press release only in german

Neues aus dem Wald Text von Judith Samen

Die Dinge stehen im Raum und entführen uns in eine andere Welt. Fußspuren laden ein, ihnen zu folgen: die Schritte nachzuvollziehen, entweder gedanklich oder tatsächlich. Die Spuren sind so wohlgeformt und auch noch weiß, ich traue mich doch nicht, sie zu betreten, ich könnte etwas schmutzig machen. Sie zeigen mir einen Weg, dem ich mit Blicken folge.

Da sind die aufgebauten Situationen, eine Installation mit einem Fuchs zum Beispiel. Der Fuchs steht mit den Vorderpfoten auf einem Baumstamm, verharrend, aufmerksam scheint er etwas zu erwarten. Spannungsvoll sieht er mich an – nein, doch nicht, die Augen sind leer, die Form ist so streng, alles ist weiß, die Materialität der Oberflächen wirken kühl, schaffen Distanz... Da ist noch ein Tisch, sogar mit einer Decke ordentlich bekleidet, aber er ragt nur halb aus der Wand, lädt nicht zum Platz nehmen ein, er verschwindet und ist doch präsent, nur visuell zu benutzen. Zu der Installation gehört noch eine Gans, die wie eine Jagdtrophäe an der Wand hängt, irritierend dadurch, das der Hals eben nicht auf einem Wandbrett montiert ist - und so hat man auch hier den Eindruck, dass der Rest des Gänsekörpers auch noch in der Wand stecken könnte, was noch verstärkt wird durch die weiße Farbgebung, der die Grenze zu der weißen Wand fließend wirken lässt. Diese Installation schafft einen Ort, der nicht einzuordnen ist. Der Fuchs auf dem Baumstamm verweist auf einen Außenraum, der Tisch an sich und die Präsentation der Gans lassen einen Innenraum assoziieren, scheinen sich aber zudem in einem Nicht-Ort hinter der realen räumlichen Begrenzung „Wand“ fortzusetzen.

Es ist ein Ort, den ich nicht greifen kann, den ich mir nicht erklären kann, auf den ich mich aber gerne einlassen kann. So richtig fremd ist er mir nicht, dieser Ort - ich erkenne einen Tisch, eher die Idee einen Tisches, die anderen Dinge dort kann ich auch benennen: Fuchs, Baumstamm, Gans. So allerdings habe ich sie noch nie gesehen und ich merke, es entsteht eine neue Geschichte, die wohl jeder etwas anders zu erzählen vermag. „Ich baue Bilder“ sagt Waldert, das zeigt ein Changieren zwischen Zweidimensionalem und Dreidimensionalem - und diese „Bilder“ setzen sich in unseren Köpfen in Gedankenbildern fort.

Die Gegenstände, die die Künstlerin aufgreift und in ihrer Formsprache umsetzt, rekrutieren sich aus unserem kulturhistorischen Kontext, allerdings aus verschiedenen Bereichen: Es gibt Fähnchen wie beim Schützenfest, eine Kanone wie von einem Dorfplatz, ein Wagenrad erinnert an die Verzierung eines Kleingarten-Häuschens, verschiedene Tiere lassen an Märchengestalten denken oder an skulpturale Wächter vor repräsentativen Gebäuden, Dachschindeln oder ein Vorgang werden zum Wandrelief, eine Säule mit Kapitell oder ein Engelchen mit Standbein-Spielbein-Stellung erinnern an antike Skulpturen und ein ruhendes Schäfchen schließlich scheint dem Kontext christlicher Bildhauerkunst entsprungen zu sein.

Mit genauer Beobachtungsgabe, Ernsthaftigkeit und manchmal auch mit ironischem Augenzwinkern sucht sich die Künstlerin Dinge, die sie in Plastiken und Installationen umsetzt. Die Dinge verlieren dabei jede Individualität, werden zu allgemeingültigen Stellvertretern, die uns die Idee des jeweiligen Objektes der Darstellung zeigen. Ob die Dinge aus der Kunst oder aus Alltagsbeobachtungen resultieren, hat keine unterschiedliche Wertigkeit mehr, wenn sie in den Plastiken Nele Walderts ihre neue Form gefunden haben. Sie kommen zusammen zu einer neuen Welt, die erzählerisch erscheint und doch streng ist, offene Geschichten in uns auszulösen vermag und doch formal und farblich durch große Stringenz und Klarheit überzeugt.

Pressetext

only in german

Nele Waldert "zuhause"