Städel Museum, Frankfurt

Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie | Dürerstr. 2
60596 Frankfurt

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Die Graphische Sammlung im Städel Museum zeigt vom 8. Juni bis 7. September 2008 eine umfassende Ausstellung der Druckgraphik des italienischen Malers Girolamo Francesco Mazzola, genannt „Il Parmigianino“ (1503−1540). Den Kern der Ausstellung bilden 50 Blätter aus der Sammlung des Malers, Druckgraphikers und Bildhauers Georg Baselitz (geb. 1938 in Deutschbaselitz, Sachsen), der seit langem manieristische Druckgraphik sammelt und vor wenigen Jahren einen sehr wertvollen Bestand an Graphiken Parmigianinos erwerben konnte. Die Werke aus der Sammlung Baselitz, die der Künstler vor einiger Zeit dem Cabinet des estampes des Musée d’art et d’histoire in Genf gestiftet hat, sind in der Ausstellung durch vier Leihgaben der Albertina in Wien und der Staatlichen Graphischen Sammlung in München sowie durch etwa 25 Blätter aus der Graphischen Sammlung des Städel Museums ergänzt. Die Ausstellung „Parmigianino und sein Kreis. Druckgraphik aus der Sammlung Baselitz“ versammelt somit fast alle Druckgraphiken, die entweder von Parmigianino selbst oder in unmittelbarer Verbindung mit ihm geschaffen worden sind, und zeigt ein Werk, das von stilprägender Bedeutung für den Manierismus und für die italienische Druckgraphik des 16. Jahrhunderts insgesamt gewesen ist.

Georg Baselitz entdeckte die italienische Druckgraphik des Manierismus während eines Aufenthaltes als Stipendiat in Florenz 1965. Er sah Kupferstiche, Radierungen und Holzschnitte, die keine harmonische Schönheit, keine festgelegte kanonische Form und oft auch keine technische Perfektion boten. Was ihn allerdings sofort an diesen Blättern reizte, waren neben ihrer spröden Ästhetik eine manchmal geradezu provozierende Eigenwilligkeit und Erfindungskraft und die erkennbare Freude am technischen Experiment. Baselitz war von der Offenheit und Unmittelbarkeit dieser Werke fasziniert, und da sie – damals wenig geschätzt – verhältnismäßig preiswert waren, begann er sie zu sammeln: „Günstig für mich waren die relativ niedrigen Preise. Die manieristische Graphik wurde schlecht bewertet, sie litt unter dem Missverständnis, dass es sich hierbei um Reproduktionsgraphik handele. Ich aber fand, sie manifestiere den Entwurf, also die persönliche Ausformung und Erfindung in den Zeichnungen jener Künstler mehr und prägnanter, als das die Graphik nördlich der Alpen tat. Sie war unmittelbarer, willkürlicher und offensiver in ihrer Art“, so Baselitz.

Nach einigen Jahren musste Baselitz seine ersten Bestände aus finanziellen Gründen verkaufen; sobald es ihm aber möglich war, nahm er das Sammeln manieristischer Druckgraphik von Neuem auf. Je mehr sich seine Sammlung entwickelte, desto größer wurde sein Interesse an Blättern jenes prominenten und hoch gehandelten Künstlers, der bei der Entstehung der manieristischen Druckgraphik die zentrale Rolle spielte: Parmigianino.

Gute Abzüge von dessen eigenhändigen Radierungen und von den Helldunkel-Holzschnitten nach seinen Entwürfen waren nur selten und, wenn überhaupt, für hohe Preise auf dem Kunstmarkt zu finden. Vor wenigen Jahren allerdings konnte Baselitz diese Lücke in seiner Sammlung mit einem spektakulären Ankauf ausgleichen: er erwarb aus dem Kunsthandel das sogenannte „Album Spencer“, einen alten Klebeband mit fast der gesamten Druckgraphik Parmigianinos in hervorragenden Abzügen. Das „Album Spencer“ ist, wahrscheinlich von französischen Kunsthändlern, im 18. Jahrhundert für die englische Adelsfamilie Spencer zusammengestellt worden und war von dieser in den 1980er-Jahren verkauft worden.

