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Die Ausstellung paint versteht sich als Nachfolge zu der 2001 realisierten Ausstellung Zurich - urban diary. Erneut wird das kuenstlerische Umfeld, in dem die eigene galeristische Arbeit und deren Rezeption verortet ist, thematisch. Im Unterschied zu Zurich - urban diary fokussiert die jetzige Ausstellung das Medium der Malerei und deren Grenzbereiche. Diesem erweiterten Malereibegriff und dem Einbezug verschiedenster malerischer Positionen wird durch den Titel paint - Farbauftrag im weitesten Sinne - Rechnung getragen. So wird es moeglich, neben paintings auch dreidimensionale Objekte, Mischformen zwischen Zeichnung und Malerei sowie Raumeingriffe in die Praesentation einzubeziehen.

David Chieppo (1973) ordnet seine kleinformatigen figurativen Bilder zu ganzen Bildkosmen, in denen die einzelnen Arbeiten dialogisch aufeinander verweisen. Als Referenz dient ihm vorgefundenes Bildmaterial oder die eigene Biographie. Diese stellt einen unerschoepflichen Fundus an Erinnerungen und Assoziationen bereit, die intuitiv und in kritischer Selbstbespiegelung zu meist narrativen Bildfolgen verknuepft werden. Im Gegensatz zum subjektiven Malgestus von Chieppo zeichnet sich das figurative Werk von Stefan à Wengen (1964) durch eine Versachlichung des Bildgegenstandes aus. Verlassene Huetten oder desolate Haeuser werden in der Art eines dokumentarischen Realismus wiedergegeben. Dieser wird durch den Einsatz meist duesterer Grau- und Brauntoene und die Abwesenheit der menschlichen Figur wieder unterwandert. Leere und Oednis werden soweit radikalisiert, dass sie zur bildlichen Metapher des Unheimlichen und nicht Entschluesselbaren werden. Andreas Dobler (1963) baut in seinen Bildern extraterrestrisch wirkende Raeume, deren Fiktionalitaet u.a. auf dem Ausserkrafttreten der Schwerkraft beruht.

