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10. Juni – 19. November 2023

OUT OF THE BOX

Dieses Jahr überrascht das Schaulager mit einer umfangreichen Gruppenausstellung, denn es gibt Grund zum Feiern: Das Schaulager wird 20 Jahre jung. Präsentiert werden Werke, die mehrheitlich in den vergangenen zehn Jahren in die Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung eingegangen sind. Ein Fokus liegt auf zeitbasierten Medienwerken.

OUT OF THE BOX – der Ausstellungstitel ist seit 20 Jahren Programm des Schaulagers. 2003 mit der Idee gegründet, die Lagerung und das Sichtbarmachen zeitgenössischer Kunst zu vereinen, werden die Werke der Emanuel Hoffmann-Stiftung seitdem unverpackt und installiert im Schaulager aufbewahrt, wenn sie nicht in Ausstellungen im Kunstmuseum Basel oder in Museen überall auf der Welt gezeigt werden. Der neue Gebäudetypus wurde dazumal mit dem international renommierten Architekturbüro Herzog & de Meuron entwickelt und realisiert. Heute hat das Schaulager nicht nur viele andere Institutionen mit dieser visionären Idee inspiriert, sondern auch international seinen Platz als Forschungsinstitution, Lager- und Ausstellungsraum etabliert. Somit bringt der Ausstellungstitel OUT OF THE BOX Konzept und Ursprungsidee des Schaulagers, beides heute noch genauso aktuell wie vor 20 Jahren, treffend auf den Punkt.

OUT OF THE BOX ist aber auch ein Hinweis auf die sich stets weiterentwickelnden Bedingungen zeitgenössischer Kunst. «Box» steht dabei synonym für «Raum» und thematisiert eine Komponente, die für die Vorgehensweise zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler grundlegend ist. Gerade bei zeitbasierten Medienwerken ist der Raum, in dem das Werk präsentiert wird, ein wesentlicher Bestandteil, der von den Künstlerinnen und Künstlern schon während des Entwicklungsprozesses des Werks mitgedacht wird: Ohne Raum kann ein Werk nicht gezeigt werden, er prägt das Werk, selbst wenn das, was die bewegten Bilder zu sehen geben, an sich immateriell ist und meist nur als File auf einem Datenträger Platz findet. Der Raum ist werkimmanent und wird jedes Mal, wenn die Arbeit präsentiert wird, sorgfältig definiert und den Gegebenheiten und Vorgaben angepasst. Solche massgeschneiderten Räume sind entsprechend individuell, ähnlich wie ein auf Körpermass geschneidertes Kleidungsstück.

Die umfangreiche Gruppenausstellung erstreckt sich über die zwei grossen Ausstellungsebenen. Gezeigt werden grossformatige zeitbasierte Medienwerke und neueste Zugänge der Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung, die der Öffentlichkeit teils zum ersten Mal im musealen Kontext einer Ausstellung präsentiert werden. Rund 25 künstlerische Positionen werden mit einer Fülle von Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen, Video- und Filmarbeiten sowie Fotos vertreten sein.

Jedes Werk ist einzigartig und hat seine eigene Geschichte innerhalb der Sammlung, aber besonders hervorzuheben ist etwa die komplexe Audio- und Videoinstallation Ravel Ravel (2013) des albanischen Künstlers Anri Sala, die nach der Uraufführung des Werks an der Biennale Venedig 2013 erworben wurde. Für OUT OF THE BOX hat Sala entschieden, aufgrund der zu geringen Deckenhöhe im Schaulager die Installation in der Version Ravel Ravel Interval (2017) zu präsentieren, die den räumlichen Gegebenheiten angepasst ist. Inhaltlich beschäftigt sich das Werk mit Maurice Ravels Musikkomposition Concerto pour la main gauche (1921–1931). Er hatte das Stück im Auftrag von Paul Wittgenstein komponiert, der als Folge einer Kriegsverletzung im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hatte.

