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Seit den frühen 1990er Jahren verfolgt Paweł Althamer eine besondere Form der partizipatorischen Kunstproduktion. Aus diesen Projekten ergeben sich nicht nur charakteristische Werkgruppen sondern für die Beteiligten und auch das Publikum einzigartige soziale Erlebnisse.

Darüber hinaus spürt sein Werk dem transformativen Potential in der Kunst nach und regt die Beteiligten an, ihre Kreativität zu reflektieren und sich neu mit ihrem Leben auseinander zu setzen. So leitet Althamer seit 1994 die Nowolipie Group, einen wöchentlichen Bildhauer-Workshop für an multipler Sklerose erkrankte Patienten, und inszenierte zur Jahrtausendwende mit seinen Nachbarn im gleichnamigen Wohnblock die große kollektive Skulptur Bródno 2000. Das Projekt Common Task führte ihn, sein Familie und Freunde seit 2008 nach Belgien, Brasilien und Mali. In Frühling überließ er 2009 seine Ausstellung im Kassler Museum Fridericianum den Schulkindern der Stadt.

Parallel dazu schuf Paweł Althamer ein vielfältiges bildhauerisches Werk, das vornehmlich aus Selbstporträts und Porträts von Familienmitgliedern besteht. Die Abbilder sind aus Materialien wie Tiereingeweiden, Heu und menschlichem Haar zusammengesetzt.

In seiner Auftragsarbeit für das Deutsche Guggenheim – der 17. in dieser innovativen Reihe– hat Althamer Performance und Skulptur miteinander verknüpft und eine Ausstellung „in progress“ konzipiert. Die Besucher erleben einen Ort der aktiven Produktion statt der passiven Reflexion. Almech ist das Ergebnis eines physischen und psychischen Austauschs zwischen dem Museum und Almech, einer kleinen Kunststofffabrik, die Althamers Vater in Wesoła, einem Vorort von Warschau, gegründet hat und noch heute betreibt. Für die Berliner „Niederlassung“ dieser Firma lässt Althamer im Galerieraum Maschinen installieren, mit denen Mitarbeiter von Almech während des Ausstellungszeitraums skulpturale Porträts von Angestellten des Deutsche Guggenheim, der Deutschen Bank und der Guggenheim Foundation sowie von Besuchern der Schau herstellen. In der Ausstellungshalle werden die Gesichter der Modelle abgeformt und die Abgüsse anschließend auf Metallkonstruktionen befestigt. Die Skulpturen werden dann „mit Fleisch“ aus dem von polnischen Pressmaschinen produzierten Plastik versehen. Die Verknüpfung von Museum und Fabrik manifestiert sich auch in der neuen Beschilderung der beiden Orte – „Almech“ in Berlin und „Deutsche Guggenheim“ in Wesoła.

Mit Almech schafft Althamer eine Hommage an die väterliche Firma und zugleich ein monumentales, kollektives Selbstporträt, welches das Deutsche Guggenheim durch die hier anzutreffenden Menschen definiert: Besucher und Ausstellungsführer, Kuratoren und Künstler, Reinigungs- und Wachpersonal, leitende Bankangestellte und deren Kunden. Die Teilnehmer entdecken die Möglichkeit der aktiven Beteiligung und Intervention. In ihren Skulpturen finden sie sich wieder und verleihen der sonst üblichen Anonymität eines Ausstellungsbesuches ein individuelles Gesicht. Die über die gesamte Ausstellungsfläche verteilten Objekte besitzen eine unheimliche Macht und wachsen zu einer somnambulen Gruppe zusammen, die sich um die Arbeiter und die Besucher der Auftragsarbeit scharen. Wie in vielen von Althamers Arbeiten scheinen sie von anderen Wirklichkeiten zu träumen, während sie in ihrer Gemeinschaft zugleich der kollektiven Erfahrung ein Denkmal setzen.