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Die Einzelausstellung „Hochsaison“ von Nevin Aladag umfasst Werke der letzten Jahre aus den Bereichen Sound, Skulptur, Video, Fotografie und Graphik. Das Werk der 1972 in der Türkei geborenen Künstlerin, die an der Akademie der bildenden Künste in München studierte und heute in Berlin lebt und arbeitet, ist außerordentlich vielfältig. Dennoch lassen sich Leitmotive ausmachen, wie etwa die Frage nach Identität (von Personen oder auch von Orten), Selbst- und Fremdwahrnehmung, Rollenzuschreibungen und Selbstentwürfe.

Sound ist Material und Medium, das in fast allen Werken von Nevin Aladag eine große Rolle spielt. Ein reines Sound Piece ist die Arbeit „Hochsaison“, die auch der Ausstellung ihren Namen gibt. Die moderne Halle – der größte Ausstellungsraum der Arthur Boskamp-Stiftung – bleibt radikal leer. Die Geräusche und Klänge eines öffentlichen Schwimmbads erfüllen den Raum, der frei von physischen Kunstobjekten zu einem Ort der Imagination wird. Wir hören das fröhliche Geschrei von Kindern, das Aufkommen von menschlichen Körpern auf dem Wasser, das uns seit der Kindheit vertraute Gemurmel als Hintergrundgeräusch einer öffentlichen Badeanstalt. Unwillkürlich wird eine Assoziationskette in Gang gesetzt: Wasser, Hitze, Sommer, Schweiß, Gerüche, Ausgelassenheit, Erotik, Enge usw. Nevin Aladags Sound Piece ist wie ein ‚Trigger‘, der mit minimalen Mitteln starke, innere Bilder hervorzurufen vermag.

Um eine veränderliche, subjektive Identität von Orten geht es auch in der Videoarbeit „Hochparterre“ (2010). Nevin Aladag hat in Hamburg (und auch an anderen Orten wie Wien und Berlin) die Bewohner ein- und derselben Straße nach ihrem Verständnis und Erleben ihres unmittelbaren Lebensbereiches, nach dem nachbarschaftlichen Miteinander-Umgehen, nach Veränderungen der Bevölkerungsstruktur in ihrem Kiez befragt. In einem Video referiert eine professionelle Schauspielerin die sehr unterschiedlichen Antworten und spricht dabei abwechselnd mit der Stimme eines alten Mannes, eines Kindes, einer jungen Frau. Das Bild, das man als Betrachter der Videoarbeit zu sehen bekommt, ist jedoch das von ein und derselben Frau, die aus dem Hochparterre eines Wohnhauses zu (imaginären) Passanten und Zuhörern auf der Straße spricht. Das, was man sieht ist nicht zwangsläufig das, was man hört und andersherum. Das Irritierende und das Befremdende der künstlerischen Arbeit stellt unsere oberflächliche Wahrnehmung und unser vorgeformtes Wissen grundlegend in Frage, um eine Offenheit für Anderes und Fremdes, für Komplexeres und Ungeahntes möglich zu machen.

Nevin Aladag hat sich mit Beteiligungen an großen, internationalen Ausstellung wie U-Turn in Kopenhagen (2008) oder der Istanbul-Biennale (2009) einen Namen gemacht. Zu ihren jüngsten Ausstellungen zählen Einzelausstellungen im Künstlerhaus Stuttgart und im Projektraum Tanas in Berlin.

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Nevin Aladag
Hochsaison
Kurator: Brigitte Kölle