Gemalte Styropor-Elemente werden zu architektonischen Strukturen angeordnet, aus denen offene, meist zentralperspektisch angelegte Bildraeume resultieren. Doblers oft als psychedelisch bezeichnete Kompositionen lassen sich auf seine eigene, intensive Beschaeftigung mit Musik zurueckfuehren, referieren aber auch auf die in der russischen Avantgarde proklamierte Materialisierung des Klanges in der Malerei (in der Ausstellung ist auch eine aus Elektrogitarren bestehende Skulptur Doblers zu sehen). Ebenso erzeugt Markus Weiss (1963) in seinen grossformatigen Bildern fiktionale Landschaften, die von einem 3D-Programm oder durch die digitale Manipulation von Fotografien erzeugt werden. Auch die Vorzeichnung wird mittels computergesteuertem Airbrush angefertigt und dient als skizzenhafte Vorlage zu einer halluzinativen, weil raum- und zeitentgrenzenden Oelmalerei. Anders als Weiss setzt Annelise Coste (1973) Airbrush als prinzipielle Technik fuer ihre zwischen ecriture und peinture changierenden Farbblaetter ein. Satzreihen, Namen und Wortspiele wirken aufgrund ihres spontanen und zeichenhaften Duktus zunaechst wie tagebuchartige Notate. Andererseits setzt Coste die Schrift als formales Mittel zur horizontalen Gliederung der Bildflaeche ein. Durch das Durchstreichen und sich Ueberlappen der Woerter entsteht eine Tiefenwirkung, die - durch farbliche Akzentuierung einzelner Buchstaben verstaerkt - rhythmische Bildkompositionen bewirkt. Von einer Zeichenhaftigkeit laesst sich auch im Hinblick auf die in kuenstlichen Farben gehaltenen Acryl-Bilder von Hanspeter Hofmann (1960) sprechen. Feine Liniengeflechte erzeugen zellartige Strukturen, die sich endlos zu vermehren und den Bildkosmos zu bevoelkern scheinen. Diesem metastaseartigen Wuchern setzt Hofmann Schriftelemente entgegen, die als Horizontale und Vertikale eine Geometrisierung der Flaeche bewirken. Waehrend Hofmann einem Wissenschafter gleich die Malerei als Form des Denkens bezeichnet, negiert Markus Gadient (1958) diese diskursive Ebene zugunsten einer reinen Lust am Malen. Aehnlich wie Hofmann erzeugt er in seinen Landschaften unterschiedliche Bildebenen, setzt aber im Unterschied zu diesem figurative Bildelemente gegen abstrakte ab. Die dadurch entstehende Tiefenwirkung wird durch gestische Uebermalungen wieder in Frage gestellt, ausufernde Baumlandschaften werden durch abstrakte Flaechen und Formen in den Bildraum zurueckgedraengt. Den nuancierten Farbimplosionen Gadients setzt Lori Hersberger (1964) eine hauptsaechlich auf fluoreszierende oder wenige Grundtoene reduzierte Farbpalette entgegen. Hersberger, der seine Bilder als Anti-Landschaften charakterisiert, sieht sich der Abstraktion verpflichtet, unterwandert deren Anspruch auf das Sublime jedoch durch die grelle Vulgaritaet seiner Farben und die Verwendung trashiger, der Popkultur entlehnter Bildtitel. Auch belaesst es Hersberger nicht bei der Beschraenkung auf den klassischen Bildraum, sondern bricht aus diesem durch den Einbezug des raeumlichen Kontextes im Sinne einer installativen Malerei aus. Ebenso raumgreifend verstehen sich die aus mehreren, an die Wand gelehnten Einzelplatten bestehenden Bilder des Kuenstlerduos Lutz/Guggisberg (1968/1966). Als multitalentierte Freibeuter bewegen sie sich neben anderen kuenstlerischen Gebieten auch auf dem Feld der Malerei als gewitzte, an Brechungen und Verdrehungen interessierte Akteure. Die mit diversen Materialien beschichteten Bild-Platten dienen als hintersinniger Ersatz fuer die klassische Bildtafel und sind in ihren Dimensionen so konzipiert, dass sie im Raum herumgetragen und beliebig neu plaziert werden koennen. Wie Lutz/Guggisberg weist sich auch Franziska Koch (1966) nicht als dezidierte Malerin aus, obwohl sich ihre Videoinstallationen als eine medienuebergreifende Auseinandersetzung mit einem Topos der Malerei - dem Schatten - verstehen. Neben den Videoarbeiten realisiert die Kuenstlerin auch reine ortsspezifische Malereien, in denen das Filmische nur eine untergeordnete Rolle spielt - Schatten werden im Sinne einer Vorzeichnung mit Video projiziert und dann ausgemalt - oder der Schatten wird soweit reduziert, dass die Gegenstaende nur noch durch ihre konturenhaften Umrisse erkennbar sind. Ebensowenig versteht sich Markus Mueller (1970) als Maler. Dennoch liegen seinen dreidimensionalen Objekten die fuer die Geschichte der Malerei zentralen Kategorien von Sein und Schein zugrunde. Seine aus armen Werkstoffen hergestellten Skulpturen geben in ihrer Oberflaechenbeschaffenheit vor, naturgetreu die Materialitaet des Gegenstandes zu spiegeln. So in einer in der Ausstellung gezeigten, aus Ast und Stein bestehenden Skulptur. Ihre Bemalung suggeriert auf den ersten Blick eine typische Holz- und Steinmaserung, erweist sich aber bei naeherem Hinsehen als ironische Brechung. Ausserdem wirkt die Skulptur durch ihre Ueberdimensionalitaet eher wie ein Mutant, der jeden Versuch einer abbildhaften Wiedergabe ad absurdum fuehrt.

Birgid Uccia Pressetext

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paint

mit David Chieppo, Annelise Coste, Andreas Dobler, Markus Gadient, Lori Hersberger, Hanspeter Hofmann, Franziska Koch, Lutz / Guggisberg, Markus Mueller, Markus Weiss, Stefan à Wengen