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Vom 1. März bis 18. Mai 2008 zeigt der Württembergische Kunstverein Stuttgart mit rund 200 Fotografien die erste umfassende Einzelausstellung des 1971 in Seoul geborenen Künstlers NOH Suntag außerhalb Asiens. NOH zählt zu den avanciertesten Fotokünstlern Südkoreas, dessen Werke dort in den letzten Jahren eine hohe Aufmerksamkeit erregten. Unter anderem nahm er 2006 an der Gwangju Biennale teil. Die Ausstellung zeigt Arbeiten, die zwischen 2000 und 2007 entstanden sind.

Seine meist über Jahre entwickelten Serien aus Schwarz-Weiß- und Farbfotografien beobachten Konfliktsituationen innerhalb der gegenwärtigen koreanischen Gesellschaft. Diese Konflikte gehen zurück auf die Teilung und den Krieg zwischen Nord- und Südkorea, auf die bis in die 1980er Jahre reichenden Diktaturen in beiden Teilen des Landes und – in Südkorea – auf den seit den 1990er Jahren um sich greifenden Turbokapitalismus. Das Bild, das NOH von Korea entwirft, ist das eines permanenten Ausnahmezustands.

NOH, dessen Fotografien in Nord- und Südkorea entstehen, interessieren die Ambivalenzen und Brüche innerhalb und zwischen den beiden Gesellschaften: ihr Spiegelverhältnis, die militärische Präsenz und ideologischen Extreme auf beiden Seiten, das Verhältnis von Individuum und Masse oder die gleichermaßen subtilen wie offen gewalttätigen Situationen, die den Alltag im Süden wie im Norden durchdringen.

Diese Ambivalenz findet ihre Entsprechung in NOHs eigenwilliger fotografischer Ästhetik, die das Dokumentarische mit dem Fiktiven, die Momentaufnahme mit strenger Komposition verbindet. Die harten Kontraste verstärken die Dramatik der meist konfliktgeladenen Situationen, die er ablichtet – eine Dramatik, die zugleich zurückgenommen wird durch die Nüchternheit und Distanziertheit seines Blicks. Die Perfektion des Einzelbildes wird durch dessen Einbettung innerhalb von Serien relativiert. Weit von den Ästhetiken und Strategien der inszenierten Fotografie entfernt, wirken sie dennoch gestellt. Sie erinnern an filmische Szenarien oder wenden Ästhetiken der Modefotografie, ebenso wie Traditionen der pathetischen Landschaftsfotografie an. Es ist gerade diese Nicht-Einordbarkeit und Widersprüchlichkeit, die NOHs Fotografien auszeichnen.

Weitere Standorte

Nach ihrer Stuttgarter Präsentation wird die Ausstellung „NOH Suntag. Ausnahmezustand“ im Frühjahr 2009 in der auf Fotografie spezialisierten Institution La Virreina in Barcelona gezeigt.

Eine kleinere Auswahl der Ausstellung zeigt die Hamburger Galerie art agents im Herbst dieses Jahres.

Werke in der Ausstellung (Auswahl)

State of Emergency, Fotoserie, 2000 – 2007 State of Emergency zeigt Demonstrationen und Ausschreitungen in Südkorea, die im Wesentlichen der Präsenz des US Militärs und dessen Landnahme geschuldet sind. Die damit einhergehende Verdrängung der verarmten Landbevölkerung wird seitens der koreanischen Regierung mit massivem Polizeieinsatz durchgesetzt. Die Radikalität und oftmals gewalttätige Eskalation dieser Konfrontationen rufen nicht selten Erinnerungen an die japanische Besatzung sowie an diverse Enteignungswellen nach dem Koreakrieg (1950-1953) wach. Bildnerisch geht es NOH hier allerdings noch um ein weiteres Phänomen. Die militärische Erziehung der gesamten männlichen Bevölkerung Südkoreas, fußend auf der Imagination einer permanenten Bedrohung aus dem Norden, spiegelt sich im uniformen Auftreten beider Seiten wider: der gepanzerten Beamten ebenso wie der zivilen Gruppen.

Patriotic Road, Fotoserie, 2003 – 2005 Die Fotoserie Patriotic Road greift eine Konfliktlinie auf, die ebenfalls aus der Geschichte Koreas resultiert, insbesondere aus dem brutal geführten Koreakrieg, durch den der Norden, der bis in die 1960er Jahre ökonomisch wie militärisch überlegen war, nachhaltig als massive Bedrohung erlebt wurde. Bis heute werden die Szenarien dieser Bedrohung ideologisch genutzt. Sie führen zu Massendemonstrationen extrem nationalistischer Gruppierungen, die sich jeder Annährung an den Norden Koreas verweigern. Die Vehemenz, mit der dieser Konflikt öffentlich ausgetragen wird, zeigt auch, wie tief er die Gesellschaft im Süden – zum Beispiel zwischen pro- und anti-amerikanischen Positionen – spaltet. Diesem Konflikt entspricht auch, dass die südkoreanische Regierung erst seit Kurzem die Aufhebung eines Gesetzes debattiert, das es verbietet, in jedweder Form positiv über Nordkorea zu sprechen.

