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Eröffnung: 25. Jänner, 19.00 Uhr

Die Ausstellung never that's when... befasst sich mit dem Thema der informellen Praktiken und politischen Subjekte im Rahmen von kreativer Praxis, wo sich das Problem des Politischen insofern stellt, als dadurch der eigentliche, in sich abgeschlossene Status der Umstände gestört wird. Dies wirft auch eine weitere Frage auf, die ich sehr oft stelle: Welche Elemente sind kennzeichnend für Kunst und ihre Politik? Und in diesem Sinn, wie gehen wir damit um, dass wir uns an ausdrücklich sozialen Formen der Kunstproduktion und ihren Politiken beteiligen, welche eine ‚noch-nicht-formalisierte’ Politik aufzeigen? Zudem, wie verorten wir die informelle politische Dimension des Subjektes?

Und dieser Rahmen, also der Ort, an dem eine Position ergriffen wird, setzt eine neue Kapazität des Widerstands und der Alternative frei. Wenn wir diese Verbindung jedoch neu überdenken, bietet uns Rancières Ansatz einen wichtigen Anhaltspunkt: „Genauso wie sich Kunst über die Grenzen ihrer Macht bewusst wird, wird sie zu einem neuen politischen Engagement gedrängt, indem die Politik selbst geschwächt wird.”(1) Dadurch entsteht eine allgemeine Wandlung von kritischer Kunst hin zu dem, was eine neue Idee von „Kunst in unserem Leben” sein kann. Ich glaube, dies führt uns auch zu einer elementareren Basis hin zu einem Ort zwischen „politischer Arbeit“ und „dem Politischsein“, auch wenn dort ganz unterschiedliche Politiken angeregt werden, um unterschiedliche Artikulationsformen zu schaffen.

Ich lasse hier unerwähnt, was auf der Hand liegt; trotzdem ist es schwierig, die Beziehungen zwischen kritischem Engagement und aktiver Politik in ihren transformativen Modalitäten, die für kreative Praxis heute relevant sind, zu erforschen; so wie dieser Raum eine Suche nach gegenwärtiger und zukünftiger Produktion definiert. „Die Wichtigkeit, Politik genauso wie politische Kunstpraktiken […] als Beteiligung der aktiven Produktion unserer eigenen Subjektivität zu verstehen, führt zusammengefasst zu der Aussage, dass Subjektivität selbst ein politisches Feld sei.(2) Die Frage, die sich mir dann stellt, konzentriert sich darauf, was genau dann bei diesen Bestrebungen passiert?

Solche Verbindungen scheinen jedoch auch die Kehrseite ihrer Unmöglichkeit zu thematisieren, welche die kreative Praxis dazu zwingt, über sich selbst hinaus zu gehen. Dieses Engagement bringt die Thematisierung prozessualer Intensitäten mit sich, wodurch ihre transformativen Kapazitäten als ein Möglichkeitsraum offenbart werden, der von relationalen Modellen vermittelt wird. Diese Modelle zeigen, wie eine „Neuschöpfung und eine Neuerfindung des Subjektes selbst“ möglich sein könnte. Denn hier entstehen in den Eventualitäten des never that's when ... unbequeme Beziehungen und wechselseitige Abhängigkeiten von Kräften.

Jeder/e Teilnehmende an dieser Ausstellung never that's when... war eingeladen, künstlerische Praktiken zu präsentieren, die neue Arten kreativer Verbindungen in den weiteren Kontext der Artikulation informeller Praktiken oder der Formulierung ‚noch ausstehender’ Praktiken stellen.


(1) Jacques Rancière, Rancière Talk: Aesthetics and Politics: Rethinking the Link in Berkeley, September 2002, S.25. (2)Simon O’Sullivan, Art Encounters – Deleuze and Guattari: Thought Beyond Representation, Palgrave – Macmillian, 2006, S. 88

KünstlerInneninfos:

Ursula Biemann X-Mission, Videoessay, Einkanal, 40', 2008

X-Mission untersucht die Logik des Flüchtlingslagers als eine dem Völkerrecht unterstellte Form von Extraterritorialität. Anhand des palästinensischen Flüchtlingsfalls setzt sich das Video mit den verschiedenen Diskursen auseinander, die diesem sich permanent im Ausnahmezustand befindenden Raum Bedeutung zuschreiben. Die Themen sind im Video klar als juristische, symbolische, urbanistische, mythologische, post-industrielle und historische Erzählung aufgegliedert.

