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Ein Meisterwerk aus Antwerpens Goldenem Jahrhundert kehrt zurück Im Jahr 2002 gelang den Staatlichen Museen Kassel die bedeutendste Erwerbung seit 100 Jahren für die Gemäldegalerie Alte Meister: „Pan und Syrinx“, um 1617 von Peter Paul Rubens und Jan Brueghel d. Ä. als Gemeinschaftswerk geschaffen. Das Gemälde gehörte zum historischen Bestand der Sammlung des Galeriegründers Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel, verschwand jedoch 1813 im Fluchtgepäck von Napoleons Bruder Jerôme, der in Kassel als König von Westphalen regiert hatte. Anschließend befand es sich in französischem, später englischem Privatbesitz. Die Rückkehr dieses bedeutenden Werks in das berühmte Ensemble Alter Meister in der Kasseler Gemäldegalerie ist Anlaß einer Ausstellung, die der außergewöhnlichen Bedeutung des Themas für Rubens und andere Meister der Antwerpener Malerei des 17. Jahrhunderts nachgeht. Künstlerfreundschaft und Künstlerwettstreit unter den führenden flämischen Meistern führten zu zahlreichen Interpretationen von hoher künstlerischer Qualität, die in der Ausstellung erstmals vereint werden. Mit Leihgaben aus Museen in Bremen, Brüssel, London, München, Paris und Schwerin u. a. sowie aus verschiedenen Privatsammlungen – davon einige, die noch nie in der Öffentlichkeit zu sehen waren –, durchdringt die Ausstellung nicht nur einen kleinen und ausgewählten Aspekt der Kunst von Rubens und seinen Zeitgenossen intensiv, sondern leitet daraus auch neue Erkenntnisse zum Schaffen dieser Künstler des Goldenen Zeitalters der Antwerpener Malerei ab.

Pan und Syrinx – Entwicklung des erotischen Themas Die Geschichte von Pan und Syrinx stammt aus den „Metamorphosen“ des antiken römischen Dichters Ovid. Dort erfahren wir, daß Jupiter den Götterboten Merkur schickt, um seine in eine Kuh verwandelte Geliebte Io aus den Händen des vieläugigen Argus zu befreien. Merkur versucht den Wächter mit einer sanften Flötenmelodie einzuschläfern und erzählt in diesem Zusammenhang die Geschichte von dem Erdgott Pan und der Nymphe Syrinx:

„In Arkadiens kühlen Gebirgen war am höchsten berühmt von allen Dryaden des Waldes eine, die Syrinx genannt von den übrigen Nymphen der Landschaft. Nicht nur einmal war sie entschlüpft verfolgenden Satyrn, Göttern auch, wie der schattige Wald und das fruchtbare Feld sie hegen. Am meisten verehrt sie Ortygias Göttin und eifert auch in der Keuschheit ihr nach. Geschürzt in der Weise Dianas, konnte sie täuschen gar leicht und gelten für die, wäre der Bogen der Einen nicht hürnen gewesen und golden der Bogen der Andern. Trotzdem täuschte sie oft. Sie kam vom lycaeischen Hügel, Pan erblickte sie da. Bekränzt mit den Nadeln der Fichte sprach er:“ – Es blieb, was er sprach, zu sagen, es blieb zu erzählen, wie die Nymphe, sein Flehen mißachtend, feldeinwärts geflohen, bis zum sandigen Strand des friedlichen Ladon gekommen, wie sie, im eiligen Lauf ihres Flüchtens gehemmt durch die Wellen, dort zu den Schwestern im Fluß um Verwandlung bittend gerufen, wie da Pan, der Syrinx schon meinte gefangen zu haben, statt eines Nymphenleibes nur Schilf in Händen gehalten. Wie dann der Wind, indes der Gott dort seufzte, das Röhricht streichend, erzeugt einen Ton von zartem, klagendem Klange, und wie der Gott, berückt von der neuen Kunst und der Stimme Süße, gerufen: „Dieses Gespräch mit dir wird mir bleiben!“, Rohre verschiedener Länge mit Wachs zusammengefügt und wie er im Namen der Flöte den Namen des Mädchens bewahrt hat. – All dies wollte Merkur noch erzählen, da sieht er, daß all die Lider gesunken, und Schlaf die Augen alle bedeckte.“ Zunächst fand die Geschichte im Bereich der Graphik und Buchillustration ihren Niederschlag, wie die Ausstellung anhand der wichtigsten Beispiele aufzeigen kann. Ausgehend von diesen ersten Formulierungen entstanden in Antwerpen zu Beginn des 17. Jahrhunderts Werke, die das Sujet in die Malerei einführten. Eine Schlüsselrolle dürften hierbei die in der Ausstellung gezeigten Werke von Hendrick Goltzius und Hendrick van Balen gespielt haben.

