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Präsentiert oder vorgeführt? - Die Automobilparade Peter Sauerers

Ob J. F. Kennedy im Lincoln X-100 ein Unheil bringendes Bad in der Menge nimmt, Adolf Hitler als Führer im Mercedes 770 K seiner Macht Ausdruck verleiht oder der halb geöffnete Kofferraum eines Audi 100 den Blick auf den toten Martin Schleyer freigibt, eines ist all diesen motorisierten Szenen gemein, der Wagen selbst wird erst durch seine Insassen zum Geschichts- und Bedeutungsträger und wird auf diesem Weg zu etwas Besonderen, erlangt geradezu „Persönlichkeit“.

Das Ausgangsinteresse des Walleshausener Künstlers Peter Sauerer gilt dementsprechend nicht den Automobilen selbst, sondern zeugt von einer persönlichen Auseinandersetzung mit Themen und Ereignissen, die ihn nicht ausschließlich, aber dennoch vorwiegend dunkle Kapitel der jüngeren Geschichte aufschlagen lässt. Wenn seine Automobilparade in ihrem Spielzeugcharakter auf den ersten Blick auch harmlos erscheint, entfaltet sich bei genauer Betrachtung ihre Ambivalenz. Seien es Hitler und Göring als Leitfiguren des Nationalsozialismus, die Ermordungen Bubacks und Schleyers durch die RAF, der vermeintliche Unfalltod Prinzessin Dianas oder die politischen Wirren um das argentinische Präsidentenpaar Juan und Evita Perón und selbst in der fiktiven Welt Batmans und des Green Hornet, immer steht hinter der jeweiligen Geschichte eine Form von Gewalt. In der Annäherung an diese Thematiken nahezu investigativ vorgehend, entwickelt Peter Sauerer eine bildliche Vorstellung des Recherchierten, die auch schon bei seinen Kästen zu beobachten war und nun in seinen filigranen Holzskulpturen Form annimmt. Sein Blick auf die entstehende Automobilparade ist dabei entsprechend doppeldeutig, ausreichend mild und humorvoll, um die geschichtlichen Lasten mit Arbeiten wie Golf 1 GTI Cabriolet oder Batmobil aufzulockern und den Betrachter schmunzeln zu lassen, gleichzeitig möchte er sich jedoch auch in seiner kritischen, aber explizit nicht zynischen Aufarbeitung verstanden wissen.

Im handwerklichen Herstellungsprozess entstehen zunächst die Figuren, die sich nicht im Sinne eines Stephan Balkenhol gewaltig aus Holzblöcken herausschälen, sondern in Feinarbeit aus kleinsten Leisten (3 x 3 cm) geschnitzt werden. Die Idee zu diesen Figuren fußt in den Aufstellfiguren, wie sie als Spielzeug bereits zu NS-Zeiten in entsprechender Optik populär waren und die sich heute als begehrte Objekte weltweiter Sammlerbörsen erweisen, eine Szene, die Sauerer entsprechend kritisch ins Visier nimmt. Um den Wagen selbst so detailgetreu wie möglich nachzubauen, arbeitet Sauerer mit Modellen oder auch fotografischen Vorlagen, die ihm darüber hinaus ermöglichen, das Holzmodell mit den für ihn entscheidenden Merkmalen des jeweiligen Autotyps zu bemalen. Doch schon vor der Bemalung, wird der reine Nachbildungscharakter wie bei den Schnurarchitekturen zerstört. Denn zersägt und mit Schnüren wieder zusammengefügt, erhält die Holzskulptur etwas Fragmentarisches, wird zu etwas Eigenem, das in seiner fragilen Ästhetik auf die dargestellten Themen reagiert. Was anfänglich als eine Peter Sauerer eigene technische Finesse anmutet, unterstreicht den ruinösen Charakter des Nissan Sunny, lässt Spuren an den RAF-Zielobjekten und Fluchtwagen erahnen und scheint insgesamt deutlich werden lassen zu wollen, dass „man sich auf ungesichertem Terrain bewegt“. Doch die Verarbeitung des gelesen und gesehen Materials bleibt ausschließlich privat motiviert, verstrickt sich teils mit der eigenen Biographie, ein didaktischer oder moralischer Fingerzeig liegt Sauerer fern.

Uta Ruhkamp

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Peter Sauerer