Red House I – III, Fotoserie, 2003 – 2007 Die Serie Red House I – III umfasst Schwarz-Weiß Fotografien, die um die Blickverhältnisse zwischen Nord- und Südkorea kreisen. Aufgenommen während einer offiziellen Pressereise durch Nordkorea, zeigen sie in unterschiedlichen Konstellationen, wie Nordkoreaner auf Südkoreaner blicken und umgekehrt. Die Kamera ist dabei stets vermittelnde Instanz: als Filter und Attraktion des Blicks gleichermaßen. Darüber hinaus besteht die Serie aus Farbfotografien, die NOH während eines offiziellen Staatsaktes im Stadion in Pjöngjang aufnahm. Sie zeigen die überwältigenden von Menschenmassen inszenierten Tableaux vivants, welche der Landschaft, den Ökonomien, der Freizeit und militärischen Macht des Landes huldigen. NOHs Fotografien setzen dabei an der Spannung zwischen der perfekten Choreographie und deren Auflösung an.

Forgetting Machine, Fotoserie, 2006 – 2007 Die Serie Forgetting Machine greift Kulturen der Trauerarbeit auf. Unter anderem fokussiert sie in Plastikfolie eingeschweißte Porträts von Toten, die eine Grabstätte zieren. Es handelt sich um die Opfer jener Demonstration gegen die Militärregierung, die 1980 in Gwangju (Südkorea) stattfand und bei der Hunderte meist junger Menschen zu Tode kamen.

Black Hook Down, Fotoserie, 2006 Die Serie Black Hook Down zeigt Aufnahmen des Himmels über Südkorea: Ein Himmel, der von US-amerikanischen Militärhubschraubern durchzogen ist.

Biografie NOH Suntag http://suntag.egloos.com Geboren 1971 in Seoul, lebt in Seoul

Ausbildung Konkuk Universität Hongik Hochschule

Einzelausstellungen (Auswahl) 2007 Red House, Gallery Lotus, Paju 2006 The StrAnge Ball, Shinhan Gallery, Seoul 2004 Smells like the division of the Korean peninsula, Kim‐Young‐Seob Gallery, Seoul

Doppelausstellungen (Auswahl) 2007 Noh Suntag + Sun-mu, Gallery Hogishim, Seoul 2007 Joo Myung-duck + Noh Suntag, Geonhi, Seoul

Gruppenausstellungen (Auswahl) 2007 Art toward the Society, Bandaijima Art Museum, Japan 2007 Gyeonggi, The national road No.1, Gyeonggi-do Museum of Art 2007 The Voyeurs, Trunk Gallery, Seoul 2007 Photography is a response, Okgwa Art Museum, Gwangju 2007 Counterpoint, Coreana Museum of Art Space *C, Seoul und Museum of Contemporary Art, Shanghai 2007 Move, from us to Earth, Coex, Seoul 2007 Surface of War, Museum of Peace, Seoul 2007 Landschaft (Entfernung), Württembergischer Kunstverein, Stuttgart 2007 Comical & Cynical, Dawn Center, Osaka Japan 2007 Political Design & Design of Politics, ZeroOne Design center, Seoul 2006 Asia Art Now, SSamzie Space, Seoul und Arario, Beijing 2006 10 neighborhood, Hwangsaewool photo atelier und GwanHoon Gallery , Seoul 2006 Gwangju Biennale 2006 Labor, Art, Exorcism, Incheon Artcenter, Incheon 2006 Spotlight Woman, Papertainer Museum, Seoul 2006 Yoga & Cofe, ShinHan Gallery, Seoul 2006 A scene so familiar that it seems strange, Arko Museum, Seoul 2006 Circuit Diagram, Songwon Artcenter, Seoul 2006 Spring should be spring for anyone, Space Peace, Seoul 2006 On Difference #2, Württembergischer Kunstverein, Stuttgart 2006 Face of time, time of face, Artspace Hue, Seoul 2006 Shot the Trigger, BB Space, Daejeon 2005 Conjunction Points, Jeollanamdo Provincial Building, Gwangju 2005 Kim In-Kyu, a convicted teacher, and his inculpable friends, Gallery KKot, Seoul 2005 Migrants' Arirang "Living Together", Seoul City Hall Square 2005 Conjunction Point, Jeollanamdo Provincial Building, Gwangju 2004 The Persisting Moment. Okinawa Archipelago and Korean Peninsula, P.S.1, NewYork 2004 Floating Island, Jeollanamdo Shinan-Abpae-Anjua-Palgeum-Amtae-Jawoon Island Round display 2004 For well-deserved freedom... "manifesto", Korea Democracy Foundation, Seoul 2004 Flow AnyangRiver Project, Gallery Stone & Water, AhnYang 2004 The Realing 15 years, Savina Museum, Seoul 2004 Prohibited Imagination, Korea Democracy Foundation, Seoul 2003 ImageAct, Ilju art center, Seoul 2003 Welcome to SSewool, Kwanghwamoon Gallery, Seoul 2003 A Triangle of Records and Memories, Okinawa ‐ Osaka ‐ Tokyo ‐ Seoul Round display

Publikationen 2007 Red House, Chungaram Publishing Co, Korea 2005 Smells like the division of the Korean peninsula, Dangdae press, Korea

Öffentliche Sammlungen National Museum of Contemporary Art, Korea (2007) Daelim Contemporary Art Museum (2007) Peace Museum, Korea (2007) The May 18 Memorial Foundation (2006) Art Bank Korea (2005)