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Die Baukunst Galerie präsentiert am Mittwoch und Donnerstag, dem 30. und 31. August 2006 um 21 Uhr eine Uraufführung der Performance „Vier zwei Eins“ von Noritoshi Hirakawa. Der in diesem Kontext produzierte Künstlerfilm wird im Rahmen der Installation bis zum 20. September 2006 zu sehen sein. Begleitend zur Performance ist eine Fotoedition entstanden – ein Portrait der Hauptdarstellerin, die ihren Körper den Blicken des Betrachters zugleich aussetzt und entzieht.

Noritoshi Hirakawa, 1960 in Fukuoka (Japan) geboren, lebt und arbeitet seit 1993 in New York. Seine Arbeiten wurde bereits weltweit in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt – unter anderem im P.S.1 in New York, auf der Biennale in Venedig, im Museo Nacional De Bellas Artes in Buenos Aires, Museum of Fine Arts in Houston, in der Kunsthalle Wien, im Shoto Museum in Tokio, Nederlands Fotomuseum in Rotterdam, SESC in Sao Paulo (BRA), Museum für Moderne Kunst in Frankfurt, Yokohama Museum of Art, in der Kunsthalle Zürich, bei Deitch Projects in New York und zuletzt im ZKM in Karlsruhe. Mittels Photographie, Video, Tanz, Installation und Performance erforscht der Künstler Bestandteile sozialer Strukturen, die allgemein akzeptiert, jedoch selten thematisiert werden. Die beiden zentralen Themen seiner Arbeiten sind Sexualität und Tod und die damit verbundenen Sehnsüchte und Triebe. Dabei ist sein Œuvre vor allem vor dem Hintergrund der Moralbegriffe und Tabus der japanischen Gesellschaft zu lesen.

In der Serie „S“ (1997) fängt er beispielsweise mit der Kamera jene Perspektive ein, die Selbstmörder als letztes Bild vor ihren Augen hatten, z.B. den überwältigenden Blick von einer Brücke in die Tiefe. Auf diese Weise kann der Betrachter jene Ambivalenz zwischen dem erhebenden Moment und der Notwendigkeit der Befreiung von dem Konflikt nachempfinden. Hirakawa, der als Buddhist keine strenge Unterscheidung zwischen Tod und Leben kennt, lässt den Betrachter auf diese Weise das Spannungsverhältnis von Lebens- und Todestrieb (Eros und Thanatos) nachempfinden und bringt somit die moralische Verurteilung von Suizid ins Wanken.

Ähnlich verhält es sich mit den Arbeiten, die sich mit sexueller Identität und Erotik beschäftigen. In der 1998 entstandenen Serie „Reason of Life“ lässt Hirakawa junge Frauen inmitten öffentlicher Plätze mit Hilfe eines Selbstauslösers eine Aufnahme des Blicks unter ihren Rock machen. Dem kulturellen Misstrauen gegenüber der Dominanz des „männlichen Blicks“ setzen diese Bilder die Macht weiblicher Erotik entgegen. Die agierenden Frauen erscheinen selbst als enthusiastische Voyeure ihres eigenen Körpers. In „Garden of Nirvana“ (1997) fordert Hirakawa die weiblichen Ausstellungsbesucher durch ein Schild dazu auf, ihre getragenen Höschen an dafür vorgesehenen Metallständern zu befestigen. Die unausweichliche Konfrontation mit dem Körpergeruch lässt dem Besucher die kulturelle Negation des natürlichen Körpergeruchs durch Hygiene in der westlichen Gesellschaft bewusst werden. In Japan hingegen ist der Fetischismus in Zusammenhang mit getragener, weiblicher Unterwäsche ein gesellschaftlich weit verbreitetes Phänomen.

Noritoshi Hirakawas Arbeiten sind folglich stets das Resultat ganz persönlicher, psycho-soziologischer Studien. Restriktive Moralbegriffe und Tabus werden aufgezeigt und subversiv unterlaufen, um diese ins Bewusstsein des Betrachters zu rufen.

Auch in der Performance „Vier zwei Eins“ beschäftigt sich der Künstler mit einem von der Gesellschaft tabuisierten Thema: dem unbewussten Verlangen zwischen Vater und Tochter. Unter der Oberfläche der alltäglichen Kommunikation entwickelt sich im Verlauf der Handlung auf einer zweiten, unbewussten Ebene ein Dialog von existentieller Bedeutung. Der innere Konflikt der Hauptdarstellerin wird dramaturgisch durch das Erscheinen ihres „spirits“ in Form einer maskierten, nackten Tänzerin inszeniert. Den sexuellen Akt zwischen der jungen Frau und ihrem Freund filtert Hirakawa durch die Kamera und ermöglicht dem Publikum somit eine Annäherung aus ‚sicherer‘ Distanz. Gestik und Mimik werden durch die Improvisationen einer Geigerin musikalisch untermalt. Das Psychodrama nimmt Shakespearsche Dimensionen an, wenn das über alle gesellschaftliche Maße hinausreichende Verlangen Vater und Tochter in Form eines tragischen, unbewußten Schicksals aneinander bindet. Anhand ihrer verzweifelten Versuche, dass richtige Maß für ihr Verlangen zu finden, wird die Problematik menschlicher Existenz verdeutlicht.

Jeden Tag gibt es Momente, in denen wir ein bestimmtes Element unserer Handlungen oder Gedanken nicht mit einem anderen teilen möchten. Mit befreiender Offenheit setzt Noritoshi Hirakawa den homogenisierenden Diktaten der Kultur eine vielschichtige Darstellung persönlicher Sehnsüchte und psychischer Bedürfnisse entgegen.

Pressetext

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Noritoshi Hirakawa
VIER ZWEI EINS
Performance 30. / 31.08.06, 21.00 Uhr