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Der 1960 geborene Peter Friedl, Teilnehmer der letzten documenta, ist einer der interessantesten und inzwischen international bekanntesten Künstler Österreichs. Im Zentrum seiner künstlerischen Recherchen stehen Sprache und Repräsentation als ständige Fragen nach der Bewertung und Entwaffnung von »Macht«. Sein Vorgehen: mediale Streuung, »präzise Mißverständnisse« erzeugen, Parenthesen (Klammern) herstellen, alle gängigen Repräsentationskriterien scheinbar eingängig unterlaufen, genrespezifisch arbeiten. »Die Präzision, mit der Friedl dabei alle Übereinkünfte des Kunstbetriebes düpiert und darüber hinausgehend auch den Scheinkonsens aller Gesellschaftsverträge (vom Multikulturalismus bis zur Kleiderordnung) aufdeckt, zeugt von seinem künstlerischen Rang · Was er sichtbar macht, sind unsichtbare Instanzen der Zensur, sowohl der Selbstzensur wie der Fremdzensur, sowohl der Intimsphäre wie der Öffentlichkeit.« (Peter Weibel)

Zu Friedls bekanntesten Arbeiten und Interventionen der letzten Jahre gehören: »KINO« und »Dummy« auf der documenta X (Kassel,1997), »Bremer Freiheit« für die Ausstellung »Do All Oceans Have Walls?« (Bremen, 1998), das auto- biographische, retrospektive Projekt »Peter Friedl« 1998 am Palais des Beaux-Arts in Brüssel (mit weiteren Stationen demnächst in der Neuen Galerie in Graz sowie im FRAC Languedoc-Roussillon in Montpellier). Sein Beitrag zu der bis Ende Januar laufenden Ausstellung »1+ 3 = 4 x 1« in der Galerie für Zeit- genössische Kunst Leipzig bestand darin, seine Teilnahme und die seiner Gastkuratorin abzusagen.

Peter Friedls für den NBK konzipiertes Projekt verweist auf Leben und Werk des aus Sardinien stammenden Revolutionärs, Sprachwissenschaftlers, Politikers, Schriftstellers und Märtyrers Antonio Gramsci (1891-1937), der nach seiner Verhaftung 1926 in den faschistischen Gefängnissen verschwand und dessen posthum publizierte »Quaderni del Carcere« (Gefängnishefte) zu den einfluß- reichsten Texten der politischen Philosophie - insbesondere seit 1968 - wurden. Als Theoretiker der »Hegemonie« und »Gegenhegemonie«, des (italienischen) Nord-Süd-Problems oder der »passiven Revolution« ist er gerade heute aus vielen aktuellen Diskussionen nicht wegzudenken- was sich nicht zuletzt auch auf der documenta X gezeigt hat.

Wenige Elemente verschränken sich im Ausstellungsraum des NBK (der diesmal mit ausgestellt wird) modellhaft zu einem visuellen Diskurs: eine Geste der Reverenz und Irritation; ein künstlerischer Kommentar zwischen Kultur- wissenschaft, Politphilosophie, Autobiographie, Privatwelt und Kinderzimmer, der den Diskurs noch einmal verschiebt und auflädt. NINO - vier Buchstaben eines Namens (hier eine Verkleinerungsform aus dem Italienischen; »Nino« wurde Gramsci von Familienangehörigen und engsten Freunden genannt), als farbige Bausteine für ein Logo oder Titelbild und raumbezogene Wandmalerei am Ausstellungsort. Der genau 151 cm hohe Silberstreifen könnte eine lakonische Anspielung sein auf Gramscis Körpergröße (»anche grande, non passava il metro e cinquanta«). Die einzigen »dokumentarischen« Bilder der Ausstellung - das Foto der Einladungskarte (ein privater Schnappschuß aus der italienischen Provinz) sowie der Reprint eines in die Jahre gekommenen, gemalten Kinoplakats - zitieren nicht nur die Beliebigkeit von Bildern und ihren Bedeutungen, sie zeigen auch, daß Bedeutung als Artefakt hergestellt und verstanden werden kann. Es ist das Plakat des 1965 gedrehten Films »Terrore nello spazio« von Mario Bava, ein Meisterwerk des Horrorfilms mit Science- fiction-Elementen. Im selben Jahr erschien zum ersten Mal die komplette Ausgabe von Gramscis Briefen aus dem Gefängnis, und beendete Giuseppe Fiori seine Biographie »Vita di Antonio Gramsci«.

Die Bezüge sind so subtil wie fragmentarisch und präzise. Die ganze Ausstellung folgt diesem Prinzip, das vielleicht mit einem Gramsci-Satz aus den »Notizen über die Geschichte subalterner Klassen« benannt werden könnte: »La storia dei gruppi sociali subalterni è necessariamente disgregata ed episodica.« Ähnlich wie bei Friedls Prager City Project »Bellamy & Bellamy« (1996) geht es hier darum, wie aus Geschichte Stoff für Verkettungsstrategien wird - jenseits von Illustration oder Gefangenschaft im Text.

Zur Ausstellung erscheint kein Katalog. Stattdessen befindet sich ein retrospektiv angelegtes Buch mit Texten von Roger M. Buergel in Vorbereitung, das das Werk Peter Friedls umfassend vorstellt und begleitend zu seinen neuesten Projekten - gemeinsam mit dem Palais des Beaux-Arts in Brüssel, der Neuen Galerie Graz, dem FRAC Languedoc-Roussillon in Montpellier - herausgegeben wird. Die Buchpräsentation findet im NBK am 24. Februar 1999 im Rahmen der Veranstaltungsreihe Treffpunkt NBK statt. Pressetext

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Peter Friedl