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Und ich auch, ich bin Maler oder Warum ich kein Maler bin“ – Wie Natalie Czech (*1976, Neuss) die beiden Titel von Guillaume Apollinaire und Frank O’Hara zu einer widersprüchlichen Aussage verknüpft, so fügt sie auch Poesie und Kunst in gegenseitiger Wechselwirkung zusammen. Erstmals wird ihr Werk umfassend mit Arbeiten aus den Jahren 2009 bis 2012 im Rhein-Main-Gebiet vorgestellt.

Für die Serie HIDDEN POEMS markiert die Künstlerin mit Leuchtstiften einzelne Wörter und Silben in Magazinen, Tageszeitungen und Bildbänden, die zusammenhängend gelesen ein existierendes Gedicht bilden. Die Hidden Poems bilden, zum Teil mit neuen Versionen, eine zentrale Werkgruppe in der Ausstellung.

Bei der Arbeit A SMALL BOUQUET BY FRANK O’HARA steht dagegen ein Bildgedicht am Anfang, um das verschiedene Autoren einen Fließtext konstruieren, bis es sich darin aufzulösen scheint. Am Ende lässt die Künstlerin das Kalligramm farbig markiert über die Mühsal der Textproduktion triumphieren. Dasselbe Prinzip liegt auch dem jüngsten, in Entstehung befindlichen Zyklus IL PLEUT BY GUILLAUME APOLLINAIRE zugrunde, auf die die Ausstellung in Wiesbaden einen Ausblick gibt.

TODAY I WROTE NOTHING / DANIIL KHARMS (2009) besteht aus 22 fotografischen Tableaus. Daniil Charms, der als „antisowjetischer“ Schriftsteller verfolgt wurde und 1942 zwangsinhaftiert in einer psychiatrischen Anstalt, verstarb schrieb 1937 in sein Notizbuch: “Today I wrote nothing. / Doesn’t matter. / January 9th”. Jedes Tableau zeigt eine bedruckte Buchseite mit Charms Tagebucheintrag, wobei einige Worte fehlen, so dass sich Aussage und Sinnzusammenhang immer wieder neu definieren.

Mit dem Titel der 2010 entstandenen Arbeit ADIEU IHR SCHÖNEN WORTE zitiert Natalie Czech einen Vers, mit dem Ingeborg Bachmann ihre Schreibblockade thematisiert. Bachmanns Verzweiflung in der Schaffenskrise setzt Czech ein Monument in Form eines überdimensionierten Blatt Papiers entgegen, das aus allen Romanen, Gedichten und Schriften der Autorin geschöpft wurde. Auf dem Boden davor liegt eine Notiz in der Handschrift Bachmanns: „Adieu, Ihr schönen Worte, mit Euren Verheißungen. Warum habt Ihr mich verlassen, war Euch nicht wohl?“.

Natalie Czech weckt Neugier auf den Blick in die Tiefe: von der bildlichen Oberfläche verführt sie zum Abtauchen in die Texte, Themen und Phantasien der Autoren. Poesie liegt im Alltag verborgen und im Alltag findet sich umgekehrt die Poesie. Mit der Erweiterung der modernen Sehgewohnheit vom Bild zum Text knüpft sie an die vergangenen Avantgarde-Tradition an, in der Kunstkritik zur Literatur und Literatur zu Kunstkritik wurde, und schließt den Kreis.

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Natalie Czech
Und ich auch, ich bin Maler oder Warum ich kein Maler bin