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Eröffnung am 22.8.08, 19 Uhr

Der Titel der Ausstellung The Soliloquy of the Broom/Selbstgespräch eines Besens des Künstlers Olivier Foulon (*Brüssel, 1976) schwebt zwischen Make-up, Maskerade und Malerei. Im Zentrum steht das Gemälde Jo, the Beautiful Irish Girl von Gustave Courbet, das der französische Maler 1865 in Trouville fertigte. Zu sehen ist eine Dame namens Jo, Geliebte und Modell des Künstlers James Whistler, die sich und ihr Haar im Spiegel betrachtet. Aufgrund großer Nachfrage kopierte Gustave Courbet dieses Bild mehrfach. Die vier Versionen befinden sich heute im Metropolitan Museum, New York, dem Nelson-Atkins Museum, Kansas City, dem Nationalmuseum, Stockholm und einer Privatsammlung. In einem 16mm Film hat Olivier Foulon die vier Bilder zusammengeführt und arbeitet mit der Idee des ¨Modells als Vorlage für ein Gemälde, welches selbst zum Modell wird¨ und veranschaulicht mit diesem Projekt frühe Formen einer künstlerischen Massenproduktion.

Eine Publikation, die von Gevaert éditions verlegt wird, ist zweiter Teil der Ausstellung. Olivier Foulon wählt aus einem Onlinearchiv drei Texte der Kunstzeitschrift Artforum International aus dem Jahr 2005 über den Künstler Michael Krebber aus und veröffentlicht sie neu. Die Texte wurden bereits auf dem Weg von Druck- zu Online-Format von den ursprünglich begleitenden Illustrationen und Abbildungen, dem „Bild-Make-up“, bereinigt und mit dem lakonischen Hinweis „illustration omitted“ versehen.

In beiden Arbeiten hinterfragt Foulon die Bedeutung und Funktionsweise der persönlichen Handschrift eines Künstlers. Indem Gustave Courbet seine eigenen Bilder kopiert, stellt er die Idee der Künstler-handschrift genauso in Frage, wie Michael Krebber in seiner Arbeit.

Olivier Foulon ist ein Künstler, der in seinem Werk Anordnungen schafft, in denen Kunst-geschichte neu verhandelt und gelesen werden kann. Seine konzeptuelle Arbeitsweise basiert auf der Aneignung und dem Spiel mit spezifischen historischen Vorlagen. Er beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Original, Kopie und Reproduktion und mit der Lesart und Präsentation von Kunstwerken sowie der Rolle des Künstlers darin. In Form jährlich wechselnder Ausstellungen gibt die Reihe Der springende Punkt Einblick in Archive von Institutionen oder Personen, die wichtige Anknüpfungspunkte für die kuratorische Arbeit bieten. Ausgangspunkt für die Recherche Foulons war das Marcel Proust-Archiv von Prof. Dr. Reiner Speck.

Olivier Foulon wurde im Jahr 2005 mit dem renommierten Prix de la jeune peinture belge ausgezeichnet, im gleichen Jahr erhielt er ein Arbeitsstipendium des Projekts JUST in Düsseldorf. Er studierte Freie Kunst an der Brüsseler Ecole de Recherche Graphique, war anschließend Atelierstipendiat an der Jan van Eyck Academie in Maastricht und lebt und arbeitet in Berlin seit 2007. Zuletzt waren Olivier Foulons Arbeiten in Einzelausstellungen unter anderem im Museum X/Museum Abteiberg Mönchengladbach, Galerie Dépendance, Brüssel (2007), Galerie Nadja Vilenne, Liège (2005) und dem Marres Center for Contemporary Art, Maastricht (2004) zu sehen. Er nahm an Gruppenausstellungen unter anderem im Musée Malraux, Le Havre (2008), Museum Sztuki, Lodz (2007) Palais des Beaux-Arts, Brussels, Casino Luxembourg (2005) oder Generali Foundation, Wien (2004) teil.

Wir bedanken uns für die gute Zusammenarbeit mit dem Metropolitan Museum, New York, Nelson-Atkins Museum, Kansas City, Nationalmuseum, Stockholm und bei Sotheby´s Köln/New York. Die Ausstellung ist eine Koproduktion des Kölnischen Kunstvereins und dem Projekt If I can´t dance, Amsterdam. Weiterer Veranstaltungshinweis: Zu Gast im Kölnischen Kunstverein 1. Nachwuchskolloquium der Marcel Proust Gesellschaft e.V. Proust und der Körper im Theatersaal der Brücke Samstag, 6.09.08, 10-18 Uhr Sonntag, 7.09.08, 10- 14 Uhr Bei der Suche nach neuen Kategorien zur Analyse der Körperentwürfe in Marcel Prousts Jahrhundertroman A la recherche du temps perdu fallen auf den ersten Blick eine Reihe prägnanter Szenen und Bilder ins Auge, bei denen Wahrnehmungsmuster der Dynamisierung, der Unschärfe sowie der Fragmentierung von Bedeutung sind: Ob es sich dabei um die Schar junger Mädchen handelt, deren Körper scheinbar konturlos ineinander fließen, um den nicht mehr erkennbaren Körper des fliehenden Saint-Loup oder aber den berühmten Hals von Albertine. Die ästhetische Spannung von Form und Formauflösung verweist vor dem Hintergrund philosophischer Konzeptionen auf Faszinationsmuster von Raum und Zeit, die emblematisch sind für einen modernen Zugang zum menschlichen Körper und auf theoretische Überlegungen Henri Bergsons bezogen werden können. Die Bewegung des Körpers bzw. die Raum-Zeitlichkeit schlechthin, die Bergson in seinen Werken theoretisiert, kann als ein möglicher Schlüssel angesehen werden, mit dem Prousts dekompositorische Verfahrensweisen analysiert werden können. Ausweiten ließe sich die Ästhetik der Formauflösung auch auf den Text-Körper der Recherche, hat doch Prousts "Schreiben ohne Ende" ein Werk hervorgebracht, dessen Formen alles andere als deutlich markiert sind. Bis zu seinem Tod wächst das Corpus von innen heraus durch die unzähligen Ergänzungen, die Proust an die Textränder seines Lebenswerks anfügt. Die angedeuteten Begriffe Form und Formauflösung sowie Unbestimmtheit und Flüchtigkeit verstanden als konzeptuelle Figuren der Ver-Körperung begründen nicht zuletzt Prousts Modernität, weshalb eine Suche nach dem corps perdu im Netz der Diskurse stellvertretend geltend gemacht werden kann für das gesamte ästhetische Faszinationspotenzial der Recherche.

Kontakt/Anmeldung: mm@dmpg.de

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Olivier Foulon
The Soliloquy of the Broom/Selbstgespräch eines Besens
Ausstellung in der Archivreihe Der springende Punkt
im Seminarraum, 2. Obergeschoss der Brücke
Kuratoren: Kathrin Jentjens, Anja Nathan-Dorn