Ein Wettstreit um Pan und Syrinx? Rubens, für den Pan und Syrinx positive Naturkräfte symbolisierten, malte das Thema innerhalb von 20 Jahren mindestens viermal. Die erste Fassung ist das nach Kassel zurückgekehrte Gemälde, das er zusammen mit seinem Freund und häufigen Mitarbeiter, dem Landschaftsspezialisten Jan Brueghel d. Ä. schuf. Etwa 1617 entstanden, scheint es sogleich Aufsehen erregt und zu einem Wettstreit der Maler herausgefordert zu haben. Im Anschluß schufen Jacob Jordaens und Abraham Janssen, die beiden anderen Großmeister der flämischen Barockmalerei, Gemälde mit eigenen und eigenwilligen Kompositionen von „Pan und Syrinx“. Als Theaterstück kommen „Pan und Syrinx“ 1619 in Antwerpen auf die Bühne – Beleg für die außerordentliche Beliebtheit des Sujets.

Rubens/Brueghel oder Brueghel/Rubens? – Künstlerkonkurrenz in Antwerpen Nicht allein der künstlerische Wettstreit, sondern auch die kollegiale Zusammenarbeit der Antwerpener Maler gewährleistete die hohe Qualität ihrer Werke. Die meist hochspezialisierten Künstler arbeiteten oftmals zu zweit oder zu mehreren an einem Gemälde. Jan Breughel d. Ä., der viele Gemälde in allen Partien eigenhändig malte, war in Werken anderer Maler etwa nur für die Landschaft oder die Figuren zuständig. Auch der universal gebildete Rubens, der alle Gattungen der Malerei beherrschte, stellte den Antwerpener Kollegen sein Können zur Verfügung. In der regelmäßigen Kooperation mit Jan Brueghel verstand er es, sich unterschiedlichen Voraussetzungen anzupassen, je nachdem, ob er die Hauptrolle spielte, wie bei „Pan und Syrinx“ (Kassel), oder ob er sich unterordnete, wie etwa bei der von Brueghel signierten „Waldlandschaft mit Nymphen und Jagdbeute“ (München).

Rubens’ Bilderfindungen und ihre Wirkung Rubens’ von den Kollegen und Konkurrenten anerkannte Meisterschaft zeigt sich in der intensiven Nachwirkung seiner Bilderfindungen zu „Pan und Syrinx“. Bis ins späte 17. Jahrhundert findet man sie als Zitate oder Variationen. Die Kasseler Ausstellung vereint erstmals alle vier bekannten Fassungen des Themas von Rubens’ Hand sowie wichtige Werke, die in der Nachfolge entstanden.

Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog mit Beiträgen von Joost Vander Auwera, Justus Lange, Christine Van Mulders und Bernhard Schnackenburg. Pressetext

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Pan und Syrinx - Eine erotische Jagd
Peter Paul Rubens, Jan Bruegel der Ältere und Ihren Zeitgenossen
Staatliche Museen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister
Kurator: Justus Lange

weitere Station:
25.06. - 22.08.04 Städel, Frankfurt