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Staatsekretär Franz Morak verleiht am Eröffnungsabend den Förderungspreis für künstlerische Fotografie 2005 des Bundeskanzleramtes an Paul Kranzler. Der junge Linzer Paul Kranzler (geb. 1979) lässt bereits in seinen ersten Projekten eine starke, eigenständige Position erkennen: sein soziales Interesse, die Teilnahme am Leben Anderer in der großen internationalen Tradition sozialdokumentarischer Fotografie. Mit dem umfangreichen fotografischen Projekt „Land of Milk and Honey“ (2002 – 2004) dokumentiert Paul Kranzler das Leben seines Nachbarn in einem Linzer Substandard-Zimmer. Als junger Kunststudent hat er dort über etwa zwei Jahre das prekäre Leben seiner Nachbarn geteilt. Zentrales Thema dabei ist der zunehmende Kontrollverlust eines Menschen, der die Normen der Lebensführung in der Wohlstandsgesellschaft nicht mehr einzuhalten in der Lage ist. Kranzler beweist mit dem Dokument dieser Lebenssituation den gleichen aufmerksamen, offenen Blick, die gleiche fotografische Präzision, die auch seine Serien „Krasnodar“ (2003), entstanden in einem Linzer Asylantenheim, und „Landjugend“ (2004) prägen.

Über die Entstehung der Fotoarbeit Paul Kranzlers „Grundgedanke war die Konzentration auf einen einzigen, relativ kleinen Raum, einen Lebensraum, der Installationscharakter aufweist und gleichzeitig eine menschliche Innen- und Außenwelt darstellt.“ (Paul Kranzler)

Einzug im Wohnhaus: 10/ 2001 Beginn des Fotografierens: 10/ 2002 Auszug aus der Wohnung: 10/ 2003 Ende der Arbeit: 10/ 2004 Im Oktober 2001 war ich auf der Suche nach einer günstigen Wohngelegenheit. Ganz im Gegensatz zu den noblen Therapiepraxen im Erdgeschoß gab es im obersten Stockwerk eines Linzer Stadthauses einige Zimmer mit Gemeinschaftstoilette am Gang. Ich wohnte bereits ein Jahr dort, als die Bekanntschaft mit Toni und Aloisia über das bloße Grüßen und Einkaufstaschen hinauftragen hinausging. Meine beiden Zimmernachbarn waren keine Freaks oder so, sie brachten mir von vornherein eine große Herzlichkeit und Offenheit entgegen. Und sie waren völlig normal. So war es auch oft sehr gemütlich drüben zu sitzen, sich zu unterhalten, fernzusehen, Bier zu trinken. Eine Oase mitten in der feindlichen Wüste des Schlaraffenlandes.

Ich durfte an ihrem Leben teilnehmen, ich bin ihnen noch heute dafür dankbar. Die Bilder zu machen, stand nie in Frage, sie hatten keine Vorbehalte, ich war einfach der Junge der Fotos macht. Viele Fotos. Der Zustand des Raumes war jener seines Bewohners. So fand ich ihn, im Sommer 2003, von einem Schlaganfall getroffen, in einem grauenhaften Zustand, am Boden seines Zimmers. Sein Zimmer wurde daraufhin auch bald geräumt, es war klar, dass er es hier nicht mehr alleine schafft. Aber er erwies sich Gott sei Dank als harter Knochen, „Unkraut verdirbt nicht“, flüsterte er mir auf der Intensivstation zu. Wie er diese Kurve dann wirklich gekriegt hat ist mir bis heute ein Rätsel. Auch ich bin kurz darauf aus diesem Haus weggezogen. Wir treffen uns noch gelegentlich, ich besuche ihn in seinem neuen Zimmer, und sie in ihrem alten, manchmal schaut auch er bei ihr vorbei. Paul Kranzler - Linz, 15. Februar 2005

In October 2001 I was flat hunting for somewhere inexpensive to live. I found out that there were a few rooms for rent on the top floor of a townhouse in Linz, with a communal toilet in the corridor, in stark contrast to the posh doctors’ surgeries on the ground floor. I’d been living there for a year before I got to know Toni and Aloisia better, beyond just saying hello or helping to carry their shopping up the stairs. There was nothing weird about my two neighbours in the rooms next door; right from the outset they were genuinely warm-hearted and friendly towards me. And they were completely normal. Which was why it was often fun to go next door for a chat, a beer or to watch TV. It was an oasis amid the hostile desert of the Land of Milk and Honey. I was allowed to be a part of their lives, and to this day it’s something I’m grateful to them for. Taking the photos was never an issue; they had no reservations – to them I was just the guy who took photos. Lots of photos. The state of the room reflected the state of the person who lived there. And that’s how I found him one day in the summer of 2003, lying on the floor of his room, in a terrible state after a stroke. Soon afterwards his room was cleared out; we all knew he’d never be able to manage on his own again. He proved to be made of other stuff, thank God; “a bad penny always comes back,” he whispered to me in intensive care. To this day I’ve not idea how he managed to pull through. I, too, moved out of the building soon afterwards. We sometimes meet up again; I go and see him in his new room, and her in her old one; sometimes he even pops round to see her

Paul Linz, 15 February 2005

Buch/Book In der Fotohof edition, Band 53, erschien im März 2005 das Buch Paul Kranzler. Land Of Milk And Honey. Fotografien, 128 Seiten, mit Textbeiträgen von Stella Rollig und Paul Kranzler. Dt. + Engl. (2 Ausgaben), Auflage 1000, hart gebunden

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