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In der Auseinandersetzung mit der Welt des Films und seiner repräsentationsimmanenten Strukturen treten zentrale Momente der filmischen Narration oft in Form einzelner visueller und akustischer Marker hervor. Die dadurch entstehende Fragmentierung bezieht sich auf Momente fotografischer Erinnerung sowie auf die Rekonstruktion spezifischer Formen von Realität. Aspekte der Kontemplation bilden eine Antithese zu einer gelebten Realität, da das Kameraauge eine Manifestation des Begehrens innerhalb der produzierten Bildwelten generiert, in denen im Sinne von Jacques Lacan der Realität selbst nur eine marginale Rolle zugeschrieben wird.

Der in Wien lebende französische Künstler N.I.C.J.O.B. (Nicolas Jasmin) beschäftigt sich mit jenen Momenten filmischer Narration, die er mixt, loopt und neu arrangiert, um Versionen einer Realität zu konstruieren, die er in anti-kontemplative visuelle und akustische Sequenzen zerlegt. Durch die Verwendung von Found Footage als Ausgangsmaterial seiner Bearbeitungen untersucht N.I.C.J.O.B. Formen des Unterbewusstseins im Film bzw. jene der Oberfläche verborgenen Strukturen, die ein Verlangen nach dem ultimativen Blick erzeugen.

Durch die Verschränktheit von Visualität und Narrativität im verwendeten Found Footage entsteht in N.I.C.J.O.B.s Arbeiten ein Bruch innerhalb des existierenden Bild- und Soundmaterials, das die Erwartungshaltung nach dem “entscheidenden Moment? der Handlung in sich trägt (und mit Henri Cartier-Bressons Thesen über das Wesen des fotografischen Blicks in Verbindung gebracht werden kann). Die scheinbar endlosen Wiederholungen und nicht kalkulierbaren Wendungen in N.I.C.J.O.B.s Videos rufen bei BetrachterInnen ein Unbehagen hervor, das auch als Resultat der Lacanschen Definition von Begehren angesehen werden kann. Nach Kaja Silvermans Lektüre von Lacan ist Begehren das Resultat eines kulturell determinierten Einsatzes der Triebe, wodurch das Subjekt die Grundlage für etwas schafft, zu dem der reale (produktionstechnische) Zugang jedoch verwehrt bleibt.1 Dies ist auch der Moment, an dem N.I.C.J.O.B.?s Arbeiten ansetzen. Indem der Künstler selbst die Kontrolle über den Verlauf von Visualität und Narrativität übernimmt, geraten BetrachterInnen durch die Kontemplation der Arbeiten an die Schwelle des Begehrens, wobei sie sich gleichzeitig der Möglichkeit, diesem Begehren nachzugehen sowie an der Handlung und dem ihr inhärenten Prozess der Signifikation teilzuhaben, entziehen.

In seiner Installation für das Kunstbuero schafft N.I.C.J.O.B. nicht nur eine zweidimensionale Schwelle zwischen dem Auge der BetrachterInnen und den gezeigten Arbeiten. Er geht einen Schritt weiter, indem er hölzerne Stege einzieht, auf denen BesucherInnen bis zu einer bestimmten Stelle vorgehen müssen, um die richtige Distanz zwischen ihrer Position, dem Blick, und den gezeigten Arbeiten einzunehmen.

Im Hauptausstellungsraum bestimmen zwei unterschiedlich hohe Stege die Position der BetrachterInnen. Der linke Steg führt direkt zu dem Video, das auf die Hinterwand des Raumes projiziert wird. Am Ende des Steges befindet sich jedoch kein Geländer, das in dem abgedunkelten Raum ein Betreten ohne Gefahr ermöglichen würde und daher mit der Situation im Video korrespondiert. Trio (2001) zeigt drei militärisch aussehende Männer, die mit aller Kraft ein Hindernis zu überwinden versuchen, aber durch das Versagen ihres eigenen Körpers davon abgehalten werden. Im Bild ist lediglich eine Mauer zu sehen, die die gestählten Körper immer wieder zu erklimmen versuchen. Durch den technisch raffinierten Schnitt erweckt das Video den Anschein, als ob es jedes Mal derselbe Mann sei, der hier sein Glück versucht. Im Verlauf des Videos ist jedoch zu beobachten, dass es sich um drei Männer handelt, deren Aktion stets erfolglos bleibt. Der ebenso schnelle Schnitt im Sound führt zu einer in Stakkato gehaltenen Komposition, die die zügigen Körperbewegungen wie auch die immer wiederkehrenden Bildausschnitte hervorhebt.

