press release only in german

Eröffnung 16. März2017, 19 Uhr

Jakob Lena Knebl und die mumok Sammlung

Auf Schubladendenken lässt sich die Künstlerin Jakob Lena Knebl (*1970, Baden) nicht ein,weder im Leben, noch in der Kunst. Entsprechend freigeht sie auch die Neuaufstellung der Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst im mumok an, die sie ab 17. März 2017 auf zwei Ebenen gemeinsam mit eigenen, neu konzipierten Arbeiten und Mut zum Exzentrischen präsentiert.

Unter dem Titel Oh…verweist Knebl auf den Überraschungseffekt, der sich bei einem tiefergehenden, aufmerksamen Blick unter neuen Voraussetzungen einstellt. Die Künstlerin studierte bei Heimo Zobernig an der Akademie der bildenden Künste Wien textuelle Bildhauerei und bei Raf Simons an der Universität für angewandte Kunst Wien Mode. Ihre eigene Arbeitwie auch die Neuaufstellung der mumok Sammlung sind von dieser Verschränkung ihrer Interessensgebiete mit all ihren ästhetischen und theoretischen Implikationen und deren identitätsbildendenAuswirkungen geprägt. Die Ausstellung gestaltet sie als atmosphärische Begehrensräume. In diesen Räumen, dieals permanente Herausforderung der Betrachter_innen konzipiert sind, wird eindeutige Zuschreibungerschwert:Momente der Klarheit wechseln sich mit Ungewissheit über Funktion und Zuordnung der präsentierten Objekte ab. Die Felder Kunst, Design undMode tauschen beständig ihre Positionen. Entsprechend könnte die Erwiderung der Besucher_innen auf Knebls Ausruf „Oh…“ ein erkennendes „Aha!!“ sein.

Im mumok richtet Knebl ihr Interesse auf die klassische Moderne ebenso wie auf die 1970er-Jahre,eineEpoche der Utopien, gesellschaftlichenVisionen,aber auch sexuellenExperimente. Auf einer der zwei ihr zur Verfügung stehenden Ebenen präsentiert die Künstlerin drei der für sie charakteristischen raumgreifendenInstallationen, in denen sich Objekte des InteriorDesignundWohnlandschaften der Zeit mit ihren eigenen Werken verbinden. „Knebls Installationen haben uns bisher in ein dicht verwobenes Geflecht verwickelt, wenn sieetwain einer neuen Konstruktion die revolutionäre Arm-Candy-TaschevonChanel, die der Trägerin freie Hand ließ, mit Garderobenständern zusammenbringt, die Roland Rainer für die Wiener Stadthalle entworfen hatte. Auch im mumok dekonstruiert Kneblund sucht neue Formen und Zusammenstellungen“, beschreibt Susanne Neuburger (Sammlungsleitung mumok) den Arbeitsstil der Künstlerin. Kneblnutzt formalästhetische Charakteristika aus Design und Kunst, um sich in deren Codes und sozialen Konnotationen neu einzuschreiben. Ihre eigene Person spielt dabei eine zentrale Rolle. Sie integriert sich stets selbst,wenn siebeispielsweiseihren Körperin diverse Designobjektetransformiert. So trat sie bereits als Paraphrase eines der berühmtesten Kleider der 1960er-Jahre, dem von Yves Saint Laurent entworfenen Mondriankleid auf, oder inszenierte sich mit Versatzstücken des legendären Memphis Designs der 1980er-Jahre als überquellenden Leib.

„Mit den für das mumok vorgesehenen Rauminstallationen und deren speziellerGestaltung möchte ich herausarbeiten, wie sich kulturelle Ästhetiken auf Begehren und Identität auswirken“, sagtKnebl. „Ich möchte die Betrachter_innen in ein Spiel verwickeln, in dem sie immer wieder vor die Frage gestellt werden, was es für ihr Selbstbild und ihre Selbstinszenierung bedeutet, wenn sie sich mit bestimmten Designobjekten umgeben, was ihr Kleidungsstil über gesellschaftliche Rollenbilder aussagt. Es ist mir wichtig zu zeigen, dass jene Prozesse als Körpererweiterungen auch im Kontext der Kunst eine bedeutende Rolle spielen, wenn sich beispielsweise Sammler_innen durch die von ihnen gesammelten Werke inszenieren und definieren.“

Die großen männlichen Künstlerheroen verbannt Knebl aus dem Raum an die Wand und verarbeitet ihre Werke in einem ornamentalen Tapetenmuster. Sie behandelt sie als Form-und Designelemente, die als Wandschmuck ein stimmiges Muster ergeben. Weniger bekannte weibliche Positionen oder Arbeiten der Art Brut rückendagegenin das Zentrum der Aufmerksamkeit –nicht zuletzt durch überdimensionale, im Raum verteilte zeigende Hände, die plakativ auf die Umkehrung der Werte hinweisen. Darüber hinaus nimmt Knebl Skulpturen von Alberto Giacometti oder Henry Moore ihre Schwere, indem sie diesealsSchaufensterpuppen verwendetund inOutfits einer vom Wiener Label House of the very Island’s Club Division Middlesex Klassenkampf But the Question is Where are You, Now? für die Ausstellung entwickelten Capsule-Kollektioneinkleidet.

Auf der zweiten von ihr bespielten Ebene richtet KneblihrenBlick auf die Vielzahl der Bezüge, dieArbeitenaus der mumok Sammlung zu Einrichtungsästhetikenunterhalten. All jene Werke, die in Bezug zu Möbeln, Kleidern und Einrichtungsgegenständen stehen, fügt sie gemeinsam mit Kuratorin Barbara Rüdiger zu einer riesigen Wohnlandschaft zusammen. „Wir haben nach einem Ordnungskriterium gesucht, durch das wir nicht nur die mumok Sammlung unter neuen Aspekten präsentieren, sondern auch Knebls eigene Vermittlungsfunktion zwischen Kunst und Design darstellen können. Begehren, Sexualität, Körperbilder sind zentrale Themen, an denen wir uns orientiert haben. Aus der Perspektive von Knebl gewinnen weder Kunst noch Design die Oberhand. Beide werden gleichwertig behandelt. Es geht uns um die verbindenden Elemente, nicht um eine dogmatische Grenzziehung“, erklärt Rüdiger das Wohnzimmerambiente aus Werken der mumok Sammlung. Auch hier behandelt die Künstlerin die für sie zentralen Fragen nach der Rolle von Form und Design unddiedadurch hervorgebrachtenBedeutungen im Spannungsfeld der bildenden Kunst. Geordnet nach der Verwendbarkeit als Innenausstattung, richtet sie das mumok für die halbjährige Laufzeit der Ausstellung wohnlich ein.

Konzipiert von Jakob Lena Knebl.
Kuratiert von Barbara Rüdiger und Susanne Neuburger