Flüchtlingslager sind Orte, in denen die Politik einer verstörten Geografie auf einen begrenzten, stark reduzierten Raum anderswo zusammengefaltet wurde. Dies schafft die Voraussetzung für einen intensiven Mikrokosmos mit komplexen Beziehungen zum Mutterland und zu verwandten Gemeinschaften im Ausland. Aufgrund der grossen Bedeutung dieser Verknüpftheit stellt das Video den palästinensischen Flüchtling in den Kontext einer globalen Diaspora und untersucht Modelle deterritorialisierter Zugehörigkeit, die sich durch die vernetzte Matrix dieser weit vertreuten Gemeinschaft herausgebildet haben. Der Flüchtling wird zur symbolischen Figur, die uns stetig ins Bewusstsein ruft, wie fehlbar und unvollständig unsere Weltorganisation von Nationalstaaten tatsächlich ist.

Wie prominent das palästinensische Exil in Bezug auf Umfang, politische Komplexität und historische Bedeutsamkeit sein mag, mir ist auch bewusst wie schwierig es ist, dieser überrepräsentierten Situation etwas Brauchbares beizusteuern. Ausgangspunkt ist der bescheidene Versuch, etwas über die Palästinenser auszusagen, ohne sie unweigerlich in den Zusammenhang mit Israel oder dem Konflikt zu stellen. Dieser älteste und größte der Flüchtlingsfälle soll einmal aus der Perspektive von anderen gegenwärtigen Formen von Transnationalism, wie z.B. den weltweiten Migrationsnetzen, neu gedacht werden.

Die Anwältin Susan Akram erläutert, wieso aus völkerrechtlicher Sicht der palästinensische Flüchtling die Ausnahme der Ausnahme darstellt, was diesen Fall schon deshalb so interessant macht. Dieser Umstand ist mitunter auch dafür verantwortlich, dass ohne viel Aufsehens der Ausnahmezustand jederzeit wieder über die Flüchtlingslager im Libanon und Westjordanland verhängt werden kann, wie das kürzlich in Nahr el-Bared der Fall war, dessen Politik und Wiederaufbaupläne im Video vom Architekten Ismael Sheikh Hassan ausführlich diskutiert werden.

Obwohl ich 3 Feldreisen in die Lager im Libanon, Jordanien und in die Westbank unternahm, verwende ich das dokumentarische Material über das Lagerleben nur sehr spärlich. X-Mission gründet in erster Linie auf den Interviews mit Experten, unterbrochen von mehrschichtigen Videomontagen aus eigenem und herunter geladenem Videomaterial. Auf einer anderen Ebene reflektiert die Arbeit über die künstlerische Mission als eine spezielle Form von Feldforschung.

Nilbar Güres Overhead / Über Kopf, Fotografie, 2011

Komplexität ist sicher eine passende Metapher zur Bezeichnung von Güres Praxis, denn sie sieht ihre Arbeit als eine Serie nicht linearer pluralistischer Konstruktionen, die zu den reinen Kernen des Bewusstseins führen. Ihre multidisziplinäre Praxis ermöglicht es, Themen abzustecken, die sich auf die „situative Darstellung“ und die Möglichkeiten ihrer transformativen Potenziale für die selbstbewussten Widersprüche und das Verschwimmen von Grenzen beziehen. Ihre Arbeit spiegelt die heutige, exzessiv vermittelte Kultur und Gesellschaft, während sie die ontologische Priorität in jenem kulturellen Engagement dekonstruiert, welches performativ produziert wird.