Girolamo Francesco Mazzola, genannt „Il Parmigianino“ (Parma 1503−1540 Casalmaggiore bei Parma), war einer der bedeutendsten und einflussreichsten Maler der Generation nach Raffael (gest. 1520). Parmigianino entwickelte einen im Vergleich zu Raffaels Klassik kunstvoll gesteigerten („manieristischen“) Stil, der sich durch Grazie und Sinnlichkeit, emotionale Spannung und Eleganz auszeichnete. Parmigianino kam nach frühen Erfolgen in seiner Heimatstadt Parma (er galt als Wunderkind) 1524 nach Rom, in der Hoffnung auf repräsentative Aufträge, wie sie in den Jahren zuvor Raffael und Michelangelo zuteil geworden waren und diese weltbekannt gemacht hatten. Nach dem Vorbild Raffaels, der viele seiner Werke durch den Kupferstecher Marcantonio Raimondi hatte stechen und damit vervielfältigen und verbreiten lassen, suchte Parmigianino schon bald seinerseits die Zusammenarbeit mit einem Kupferstecher, mit Gian Giacomo Caraglio (1505−1565). Ihm stellte er Zeichnungen als Vorlage für Kupferstiche zur Verfügung. Wohl zur selben Zeit begann Parmigianino selbst mit der Technik der Radierung zu experimentieren. Bei diesem Verfahren, das erst um 1500 in Süddeutschland entwickelt worden war, bedeckt man die kupferne Druckplatte mit einer wachsartigen, säurefesten Schicht (dem „Ätzgrund“), in die die Zeichnung hineingekratzt wird (lat. radere = kratzen). In einem Ätzbad frisst sich die Säure in die freigekratzten Stellen des Metalls, und das vertieft in der Druckplatte liegende Bild kann gedruckt werden. Die Technik der Radierung hat den Vorteil, dass sie nicht die langwierige handwerkliche Ausbildung eines Kupferstechers erfordert; man kann sie in kurzer Zeit erlernen, und sie kam einem brillanten Zeichner wie Parmigianino in ihrem Charakter entgegen. Ihr Nachteil bestand im frühen 16. Jahrhundert darin, dass man noch wenig Erfahrung mit den komplizierten Chemikalien des Ätzgrundes und der anzuwen¬denden Säuren hatte. Parmigianino war der erste Künstler in Italien, der sich intensiv mit den künstlerischen Möglichkeiten dieser graphischen Technik beschäftigte und versuchte, damit Drucke zu erzeugen, die eine malerische Wirkung vermitteln sollten, welche nicht nur der Farbigkeit seiner Gemälde, sondern möglicherweise mehr noch der subtilen Wirkung seiner meisterhaften Zeichnungen entsprach.

Parmigianinos Interesse an neuen medialen Ausdrucksformen und drucktechnischen Verfahren äußerte sich auch darin, dass er sich neben dem Kupferstich und der Radierung mit einer weiteren, erst kurz zuvor entwickelten druckgraphischen Technik beschäftigte, mit dem Clair-Obscur- oder Helldunkel-Holzschnitt. Ähnlich wie beim Kupferstich schuf er die Druckgraphiken in dieser Technik nicht selbst, sondern arbeitete mit spezialisierten Holzschneidern zusammen. Beim Helldunkel-Holzschnitt wird nicht von einer einzigen, sondern von mehreren in Holzschnitt-Technik ausgeführten Druckplatten gedruckt. Diese werden verschiedenfarbig eingefärbt und ergeben erst im Zusammendruck ihre ganz spezifische, mitunter verblüffende Wirkung. Der Helldunkel-Holzschnitt ist nicht nur die erste farbige druckgraphische Technik, die ohne nachträgliche Kolorierung auskommt, sondern auch eine eigenständige und überaus suggestiv wirkende künstlerische Ausdrucksform.

In Rom begegnete Parmigianino Ugo da Carpi (um 1480–1532), dem Pionier dieser Technik in Italien. Da Carpi hatte wenige Jahre zuvor begonnen, Helldunkel-Holzschnitte nach Zeichnungen Raffaels zu schaffen und dabei eng mit diesem zusammengearbeitet. Das Städel Museum besitzt eine Zeichnung Parmigianinos, die dieser – sicherlich in Rom – nach einem solchen Holzschnitt Ugo da Carpis angefertigt hat. Parmigianino dürfte seinerseits um dieselbe Zeit Ugo da Carpi gezeichnete Vorlagen geliefert und mit diesem an der Umsetzung in die graphische Technik gearbeitet haben. Als beide Künstler 1527 während des „Sacco di Roma“, der Plünderung Roms durch Truppen des habsburgischen Kaisers Karl V., fliehen mussten, setzten sie ihre Zusammenarbeit in Bologna fort. In Rom oder in Bologna entstand auch das Meisterwerk dieser Zusammenarbeit, der große Helldunkel-Holzschnitt des „Diogenes“, der in der Ausstellung in drei verschiedenen Exemplaren gezeigt werden kann. In Bologna schufen in der Folge auch zwei weitere Holzschneider, Antonio da Trento und Niccolò Vicentino, Helldunkel-Holzschnitte nach Zeichnungen Parmigianinos.

Die Ausstellung ist von November 2007 bis Februar 2008 zunächst von der Staatlichen Graphischen Sammlung in München gezeigt worden und wird jetzt mit leichten Abwandlungen und Ergänzungen aus der Sammlung des Städel Museums in Frankfurt als zweiter Station präsentiert. Der ausführliche wissenschaftliche Katalog wurde von dem Parmigianino-Spezialisten Achim Gnann, Kurator an der Albertina in Wien, verfasst.

Kuratoren der Ausstellung: Dr. Kurt Zeitler, Kurator an der Staatlichen Graphischen Sammlung München (für die Präsentation in München), und Dr. Martin Sonnabend, Leiter Graphische Sammlung bis 1750 (für die Präsentation im Städel Museum)

Katalog: Achim Gnann, Parmigianino und sein Kreis. Druckgraphik aus der Sammlung Baselitz, hg. von der Staatlichen Graphischen Sammlung München, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2007, dt., 212 Seiten, ISBN 978-3-7757-2034-2

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Parmigianino und sein Kreis
Druckgraphik aus der Sammlung Baselitz
Kuratoren: Kurt Zeitler, Martin Sonnabend

Weitere Werke von Ugo da Carpi, Antonio da Trento, Niccolo Vicentino ...

Stationen:
22.11.07 - 24.02.08 Alte Pinakothek, München
08.06.08 - 07.09.08 Das Städel, Frankfurt