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NORBERT TRUMMER | MARKUS WILFLING. nicht unweit von hier
Vernissage: Sa, 15. Juli um 18:00 Uhr
Zur Eröffnung spricht Günther Holler Schuster, Universalmuseum Joanneum Graz
Ausstellung bis 6. September von Mo-Sa 9-19 Uhr, So nach Voranmeldung

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Nicht unweit von hier
Norbert Trummer und Markus Wilfling in der Galerie Gölles in Fürstenfeld

Zwei Künstler aus der gleichen Generation aber äußerlich mit völlig unterschiedlichen Zugängen zur Kunst treffen in der Ausstellung „Nicht unweit von hier“ aufeinander. Was auf den ersten Blick so unterschiedlich anmutet, weist jedoch gewisse Gemeinsamkeiten auf und gibt dem jeweils anderen neue Perspektiven. Zumindest aber entstehen Betrachtungsweisen, die auf ein Zusammenwirken der beiden Werkansätze zurückzuführen sind.

Der Bildhauer Markus Wilfling beschäftigt sich in seiner Kunst von jeher intensiv mit Gesetzmäßigkeiten der Wahrnehmung, die er ständig durchbricht und so das Publikum an eine Realität heranführt, in der das Vertraute in seiner Ordnung gestört ist. Alltägliche Gegenstände beispielsweise des Haushalts werden plötzlich durch ihre künstlerische Verwendung zu neuen Bedeutungsebenen geführt. Aliberts versinken scheinbar in der Wand, ein anscheinend gelber Plastikeimer entpuppt sich als lackierter Edelstahlbehälter, ineinander verschachtelte Aluminiumprofile erwecken den Eindruck von Schiebetüren. Wie in seinen Schatten- und Spiegelobjekten wird hier die Flüchtigkeit der Illusion zur manifesten Realität. Der Negative Raum bzw. das Nichtsichtbare wird plötzlich erfahrbar – sprachliche Bedeutungsebenen vermischen sich mit visuellen. Naturphänomene werden zu Modellsituationen verdichtet und bekommen den Charakter von Versuchsanordnungen, in denen sich Zwischenräume, Immaterialitäten und physikalische Unmöglichkeiten bzw. Mehrdeutigkeiten manifestieren. Gewohntes bzw. Alltägliches wird zu etwas Besonderem und erinnert in dem Moment, daran unser Verhältnis zur Wirklichkeit neu zu überdenken.

Norbert Trummer reagiert in dieser Ausstellung teilweise auf die Arbeit Wilflings, indem er in dessen Atelier als stiller Beobachter Situationen zeichnerisch festhält. Beiläufige Stillleben, spontane Momentaufnahmen, skulpturale Gebilde, räumliche Konfigurationen werden in Bildern eingefangen. Trummers künstlerische Methode sieht nicht nur die Zeichnung als Endprodukt eines Dokumentationsvorganges vor. Vielmehr beginnt an diesem Punkt eine vehemente Diskussion um das Bild im Allgemeinen. Unterschiedliche Ebenen der Bildproduktion werden auch durch verschiedene Produktionsphasen angezeigt. Zeichnungen werden ausgemalt, Motive werden auf Holztafeln malerisch übertragen. Halbfertig Anmutendes gerät zum eventuell zeitlich zurückliegenden Erinnerungsbild, dem letzte Details fehlen. Jede formale Entscheidung ist dabei auch eine inhaltliche. So erweitert Trummer sein Repertoire, indem er die Zeichnungen ausmalt, sie in Gemälde übersetzt oder manchmal zu Animationsfilmen erweitert.

Für die Ausstellung in der Galerie Gölles hat Trummer auch die Umgebung – die Stadt Fürstenfeld mit ihrem Gewerbegürtel, die Feistritz-Au und das umliegende Grün- und Ackerland – thematisiert. Es ist die Gegend seiner Kindheit. Die Beiläufigkeit der Blickwahl wird durch den formalen Wechsel von der Zeichnung zum Gemälde verändert. Die Dimension des Bildes tritt vor die der Dokumentation. Somit entsteht Reflexion, Bedeutungsebenen verschieben sich und neue Fragestellungen drängen sich plötzlich auf.

Norbert Trummer, genauso wie Markus Wilfling, beschäftigt sich grundsätzlich mit sehr einfachen Dingen und Vorgängen, versuchen jeweils auf unterschiedliche Weise Realität als Konstruktion darzustellen. Dadurch, dass wir mittels Sprache und Bilder die Wirklichkeit beschreiben bzw. abzubilden versuchen, erzeugen wir Realität zu. Die Wahrnehmung und Gestaltung unserer Umgebung und der Dinge die wir täglich verwenden, sind dabei grundsätzliche Abläufe. Allgemeine Gesetzmäßigkeiten von Bedeutungs- und Funktionsweisen relativieren sich und werden durch die künstlerischen Methoden gebrochen, verdichtet und erweitern so das Spektrum der Realitätswahrnehmung, genauso wie sie diese gleichzeitig verunsichern.

Im Dialekt bedeutet „Nicht unweit von hier“ genau das Gegenteil…

Günther Holler-Schuster