Güres’s Arbeit Overhead/Über Kopf erzeugt eine Konfrontation, die den/die BetrachterIn dazu zwingt, sich auf das zu konzentrieren, was zur „Produktion des Subjekts” führt, bei dem Prozess und Werden, Intervention und Kreativität privilegiert sind. Diese Themen werden jedoch bevorzugt in spezifischen Situationen durch die breite Vielfalt ihrer Rückbezüge analysiert, die fast alle aus ihrem Heimatland, der Türkei, stammen. Wir bezeugen hier einen neuen Zugang, der uns mit den Konstrukten einer gender-spezifischen Positionierung konfrontiert, gekennzeichnet durch die Themen einer inhärenten Normalisierung.

Diese neue fotografische Arbeit, Overhead/Über Kopf, liefert auch den Hintergrund für die Prozesse der mikro-politischen Kraft der Veränderung, die in einem absehbaren Konflikt und durch Verhandlung innerhalb spezifischer kultureller Bedingungen ausgedrückt wird.

Sinisa Ilic Aftermath /Nachwehen, Zeichnungen, 2009

Für Sinisa Ilic ist Kunst in ihrer Verspieltheit ein Gedanke. Er untersucht genau die Transposition von Dingen und Handlungen, die von einem dominanten Prinzip beim postkolonialen Subjekt herrühren.

Ilic’s Serie von Zeichnungen mit dem Titel Aftermath/Nachwehen – deren Inhalt, den Aussagen des Künstlers folgend „post-explizit” ist, da er die „Krumen” eines Ereignisses darstellt, das vom Gesichtsfeld evakuiert wurde – ist ein Beispiel einer produktiven Denaturalisierung, durch welche das Bild, durch eine Art analytische Diversion das Ereignis der Gewaltausübung außer Kraft setzt, indem dieses in fragmentarische Überreste zerlegt wird. Diese Fragmente sind über einen makabren, weißen Raum zerstreut.

Wenn die Gewalt, durch die genauso „gewaltsame“ Unternehmung der Denaturalisierung vom Dramatismus eines spezifischen Schlages gelöst und in den weißen Schlund der „überzogenen Zeichen” des Regimes eines Kunstbildes geworfen wird, erzeugt der Gewaltakt nicht länger einen Schock, sondern führt vor allem in diesem Fall dazu, dass er als „Ableger“ der Zirkulation sozialer Konflikte und nicht als singuläre und individuell motivierter Vorfall offenbart wird. Ilic’s Zeichnungen zeigen uns ein Porträt der Gesellshaft und ihrer sichtbaren Umgebung, in der wir die VertreterInnen verschiedener sozialer Gruppierungen ausmachen.

Marginal, video, 2009

Die „Essenz” der Videoarbeit Marginal ist flüchtig. Anstelle der Bedeutung der Geschichte führen die Bilder zu einem unangenehmen Gefühl. Das Bild oder das sich bewegende Bild und die Menschen, die erkennbar sind, sind gesichtslos oder ausdruckslos, die Bilder bewegen sich und verschwinden wieder. Wir können nur die Spuren der Körper erkennen, die uns spät erreichen oder nur zu uns gelangen, um zukünftige Ereignisse anzukündigen.

Die Charaktere und ihre Identität sind nicht wichtig, genauso wenig wie die Abfolge der Ereignisse. Ilic’s Material ist dokumentarisch und verzeichnet die Zeit zwischen zwei Ereignissen, die für ihn von Bedeutung sind. Alles ist verschwommen. Kein Ausdruck. Die sub-Plots machen die Szene aus.

Unterstützt von:

BM:UKK Stadt Wien - Kulturabteilung MA 7

Über uns: Geöffnet Freitag, Samstag 13.00 - 18.30 Uhr und an den übrigen Wochentagen nur nach Vereinbarung. Freier Eintritt

Open Space, Open Systems Zentrum für Kunstprojekte Lassingleithnerplatz 2 A – 1020 Wien Österreich

(+43) 699 115 286 32

Für mehr Information: office@openspace-zkp.org

http://www.openspace-zkp.org

Open Space, Open Systems - Zentrum für Kunstprojekte will einen Ort grundlegender, zeitgenössischer Kunstpraxis schaffen, der sich als Beitrag zu einer neuartigen und ständig weiterentwickelten Modellstrategie für grenzüberschreitende, interregionale Projekte begreift.

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never that´s when...
Kurator: Gülsen Bal

Künstler: Ursula Biemann, Nilbar Güres, Sinisa Ilic