Von der britischen Künstlerin Tacita Dean wird die grosse Wandtafelzeichnung
Inferno (2019), die übermalte Fotografie Purgatory (Threshold) (2020) und der 35-mm-Film Paradise (2021) gezeigt. Alle drei Werke sind im Rahmen von «The Dante Project» (2021) entstanden, einem künstlerischen Gemeinschaftswerk zwischen dem Choreografen Wayne McGregor, dem Komponisten Thomas Adès und Tacita Dean. Basierend auf diesen Werken gestaltete Dean das einzigartige Bühnenbild und die Kostüme für die Ballettinszenierung zu Dantes Göttlicher Komödie. Das Auftragswerk ging aus der Koproduktion des Royal Ballet in London mit dem Ballett der Pariser Oper hervor und erlebte im September 2021 in London eine triumphale Erstaufführung.

David Claerbout dagegen konfrontiert das Publikum mit einer Illusion. Zu sehen ist ein Waldbrand, dessen Ausmass trotz der virtuellen Welt, in der sich das Inferno abspielt, erschreckend ist: Das Schauspiel sieht der Realität zum Verwechseln ähnlich, ist allerdings komplett digital konstruiert. Bereits 2017 zeigte das Schaulager mit der Grossprojektion Olympia (The real time disintegration into ruins of the Berlin Olympic stadium over the course of a thousand years) (Start 2016) von David Claerbout eine Reflexion über Zeit und Wahrnehmung, die in Wildfire (meditation on fire) (2019–2020) eine dramatische Steigerung nimmt.

Einer der neusten Zugänge in die Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung ist eine Werkgruppe der schwedischen Künstlerin Klara Lidén. Der Raum und die Positionierung des eigenen Körpers in der Umgebung sind wichtige Themen in ihren Arbeiten: In der Medieninstallation Closer Now (2022) etwa zeigt sich die Künstlerin selbst in einem Video, wie sie mit Purzelbäumen so linkisch wie stoisch eine enge Seitenstrasse hinunterkugelt. Zur Installation gehören ausserdem aufgehängte Kartonboxen, die um die eigene Achse rotieren und damit die rollende Bewegung des Körpers auf der Strasse aufnehmen. Im Video You’re all places that leave me breathless (2020) dagegen klettert Lidén wie schwerelos über ein Baugerüst, das um sie selbst zu drehen scheint.

Regelmässige Besucherinnen und Besucher der vergangenen Ausstellungen im Schaulager werden auf Werke von Künstlerinnen und Künstlern stossen, denen hier grosse monografische Ausstellungen gewidmet wurden; so etwa Monika Sosnowska, deren zerknickte Würfelskulptur den Raum beherrscht, oder aber Dieter Roth: Mit einer Retrospektive zu diesem Universalkünstler wurde das Schaulager vor 20 Jahren eröffnet. Passend zum Jubiläum wird im Juni auch eine neue Schaulager-Publikation erscheinen, die dem Werk Selbstturm; Löwenturm (1969/1970–1998) in der Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung gewidmet ist und deren Gestaltungskonzept der Künstler Peter Fischli entworfen hat. Letzterer zeigt in OUT OF THE BOX verschiedene Werke, teils aus der Zeit des Künstlerduos Fischli/Weiss, aber auch neueste Werke als Solokünstler, darunter eine 2023 entstandene Skulpturengruppe, die zum ersten Mal in einer Museumsausstellung präsentiert wird. Weitere Werke von Thomas Demand, Gina Fischli, Robert Gober, Rodney Graham, Gary Hill, Jean-Frédéric Schnyder, Jane & Louise Wilson u.a. vervollständigen die Schau zum 20-jährigen Bestehen des Schaulagers.

OUT OF THE BOX lädt ein, sich auf vergnügliche und nachdenkliche Art mit der Kunst unserer Zeit auseinanderzusetzen und Themen, die uns heute bewegen, neu zu betrachten. Es lohnt sich, sich gerade bei den Medienwerken etwas mehr Zeit zu nehmen. Um das zu ermöglichen, berechtigt das Ausstellungsticket zum dreimaligen Eintritt in die diesjährige Ausstellung.