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Pakui Hardware. Absent Touch

14. November 2020 – 23. Januar 2021
Eröffnung: Freitag, 13. November 2020, 11 – 21 Uhr

carlier | gebauer freut sich Absent Touch, die erste Einzelausstellung des Künstlerduos Pakui Hardware in der Galerie, zu präsentieren.

Als Neringa Černiauskaité und Ugnius Gelguda im Jahr 2014 Pakui Hardware gründeten, galt der Körper zunehmend als eine postnatürliche, poröse Schnittstelle: ein plastisches Gebilde, dass ständig durch ein Wechselspiel von persönlichen Transformationen, zwischenmenschlichen Beziehungen und strukturellen Machtmechanismen neu geformt wurde. Inspiriert von Philoso-phien wie dem Neuen Materialismus, dem Biokapitalismus und der Nekropolitik und in enger Zusammenarbeit mit wissenschaftlicher und technologischer Forschung, führen ihre skulptura-len Installationen den Betrachter seither in Ökosysteme ein, die entstehende Sinnesmuster verstärken, indem sie die Formen abstrahieren, die diese normalerweise vermitteln.

Pakui Hardwares erste Einzelausstellung bei carlier | gebauer Berlin fußt auf ihrer Untersuchung von Prothesenkörpern mittels der Digitalisierung und Quantifizierung von Gesundheit und schlägt somit ein neues Kapitel ihrer Forschungsarbeit auf. Mit Absent Touch konzentriert sich das Duo auf den jüngsten Aufschwung von telematischen Gesundheitsdienstleistungen und Technologien, ein Phänomen, das auch als „virtuelle Fürsorge“ bekannt ist und Telemedizin, Telegesundheit und Roboterchirurgie umfasst.

Obwohl das Ambiente in der Galerie an das eines Krankenhauses erinnert – eine Kombination aus Operationsraum und Wartezimmer – kreiert die Interaktion zwischen den Werken und ihren kontrastierenden Materialien einen ambivalenteren Ton. Fragile Objekte aus Edelstahlelementen, abgerundeten Glasformen und zarten, wogenden Stoffbehängen liegen unter OP-Leuchten auf Operationstischen, während an den Wänden eine Reihe von Fotografien bestimmte Details der Skulpturen hervorheben und mögliche Formen des Kontakts, der Interaktion und der Spannung andeuten.

In Anlehnung an die Forscherin Jeannette Pols, für die es keine „kalte“ Technologie und keinen „warmen“ Körper gibt, zeigen Pakui Hardware „einen andauernden Moment zwischen realen und virtuellen Körpern“, wobei sie sich einer Schwarz-Weiß-Sicht auf die Technologie verweigern. Die virtuelle Pflege ist dafür ein anschauliches Beispiel. Obwohl sie eine kurzfristige Lösung für die Grenzen der zugänglichen Gesundheitsfürsorge darstellt, besteht die Gefahr, dass persönliche Daten von großen Unternehmen gesammelt werden. Sie kann zwar das Verlegenheitsgefühl, dass bei direkten Untersuchungen entsteht verringern, führt aber häufig auch zu einem Gefühl der Vernachlässigung.

Absent Touch lässt Fragen unbeantwortet und gordische Knoten ungelöst. Hier wird Präsenz auf Spuren, Hüllen und Abdrücke reduziert, während die Gefühle flüchtig, gedämpft und unterdrückt bleiben. Während man durch den Ausstellungsraum streift, darauf bedacht die prekäre Stasis nicht zu stören, fühlt man sich durchweg als Bedrohung. Nach und nach gewöhnt man sich an einen Raum, in dem die Bewegung der Erkenntnis, die Anpassung dem Wissen vorausgeht, ein Raum, der die ethische Komplexität einer noch potentiellen, aber bereits nahen Zukunft widerspiegelt.

Pakui Hardware (1977 und 1984, Litauen) leben und arbeiten in Berlin und Vilnius. Ihre nächsten Einzelausstellungen werden im BALTIC Art Center, Gateshead und im Leopold-Hoesch-Museum, Düren, zu sehen sein. Sie hatten bereits Einzelausstellungen in der Future Gallery, Mexiko, Museum der bildenden Künste Leipzig (MdbK), Bielefelder Kunstverein, Tenderpixel, London, und dem Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (mumok). Sie haben an Gruppenausstellungen im MOCO La Panacée, Montpellier, der 13. Baltischen Trienniale im CAC, Vilnius, der Bienniale Istanbul , CCA Tel Aviv, MAXXI Rom, Musée d’Orsay Paris, Kunsthalle Basel, Kunstverein Braunschweig, Kunsthalle Basel und im BOZAR Brüssel teilgenommen.

Texte von Ingrid Luquet-Gad