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Im Kreis der Brücke

In dem seit Juni 2012 laufenden Ausstellungszyklus wurden Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff, die Gründer der „Brücke“, einzeln vorgestellt. Die Reihe wird nun fortgesetzt mit einer Ausstellung der Künstler, die später der Gruppe beigetreten sind. Ergänzend wird auch Fritz Bleyl gewürdigt, der zwar zu den Gründern zählt, aber schon nach eineinhalb Jahren ausschied.

Ein Holzschnitt Kirchners aus dem Jahre 1907 listet die aktiven „Brücke“-Künstler in alphabetischer Reihenfolge auf – dies, um die Gleichrangigkeit innerhalb der Gruppe zu dokumentieren. Dabei fällt auf, dass die Liste mit „L. Ziyl, Bussum Holland“ schließt, einem holländischen Bildhauer, dem die Mitgliedschaft angeboten, von ihm aber nicht angenommen wurde. Die Aufnahme in diese Mitgliederliste war also voreilig. Dagegen fehlt in Kirchners Liste der in unserer Ausstellung präsentierte Otto Mueller. Mit ihm kam die „Brücke“ erst 1910 in Verbindung.

Es ist zu betonen, dass sich die Gruppe nie als geschlossener Zirkel verstanden hat, sondern von Beginn an bestrebt war, sich zu vergrößern. Schon im Programm von 1906 ist diese Absicht formuliert: „Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht das wiedergiebt [sic], was ihn zum Schaffen drängt“. Dabei nötigt es größten Respekt ab, mit welcher Weitsicht man bei der Auswahl möglicher Kandidaten vorging. Vor allem ist die Kühnheit erstaunlich, mit der die Aspiranten keineswegs im „Kreis der Jugend“ gesucht wurden, wie das „Brücke“-Programm vorgab, sondern man meist ältere und bereits bekannte Künstler ansprach.

Der erste in dieser Reihe war Emil Nolde. Er war schon 39 Jahre alt, als die damals 21- bis 25-jährigen „Brücke“-Künstler zu ihm Kontakt suchten. Auslöser war eine Ausstellung Noldes im Januar 1906 in der Galerie Arnold in Dresden. Diese veranlasste Schmidt-Rottluff am 4. Februar 1906 zu einem Brief an Nolde mit einer enthusiastischen Huldigung der „Farbenstürme“, verbunden mit dem Angebot, Mitglied der „Brücke“ zu werden. Schmidt-Rottluff betonte dabei, dass es „eine von den Bestrebungen der Brücke ist, alle revolutionären und gärenden Elemente an sich zu ziehen“. Trotz des Altersunterschiedes und seiner schon etablierten Stellung im Kunstbetrieb wurde Nolde kurze Zeit später aktives „Brücke“- Mitglied. Kirchner stellte in der 1913 verfassten Chronik fest: „Seine [Noldes] phantastische Eigenart gab eine neue Note in der Brücke, er bereicherte unsere Ausstellungen durch die interessante Technik seiner Radierungen und lernte die unseres Holzschnittes kennen“. Nolde engagierte sich für die Gemeinschaft vor allem mit dem konstruktiven Vorschlag, Kunstfreunde zur Verbreitung der Basis anzuwerben. Trotz vieler Gemeinsamkeiten zeigten sich nach eigenem Bekunden Noldes bald „Reibungen im Menschlichen und Künstlerischen“, die nach zwei Jahren Zugehörigkeit zur „Brücke“ zu seinem Austritt führten. Er blieb aber den „Brücke“-Künstlern freundschaftlich verbunden.

Max Pechstein (1881–1955)

Nach seiner Schulzeit absolvierte Pechstein eine Handwerkerlehre bei einem Malermeister und besuchte danach die Kunstgewerbeschule in Dresden. Anschließend studierte er ab 1900 an der Akademie der Bildenden Künste und wurde 1903 Meisterschüler von Otto Gußmann. Er erhielt Aufträge u. a. für ein Deckenbild in der 3. Deutschen Kunstgewerbeausstellung Dresden. Während dieser Arbeit lernte er 1906 Erich Heckel kennen, der ihn dem „Brücke“-Kreis zuführte. Pechstein gewann den wohldotierten „Sächsischen Staatspreis für Malerei“ und damit die finanziellen Mittel für seine erste Reise nach Italien. Im Jahr 1907 besuchte er Paris und pflegte dort Kontakt mit den „Fauves“. Die dabei empfangenen Anregungen beeinflussten seine künstlerische Entwicklung ganz wesentlich. Auch mehrere Malaufenthalte ab 1909 in Nidden an der Kurischen Nehrung waren sehr prägend für sein Schaffen. Als Erster aus dem Kreis der „Brücke“ zog er nach Berlin. Sein Werk ist gewissen Schwankungen unterworfen, wobei aber sein spätes Gemälde „Boot bei aufgehender Sonne“ nochmals von der ursprünglichen Ausdrucksstärke zeugt.

