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„Off-Key“: nicht den richtigen Ton treffen oder nicht gut gestimmt sein; eine „krumme“ Art zu spielen, wie sie in bestimmten Jazzkreisen oder im Bossanova zum eigentlichen Thema wurde. Während klassische Musik, Volksmusik und viele populäre Musikrichtungen sich auf eine bestimmte Tonart konzentrieren, kann BeBop beispielsweise jederzeit von einer Tonart zur anderen wechseln.

Der Begriff, den diese Ausstellung voranstellt, bezieht sich auf die Inszenierung von Bedeutung und ihre Verschiebungen, auf das Unerlaubte in den unterschiedlichen Ebenen; den Zerfall, die Kontamination von Bedeutung und deren Pervertierung in Systemen, welche uns als gewiss erscheinen. Ausgehend von bereits existierenden künstlerischen Projekten, welche für diese Ausstellung zusammengebracht werden sollten, wird ein mögliches Konzept der Ausstellung sichtbar – Off-Key.

Als Ausstellung verweist OFF-KEY auf die Aussenseiterrolle, welche Kunst in der Gesellschaft eingenommen hat – in einem gleichzeitigen Prozess der Aneignung durch die Bedürfnisse der Lifestyleindustrie und der demokratischen Legitimierung. Die Marginalisierung des über lange Zeit stetig gewachsenen Einflusses von Kunst als einem Bereich des freien Denkens und der spekulativen Imagination bildet womöglich den Grund dafür, dass heute die Intention eines Ausstellungsraumes, für den Kunst wirksam wird indem sie ihre 'Andersheit' und 'Zwecklosigkeit' aufzeigt, mehr und mehr zu einem Projekt jenseits der Kunst geworden ist. Im Kontext eines 'erweiterten’ Begriffes von Kultur wird von der bildenden Kunst verlangt, auf einem globalen Umschlagplatz von Dokumenten, Fernsehen und anderen Medien zu kommunizieren. Doch welche Art der Kommunikation oder Wissensübermittlung kann hierbei tatsächlich stattfinden? Folgt Kunst einer Bestimmung, etwas zu bedeuten? Oder verlangt sie vielmehr ihre eigene Art des Ausdrucks? In der Ausstellung OFF-KEY haben wir es mit Werken zu tun, welche es ablehnen, gegenüber den vorherrschenden sozialen und politischen Nützlichkeitsforderungen ihre Existenz zu rechtfertigen. Innerhalb jenes hyper-kapitalistischen Kontexts, der jede Erfahrung zu einer Ware reduziert, für die es zu bezahlen gilt, verbinden sich diese Kunstwerke zu einer Position der Verweigerung. Oszillierend zwischen dem Physischen und dem Konzeptuellen erschaffen und erarbeiten sie temporäre Welten, die Abstand nehmen zu einem Netzwerk der ständigen Vermittlung, indem sie eine Distanz und eine tatsächliche Andersheit erzeugen, welche die vertraute Kommunikation überschreitet.

Die Ausgangssituation ist ein hintergründiges Werk, welches die erwartete neutrale Architektur der Kunsthalle zumindest in einigen Räumen verändert. Backdrop/Galerie Max Hetzler (detail) von Gaylen Gerber und Stephen Prina lenkt den Blick auf die Kunsthalle als Platz resp. Grundstück für Ausstellungen und ist gleichzeitig selber Hintergrund für diese Ausstellung. In Come to Your Own arbeitet Knut ?sdam mit der Sprache des Hypnotiseurs, doch bezeichnenderweise mit jener am Ende der Session, wenn die behandelte Person aus ihrem veränderten Zustand erwachen muss. Seine Stimme gebietet fortwährend, in die eigene Bewusstseinssphäre zurückzukehren. Das Video Almost Every City in the World von Mike Bouchet ist eine Auflistung aller Grossstädte, Städte, Dörfer oder Gebäudeansammlungen, in welchen Menschen leben oder arbeiten, sie werden in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet wie im Abspann eines Filmes. Ivan Grubanov zeigt Visitor, eine Serie von Zeichnungen, welche während des Milosevic Tribunals in Den Haag entstanden. In manchen Europäischen Gerichtssälen ist es verboten, zu zeichnen und in fast allen Gerichtssälen ist ebenfalls Fotografieren verboten. Der Künstler, welcher eine „visitor’s card“ hatte, machte die Zeichnungen im Gerichtssaal in einem Zeitraum von zwei Jahren, obwohl er mit seiner „visitor’s card“ die Bewilligung dafür nicht hatte. Stefan Brüggemann eignet sich die Sprache der konzeptuellen Kunst an als einen Stil, den er gleichzeitig wieder untergräbt. Er bildet Textstücke, welche als Fussnoten für die Räume der Kunsthalle funktionieren. Diese schaffen durch ihren Verweis auf die Populärkultur einen satirischen Blick auf die Arbeitsweisen der Konzeptkunst. Suchan Kinoshitas Arbeit lädt ein, Brücken zu schlagen zwischen Theater und Kunst. Die Betrachter nehmen teil an Erfahrungen, welche auf Bewegung, Raum und Zeit reagieren. Durch ihre Interventionen macht Suchan Kinoshita die bestehenden architektonischen Gegebenheiten des Raumes wirksam und leitet unmerklich als Choreografin die Handlungen und Sinneswahrnehmungen der Besucher. Ein Jogger wurde eingeladen, für die Zeitdauer der Ausstellung seine gewohnte Route abzuändern und den Ausstellungsraum als Intermezzo darin zu integrieren. Der Jogger behält sein Lauftempo und passiert dabei die Ausstellung. Pamela Rosenkranz arbeitet mit Bild und Sprache, sie untersucht die Möglichkeiten der Pantomime sowie die Bewegtheit im Begriff des Lesens.

Rosenkranz befasst sich mit den Übergängen von der Rede zum Diskurs, von der Zeichnung zum Motiv auf eine Weise, die es uns verunmöglicht, ihre Kunst im Dienst eines Diskurses von Rechtfertigung zu betrachten. Es scheint, dass Rosenkranz das Thema einer Verschiebung der Sprache von ihren literarischen oder metaphorischen Inhalten aufnimmt, ohne aber die Rückkehr zu einer poetischen Ästhetik oder naiven Romantik zu vertreten. Pavel Büchler befasst sich mit der Auflösung von Sprache; er betrachtet kritisch die Lücken in unserer Kommunikation, indem er die Grenzen der kommunikativen Möglichkeiten einer visuellen Sprache aufzeigt. Gert Verhoeven hat die Idee des öffentlichen Brunnens dekonstruiert indem er ihn verkleinert zurück in den künstlerischen und häuslichen Kontext stellte. Der Brunnen wird gurgeln und schwarzes Wasser verspritzen und damit fortwährend seine Position als Kunstwerk und sein Eingreifen in die Umgebung kundtun.

Die Werke innerhalb der Ausstellung weisen auf die Möglichkeit des Unerlaubten, des Ungewohnten in verschiedenen, von uns aus lauter Gewohnheit als gegeben betrachteten Situationen hin. Der Begriff der Abweichung erklärt sich von selber, wenn man betrachtet, auf welche Weise sich die Kunstwerke in diesem Kontext verhalten.

Pressetext

only in german

Off Key

mit Knut Asdam, Stefan Brüggemann, Pavel Büchler, Gaylen Gerber / Stephen Prina, Ivan Grubanov, Suchan Kinoshita, Pamela Rosenkranz, Gert Verhoeven, Mike Bouchet