Während Trio auf vertikale Bewegungen fokussiert, verweist Rebel Bell (2003-04) auf das Gegenteil. Das Video wird auf einem Monitor direkt unter der Decke an der Wand rechts neben dem Eingang gezeigt. Ein etwas höherer Steg führt nahe an den Monitor heran, schafft jedoch eine Distanz, die den Blick aufwärts richtet und BetrachterInnen entsprechend der symbolischen Wirkung der Glocke mit ihrer spirituellen Kraft in eine untergeordnete Stellung versetzt. Das Schwingen der Glocke in beide Richtungen beeinträchtigt gewohnte Muster der visuellen und akustischen Wahrnehmung. Abschnittsweise läuft der Ton entsprechend rückwärts, wodurch Klang und Bewegung übernatürliche Kräfte suggerieren und die Glocke aus ihrem eigentlichen Wirkungsgefüge bringen. Gegen Ende drängt sich die Glocke in Form eines immer näher zoomenden Close-ups aus dem Bildausschnitt, um schließlich ganz zu verschwinden und nach dem visuellen Fadeout am Screen nur mehr Spuren ihres Klanges zu hinterlassen. N.I.C.J.O.B.s Video überlässt die Glocke somit ihrem Eigenleben, das letztendlich jeder physischen Einwirkung bzw. Kameraführung zu entgleiten scheint.

Zusätzlich zu den Arbeiten im Innenraum ist die Fensterfront links neben dem Eingang mit einem flächenfüllenden Print O.T. (nach Billy Joel) (2002-04) überklebt, der den Anschein einer zerbrochenen Scheibe erweckt. Diese Gemeinschaftsproduktion zwischen N.I.C.J.O.B. und dem in Wien lebenden deutschen Künstler Josh Müller definiert eine weitere Schwelle zwischen der äußeren Realität und einer visuell determinierten Welt, die durch den Screen als kulturelles und mentales Interface erfahrbar gemacht wird. Die Vorlage für die Konturen der gesprungenen Glasfront wurden einem LP Cover von Billy Joel entnommen und für diese Situation rekodiert. Die Arbeit reflektiert die Herangehensweise beider Künstler in ihrem Bestreben, vorgefundene visuelle Strukturen zu fragmentieren um diese in einem thematisch und räumlich erweiterten Kontext erneut zusammenzubringen.

Während der grafisch bearbeitete Druck vorbeigehende Personen davon abhält, die Arbeiten im Innenraum des Kunstbueros zu sehen, gewährt N.I.C.J.O.B.s zweite Installation in der Kunsthalle 8 BetrachterInnen zwar Einblick in den Raum, jedoch durch eine vergitterte Fensterfront. Im Inneren präsentiert N.I.C.J.O.B. das in s/w gehaltene Video Breaker (2002), in dem ein auf den Kopf gestellter Break-Dancer in Aktion zu sehen ist. Im Video befinden sich im Hintergrund ebenso Gitterstäbe, die jenen am Äußeren der Kunsthalle 8 ähneln, wodurch der Bild- und Videoraum von beiden Seiten begrenzt wird. Die Handlung im Video spielt sich in einer Passage ab, die generell flüchtigen Bewegungen ausgesetzt ist. Durch die Positionierung der Arbeit lenkt der Tänzer nicht nur im Videoraum sondern auch im realen Kunst- und Straßenraum mit seiner Performance die Aufmerksamkeit auf sich. Seine Bewegungen verlaufen kontinuierlich in eine Richtung und erzeugen dadurch einen Malstrom visueller und akustischer Sequenzen. Diese werden von mehreren kurzen Pausen unterbrochen und von den Signaltönen eines Einsatzfahrzeuges begleitet, die die visuelle Sogwirkung verstärken und nach den Credits am schwarzen Bildschirm weiterhin zu hören sind. In ihrer Gesamtpräsentation zwingt die Installation durch ihre doppelte Abkehr von realen und virtuellen Räumen mittels visuellen und akustischen Elementen BetrachterInnen, ihr Begehren zu zügeln und sich den Momenten einer nicht erfüllten Repräsentation zu stellen.

Walter Seidl

only in german

NICJOB 
Installation für das Kunstbuero