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PEPPI BOTTROP. DER LANGE LÖFFEL

OPENING
THURSDAY, NOVEMBER 3, 2016, 6 – 9 PM

Peppi Bottrop treibt in den Arbeiten seiner Ausstellung "Der lange Löffel" bei Jan Kaps die Reduktion der Mittel seiner Zeichnung voran. Wie mit einem Mikroskop scheint er in die Bestandteile seiner früheren Arbeiten zu zoomen, um der Substanz der Zeichnung näher zu kommen. Er vereinfacht die Struktur seiner Bilder und wählt aus der Vielzahl der Möglichkeiten der Linie auf der Fläche das eben Nötige, um die einzelne Linie das sein zu lassen, was sie eigentlich ist. Diese neuen Linien beinhalten, was ihnen vorausging und fnden doch ihren eigenen Weg. Die direkt auf die Wand geschraubten Fermacellplatten, die ihnen als Malgrund dienen, sind architektonische Versatzstücke, Bruchteile von Wänden und scheinen Bottrops Zeichen weniger im Malerischen als im Skulpturalen zu verorten. Diese Entwicklung steht nicht im Widerspruch zu früheren Arbeiten des Künstlers, in denen die Linie geometrische Formen in konstruktivistischerManier klar umreisst und die Fläche verdichtend anfüllt. Die neuen Arbeiten Peppi Bottrops sind vielmehr als logische Folge der ihnen zeitlich vorausgehenden zu lesen. Der Künstler fragmentiert und reduziert, was vorher ein In- und Übereinander von Linienmengen war, zu verstreut komponierten Gefügen. Indem er das Freilassen kultiviert, das Absetzen der Kohle, den bewussten Abbruch der Geste, fndet Bottrop neue Räume auf neuen Untergründen, setzt neue Markierungen und defniert zwischen diesen neue Aussparungen.

Tastend, testend, vorstoßend formuliert Peppi Bottrop konkurrierende Geschwindigkeiten. Während hoher Geschwindigkeit, plötzlichem Abbremsen, Gesten des Anfüllens und solchen des Freilassens der Fläche entstehen fragmentierte Linien, verwischte Spuren, stotternde Zeichen. Beginn, Unterbrechung, Wiederaufnahme und erneuter Abbruch lassen Setzungen zu, deren Komposition so gewichtlos wie bestimmt wirkt. Gleichzeitig scheinen Bottrops Markierungen auf der Fläche einer präschriftlichen Archaik zu entspringen. Wo sie Höhlenmalereien ähneln - Zeichen aus Ruß, noch abbildfrei und ohne dass sich Buchstaben oder Symbole formen würden - beschreiben sie einen ursprünglich menschlichen Impuls.

Dieser Archaik entgegen arbeiten die sichtbar gelassenen, aufgedruckten Codes der industriellen Produktion der Fermacellplatten, auf denen Bottrop zeichnet. Der maschinelle Aufdruck, Zahlenfolgen aus der Industrie, zeigt Datum und Zeitpunkt der Fertigstellung der einzelnen Platte und verortet sie im Jetzt. 04.05.16 22:40. Bottrop geht in der Suche nach den Bestandteilen seiner Zeichnung auf diese Codes ein. Seine Striche binden die Zahlen und Buchstaben ein, werden zu ihnen ins Verhältnis gesetzt, gestrichelt und unterbrochen, als wäre ihr sattes Schwarz selbst nur eine besonders dichte Reihung von Schriftzeichen, die hier und da aufbricht und den Blick auf den sie erzeugenden Text freigibt. So fnden diese Arbeiten einen Platz zwischen Ursprung und Jetzt, zwischen bloßer Markierung und Bild, fnden in unterschiedlichen Zeiten und unterschiedlichen Geschwindigkeiten statt.

Friedemann Heckel