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Der Fuji-san, höchster und heiliger Berg Japans, erfreut sich aufgrund seiner Schönheit weltweit grosser Wertschätzung. Als der japanische Dichter Bashō auf seiner Wanderschaft endlich am Fuji angelangt ist, gibt er knapp und ehrlich einen Live-Bericht in Haiku-Form zum Besten, indem er feststellt, wegen Nebel und Regen sei der Fuji eben gerade mal gar nicht zu sehen. Frech schlägt er damit all jene stereotypen Landschaftsschilderungen und Romantik-Klischees in den Wind, die in Kunst und Literatur zur Worthülse verkommen sind.

Auch bei Stedefreund geht es um all das, was sich hinter Oberfläch(lichkeit)en verbergen kann: Mittels Malerei lässt Anne Gathmann die Welt zwischen den Zeilen in den Vordergrund treten. Figurative Anleihen sowie landschaftliche Eindrücke scheinen nicht weit entfernt voneinander zu liegen und spielen dabei mit Repräsentation. Wie kann etwas gelesen werden, wenn es doch nicht benannt werden kann? Wasserstrukturen des im Malprozess aufgeweichten Papiers werden räumlich und erinnern an den Zusammenhang von Micro- und Macroformen. Sandra Zuanovics Zeichnungen sind obsessiv, poetisch und konzentriert selbstbewusst: Mit glitzernd-farbigen Gelstiften, die sie spiralförmig Schicht für Schicht aufträgt, konzentriert sie sich in klassischer Porträtmanier auf mittig-frontale Motive: Figur, Affe, Totenkopf, Ornament oder Text werden zum bedeutungsneutralen Hintergrund, umschlossen von einer All-Over-Zeichenstruktur, die je nach Einsatz für malerische Tiefe oder plakative Fläche sorgt. Bei Stedefreund wird Zuanovic mit einer großformatigen Wandzeichnung nicht nur das Tafelbildformat überschreiten, sondern auch den Zeichenprozess durch Einritzungen in Pastellkreide umkehren. Dieter Lutsch beweist, dass man mit den vier Elementen Wasser, Luft, Feuer und Erde eine Menge anstellen kann. Ein Hauch von alchemistischem Zauber umgibt seine bildhauerischen Experimente, in denen er physikalische Gesetzmäßigkeiten ausnutzt, um sie scheinbar außer Kraft zu setzen. Er lässt Springbrunnen aus Luftmatratzen sprudeln und Glückskatzen mit ihren Winkearmen auf Gläser klopfen. Kerzenflammen flackern waagerecht und Schaum, indem wir gewöhnlich ein Bad nehmen, wächst zu einer meterhohen Säule. Zur Ausstellung wird uns Dieter Lutsch mit einer neuen Arbeit überraschen. Inken Reinert überzieht den verwaisten Kiosk auf der Rosenthaler Strasse mit einer neuen Außenhaut und spielt damit auf sein Schicksal der letzten Jahre an, als er als Werbefläche für willkürliche Zuplakatierungen fungierte. DinA3 Kopien zitieren die Wabenfassade des Centrum Warenhaus in Dresden, das 2007 abgerissen wurde. Reinert setzt damit ihre Wiederverwertung des Formenvokabulars ostmoderner Architektur gewohnt un-nostalgisch fort: Vergleichbar vergangener Repräsentationsbauten wird auch der Kiosk kosmetisch aufbereitet und am Eröffnungsabend als Revolutions-Bar umfunktioniert, bevor auch ihm der Abriss droht. Auch Marcel Prüfert und Jan Ungerer plakatieren, jedoch gerade nicht draußen, sondern drinnen. Was passiert mit Malerei und Bildaussage, wenn Wandbilder und Politslogans von Berliner Häuserfassaden plötzlich gleichformatig auf der Rauhfaser im Galerieraum erscheinen? WIR WERFEN IHRE WERBUNG VOLLE PULLE AN DIE WAND. Gerät politischer Protest im Kunstkontext zwangsläufig zur Hommage an die Malerei der 80er? Ist die Galerie nichts anderes als eine Werbefläche für Künstler? In Politik wie Kunst geraten Wörter wie Bilder schnell zu Hülsen. Prüfert und Ungerer brechen mit alten Gewohnheiten. Bye bye, griffige Politslogans. Hello, Privatgefühl.

Carla Orthen

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Nebliger kalter Herbstregen / Der Fuji war heut nicht zu sehen - wie interessant ...

Künstler: Anne Gathmann, Dieter Lutsch, Marcel Prüfert, Inken Reinert, Sandra Zuanovic