Cuno Amiet (1868–1961)

Wenn schon die Kontaktaufnahme zu Nolde von erstaunlicher Kühnheit und großem Selbstbewusstsein zeugte, so gilt dies in weit höherem Maße noch für den Schweizer Cuno Amiet. Die „Brücke“ bewies damit einen umfassenden Weitblick. Amiet arbeitete 1892 in Pont-Avon in der Bretagne, wo noch ein Nachhall vom Schaffen Paul Gauguins zu spüren war; auch hatte er dabei erstmals Bilder von van Gogh und Cèzanne gesehen. Er beteiligte sich 1900 in Paris an der Weltausstellung, anschließend an weiteren bedeutenden Ausstellungen, u. a. in München, Basel und Zürich. 1905 zeigte er Gemälde in der Galerie Richter in Dresden, wo die „Brücke“-Künstler erstmals seinem Werk begegneten. Im September 1906 lud Heckel Amiet ein, Mitglied der „Brücke“ zu werden. Schon wenige Tage später wurde die Aufnahme vollzogen und damit gelang der effektvolle Schritt in den internationalen Bereich. Trotz der erheblichen räumlichen Distanz von Dresden bzw. Berlin in die weit entfernte Schweiz war und blieb Amiet ein engagiertes Mitglied. Er beteiligte sich an allen Ausstellungen, organisierte solche auch für die „Brücke“ in der Schweiz und warb mehrere fördernde Mitglieder an.

Otto Mueller (1874–1930)

Otto Mueller absolvierte nach dem Gymnasium eine Lithographenlehre und besuchte von 1894 bis 1896/97 die Dresdner Kunstakademie. Nach verschiedenen Zwischenstationen zog er1908 nach Berlin. Im Jahre 1910 nahm Mueller an der „Kunstausstellung Zurückgewiesener der Secession Berlin“ im Kunstsalon Macht teil, bei der auch die „Brücke“-Künstler ausstellten. Pechstein hatte sogar das sehr aggressive Plakat gestaltet. Kirchner schrieb in der „Brücke“-Chronik: „In seinem [Muellers] Atelier fanden sie [die „Brücke“-Maler] die Cranachsche Venus, die sie selbst sehr schätzten, wieder“, er fährt fort: „Die sinnliche Harmonie seines Lebens mit dem Werk machte Mueller zu einem selbstverständlichen Mitglied der ‚Brücke’. Er brachte uns den Reiz der Leimfarbe.“ Diese ganz besondere Maltechnik belegt das Gemälde „Waldinneres mit Blume“. Angeregt durch seine frühere Ausbildung als Lithograph schuf er in diesem Medium ein sehr umfangreiches Werk. Dabei haben die Motive aus dem von ihm hautnah erlebten „Zigeunermilieu“ ganz besonders zu seiner Bekanntheit beigetragen. Nach Auflösung der „Brücke“ pflegten alle Gründer der Künstlergruppe weiterhin freundschaftliche Kontakte zu Otto Mueller.

Fritz Bleyl (1880–1966)

Fritz Bleyl war ein Studienfreund Kirchners an der Technischen Hochschule in Dresden. Schon vor Gründung der „Brücke“ zeichneten und aquarellierten die Freunde gemeinsam. Bleyl und Kirchner schlossen im Sommer 1905 ihr Studium mit dem Titel „Diplom Ingenieur“ ab. Kurz vorher hatten sie, zusammen mit einem zweiten, aus Chemnitz gekommenen, Freundespaar, nämlich Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff, die Künstlergruppe „Brücke“ gegründet. Bleyl besaß eine starke typographische Begabung. Davon zeugt eine Reihe seiner Entwürfe für Geschäftsdrucksachen der „Brücke“, die er im Auftrag der Gruppe gestaltete. Auch das wirkungsvolle Plakat für die 1. Ausstellung der „Brücke“ in der Lampenfabrik Seifert in Dresden-Löblau 1906 stammt von seiner Hand. Gemälde von Bleyl sind nicht bekannt, wohl aber zahlreiche Zeichnungen und Aquarelle verschiedener Thematik. Wie erwähnt, schied Bleyl 1907 offiziell aus der „Brücke“ aus. Sein späteres Schaffen hielt nicht Schritt mit der weiteren Entwicklung der expressiven Kunst seiner vormaligen Freunde.