGISTS wird das Spannungsfeld zwischen Fakten und Fiktionen in den Blick genommen, das durch persönliche sowie kollektive Narrative hervorgebracht wird. Die in der Ausstellung vertretenen Arbeiten interpretieren Mythologien neu, konterkarieren etablierte Verhaltensmuster und imaginieren darüber hinaus außergewöhnliche visuelle und akustische Welten. Allen Arbeiten ist gemein, dass sie die Grenzen zwischen Mythos, Fakt und Fantasie – mal bewusst, mal unbewusst – verschwimmen lassen. Durch alltägliche Handlungen des Spielens, des Übertreibens, des Performens werden folgende Fragen aufgeworfen: Wenn wir noch auf etwas vertrauen könnten, worauf wäre das? Wie wird in diesen Geschichten Bedeutung generiert? Von wem werden solche Mythen heute erschaffen? Und welchen Narrativen wird man auch in Zukunft noch Glauben schenken?

Wu Tsangs Videoarbeit Wildness (2012) und Mark Leckeys Videoarbeiten Fiorucci Made Me Hardcore (1999) und Parade (2003) drücken den Wunsch nach einem Zugehörigkeitsgefühl innerhalb kultureller Bewegungen und Szenen aus. Die Arbeiten dokumentieren unterschiedliche Subkulturen und beleuchten die kollektiven Phantasien, die in diesen Kontexten als verbindende Elemente fungieren. Mike Kelleys jahrzehntelanges Projekt Extracurricular Activity Projective Reconstruction #36 (Vice Anglais) (2011) unterwandert popkulturelle amerikanische Medientropen durch albtraumhafte Performances, in denen kulturelle Archetypen auf verstörende Weise miteinander interagieren.

Sowohl die Guerrilla Girls als auch Natascha Sadr Haghighian greifen in ihren jeweiligen Arbeiten bestimmte Kunstwelt-Mythen auf, indem sie ihre persönlichen Narrative und ihre Identitäten fiktionalisieren. Klara Lidén setzt ihren ambivalent gegenderten, weißen Körper in ihren Videoarbeiten Paralyzed (2003) und Grounding (2018) als Mittel ein, um traditionelle Genderrollen in Frage zu stellen.

Lina Lapelytės Hunky Bluff Act 1–6 (2015) und Jamie Crewes Pastoral Drama (2018) adaptieren Mythologien und Opernarien, um kulturelle Narrative und Gendernormen aufzubrechen. Ähnlich verhält es sich mit Mika Rottenbergs Chasing Waterfalls. Ihre Videoarbeit The Rise and Fall of the Amazing Seven Sutherland Sisters (2006) sowie WangShuis From Its Mouth Came a River of High-End Residential Appliances (2018) nutzen Fabeln, Werbeformate und zeitgenössische Architektur, um Fragen zur Konstruktion von Identität aufzuwerfen. Laure Prouvosts Videoarbeit They Parlaient Idéale (2019), die für den französischen Pavillon auf der 58. Biennale in Venedig entstand, etabliert eine eigene Mythologie, indem die Künstlerin Sprache, Bild und Bewegung miteinander verschränkt. Jacolby Satterwhites opulente digitale Tableaus geben Einblick in utopische Science-Fiction-Welten, die neuartige Beziehungen und Hierarchien generieren.

Text: Rachel Vera Steinberg